
Ärger, Angst und Hoffnung: Das sagen zwölf Aargauer Gastronomen nach drei Wochen Lockdown
Am Mittwoch wird der Bundesrat entscheiden, wie es weitergeht: Dürfen Restaurants bald wieder öffnen – oder bleiben sie zu? Für manche Wirte hängt die Existenz ihres Betriebs an diesem Entscheid. Andere wünschen sich einfach nur etwas Normalität. Wie geht es der Gastronomie im Kanton? Wir haben mit zwölf Wirten gesprochen.
Restaurant Rathaus Zofingen: «Mir geht es schlecht»
Gastronom Raphael Lerch. © zvg
Raphael Lerch ist sauer. So kann es nicht mehr weitergehen, sagt der Wirt: «Mir geht es schlecht. Man hat Fixkosten aber keine Einnahmen. Womit soll man diese bezahlen?» Für ihn ist klar, vor Ende Februar kann er nicht aufmachen. Auch das ist kein Trost: «Das ist nur ein Datum. Dazwischen liegen Wochen. Die Post mit den Rechnungen kommt weiterhin.» Er fordert vom Bund, dass die Gastronomen sofort Geld bekommen, ohne Umweg und ohne Bürokratie. Und dass die Restaurants wieder aufmachen können. Dass diese ein Problem sein könnten, bezweifelt er: «Wir haben monatelang die Daten der Gäste erfasst. Es hat sich nicht eine Person gemeldet, weder vom Contact Tracing noch von den Besuchern.» Er fühlt sich hingehalten und missverstanden von der Politik: «Sie haben keine Ahnung, wie es auf der Gasse läuft.»
Hotel Zofingen: «Man soll die Gastronomie unterstützen»
Rudolf Günthardt im Foyer seines Betriebs. © Philippe Pfister
Gastronom und FDP-Einwohnerrat Rudolf Günthardt denkt nicht weiter als bis Ende Februar: «Im Moment gibt es nur einen Gedanken: Wir müssen alle alles daran setzen, dass die Fallzahlen sinken. Das ist das Einzige, was uns am Ende retten kann», sagt er. Natürlich würde er sein Restaurant im Hotel Zofingen gerne wieder öffnen, «aber man muss das Gesamtbild anschauen.» Er hat klare Forderungen für Staat und Kanton: «Man soll die Gastronomie und auch die anderen Betroffenen entsprechend schnell unterstützen, mit à-Fond-Perdu-Beiträgen, damit die Liquidität sichergestellt werden kann.» Er verlangt schnelle und klare Entscheidungen bei der Zusicherung finanzieller Hilfe. «Die Anforderungen und notwendigen Unterlagen, die es im Kanton Aargau braucht, sind viel zu aufwändig», so der Gastronom und Politiker.
Seehotel Hallwil: «Es wird ein Würfelspiel veranstaltet»
Gastronom Willy Nyffenegger. zvg
Die aktuelle Situation stimmt Gastronom Willy Nyffenegger nachdenklich. «Es wird ein Würfelspiel veranstaltet auf dem Buckel des Volkes. Je nachdem, was gewürfelt wird, wird entschieden», sagt er im Hinblick auf die anstehenden Entscheidungen vom Mittwoch. «Da ist eine gewisse Resignation.» Nyffenegger fordert eine schnelle und korrekte Abhandlung der Finanzierung. «Wir können auf einfache Art und Weise, analog zu einer Steuererklärung oder einem Jahresabschluss eine Differenz berechnen, bei der Leuten in der Gastronomie geholfen werden kann. Und zwar ohne Härtefallklauseln und ohne Aufschub.» Nyffenegger musste seit Ausbruch der Pandemie 15 Prozent seines Personals entlassen. Alternativszenarien macht er keine: «Planen ist gar nicht möglich. Allein schon bei der Einsatzplanung für meine Mitarbeiter.»
Restaurant Zaraz Rheinfelden: «Laufen in Richtung Konkurs»
Araz Abram ist Besitzer des Restaurant Zaraz in Rheinfelden. © Chris Iseli
«Uns geht es schlecht. Das betrifft alle Gastronomen, wir laufen alle in Richtung Konkurs», sagt Aaraz Abram, Wirt aus Rheinfelden. Eine Verlängerung des Lockdowns für die Restaurants sieht er als sichere Sache an: «Das wird noch viel länger dauern als bis Ende Februar.» Er fordert von Regierung und Bund, dass Hilfsgelder gesprochen werden und zwar schnell: «Und nicht in Kreditform, wir wollen uns nicht weiter verschulden.» Härtefälle gäbe es keine: «Es sind alle Gastronomen betroffen.» Ausserdem fordert er, dass der Bund die Gastronomen mitreden lässt: «Nicht nur den Verband. Sie sollen in die Entscheidungen Leute miteinbeziehen, die wissen, wovon sie sprechen», so Abram.
Gasthof Sonne Eiken: «Uns wird verboten zu arbeiten»
Daniele und Agatina Ieraci aus Eiken eröffneten die Sonne im April 2019. © Nadine Böni
«Die Situation ist nicht schön», sagt Agatina Ieraci. «Uns wird verboten, zu arbeiten, obwohl das Problem wirklich nicht in den Beizen liegt.» In ihrer Stimme hört man den Unmut. «Es macht einen sauer, vor allem, wenn man die Situation in den Läden anschaut.» Die Aargauer Gastronomin setzt wie viele auf Take-Away: «Aber damit können wir nur die Mietkosten decken.» Hilfe käme keine. Verschulden wolle sie sich mit einem Hilfskredit auch nicht: «Wenn wir nicht arbeiten, können wir diesen nur mit Mühe zurückzahlen.» Sie hofft auf vernünftige Entscheidungen vom Bund: «Wir könnten damit leben, mit Schutzkonzepten offen zu halten. Trotz Platzeinschränkung.» Aber schon die Idee, ab 19 Uhr zu schliessen, bezeichnet sie als «völligen Blödsinn». Für sie ist klar: «Über Monate können wir das nicht weiterziehen.»
Hirschen Bünzen: «Nur vom Bund gab es keine Hilfe»
Wirtefamilie Kaupp aus Bünzen. © zvg
1,2 Prozent fehlen Hervé Kaupp, dass er Hilfe bekommen würde. Mindestens 25 Prozent Umsatzverlust muss ein Betrieb haben, um Hilfe zu bekommen. Und zwar im Vergleich zum durchschnittlichen Umsatz der letzten 5 Jahre. Kaupp hat 2015 im Hirschen in Bünzen neu angefangen, zu Beginn machte er bescheidenen Umsatz. Deshalb hat er heute «nur» 23,8 Prozent Umsatzverlust. Und damit keinen Anspruch auf Hilfe. «Geht es so weiter, muss ich Ende Monat erste Mitarbeiter entlassen.» Unterstützung hat Kaupp erfahren: Von den Mitarbeitern, die Verständnis zeigten. Vom Vermieter, der mit der Miete entgegenkam. Vom Dorf das sich solidarisierte. «Nur vom Bund gab es keine Hilfe.» Ob er Hoffnung habe, dass sich am Mittwoch beim Bundesratsentscheid etwas bessere? «Nein.»
Chrüüz Niederwil: «Irgendwann wird es schon wieder laufen»
Manuela Meier. © zvg
Im vergangenen Jahr hat Manuela Meier noch in der Chübeli Ranch in Fischbach-Göslikon gewirtet. Dann bekam sie den Zuschlag, das Chrüüz in Niederwil übernehmen zu dürfen, Anfang Januar wollte sie starten. Dann kam der zweite Lockdown. Statt Gäste zu begrüssen, ist Meier nun kleinere Renovierungsarbeiten am Erledigen. Wann sie öffnen darf, weiss sie nicht. «Dauert das Verbot noch einen Monat länger? Bleibt es dann bei diesem Monat? Ich habe schlicht keine Ahnung.» Unterstützung bekommt Meier keine. Sie hofft, möglichst schnell wieder arbeiten zu dürfen. Und dass es einen Zustupf für alle gibt, die betroffen sind. Sie ist aber überzeugt: «Irgendwann wird es schon wieder laufen. Sobald wir wieder arbeiten dürfen.»
Weingarten Thalheim: «Im Frühling hat es tiptop geklappt»
«Weingarten»-Wirt René Wassmer. © Mario Fuchs
Gross Hoffnungen, dass er sein Restaurant schon bald wieder öffnen kann, hat René Wassmer vom Weingarten in Thalheim nicht: «Ich habe mich auf Ende Februar eingestellt.» So hat er auch die Metzgete, die eigentlich jetzt stattfinden sollte, auf Anfang März verschoben. Sein Restaurant ist nicht am Anschlag, zu Buche schlagen aber die Fixkosten. «Im Frühling hat es tiptop geklappt mit den Entschädigungen. Wieso es jetzt so kompliziert sein muss mit den Hilfsgeldern, verstehe ich nicht.» Angemeldet hat er sich für Unterstützung. Ob er etwas bekommen wird, weiss Wassmer nicht.
Bären Bözen: «Man soll uns entschädigen»
Die Wirtefamilien Kistler. © zvg
Seit 30 Jahren wirten Getty und Hans Kistler im Bären in Bözen. Das Gebäude gehört ihnen, die Miete entfällt. Andere Fixkosten, wie AHV-Beiträge oder Stromrechnungen, bleiben aber. Noch stehen sie aber nicht vor dem Aus. Aber: «Wenn die Schliessung bis Ende Februar verlängert wird, müssen wir unsere Reserven anzapfen. Und das kurz vor der Pensionierung», sagt Wirtin Getty Kistler. Das Problem: Während die Angestellten in Kurzarbeit sind, sieht das Wirtepaar kein Geld. Sie fordert deshalb: «Man soll uns entschädigen, so wie es im Frühling auch geklappt hat. Dann kommen wir durch» Kistler fordert, dass der Erwerbsausfall von 196 Franken am Tag für Selbstständige wieder eingeführt wird.
Weisser Wind Freienwil: «Man weiss nie, wie es weitergeht»
Gastronom Alessio Gretz. © zvg.
Gastronom Alessio Gretz hatte sein Restaurant erst eröffnet, als die Pandemie alles änderte. Im Hinblick auf die anstehenden Entscheidungen vom Mittwoch hat der Wirt gemischte Gefühle: «Man weiss nie, wie es weitergeht. Ich wünsche mir einfach geradlinige Entscheidungen.» Die letzten Monate seien eine Riesenherausforderung gewesen. «Jede Woche kam etwas Neues dazu. Die Gastronomie musste so viele Auflagen erfüllen und am Schluss kam der Hammer trotzdem.» Er ist überzeugt: Die Gefahr besteht nicht im Restaurant: «Unsere Schutzkonzepte waren sicher. Nun treffen sich die Leute aber zu Hause zu viert oder zu sechst ohne jeglichen Abstand.» Die ständigeUngewissheit sei schwierig, sowohl für ihn als Gastronom, als auch für die Gäste: «Ich wäre froh, wenn ich aufmachen könnte.»
Rathausgarten Aarau: «Es gibt keinen Plan B»
Andreas und Nicole Steineder. © zvg
«Geht es so weiter, haben wir noch etwa zwei Monate. Höchstens.» Dann müssten sie ihr Restaurant schliessen, sagt Andreas Steineder vom Aarauer Rathausgarten. Kurzarbeit helfe zwar bei den Löhnen. Fixkosten wie AHV-Beiträge oder Miete bleiben aber. Härtefall-Hilfe hat Steineder beantragt. Ob und wie viel Geld es geben wird, das weiss er allerdings nicht. Und auch der Takeaway-Betrieb, auf den das Restaurant umgestellt hat, helfe in dieser Situation nicht. Das mache man vor Allem aus Werbezwecken und um Kunden zu binden. «Wir müssen wieder auftun. Es gibt keinen Plan B.»
Sternen Wuerenlingen: «Mehr sparen kann ich gar nicht»
Adrian Meier. © Severin Bigler
Als der Bundesrat entschied, dass nur noch vier Personen an einem Tisch sitzen dürfen, hat Adrian Meier vom Sternen in Würenlingen eine neue Beiz gebaut. Mit Platz für zusätzlich 40 Menschen. Wenig später verschärfte der Bundesrat die Massnahmen, bis auch Meier schliesslich ganz zumachen musste. Seine Arbeit war vergebens. «Das frustriert mich sehr fest. Was aktuell geschieht, ist für das ganze Gastgewerbe eine Katastrophe», sagt der Wirt. Kühler, Heizung, sonstige Geräte: Adrian Meier hat abgestellt, was nur ging. «Mehr sparen kann ich gar nicht mehr.» Fixkosten fallen trotzdem an. Meier muss nicht endgültig schliessen, aber sein Erspartes anzapfen, das er in den vergangenen 27 Jahren angeschafft hat. «Das tut wahnsinnig weh. Vor allem wenn ich daran denke, wie lange ich brauche, um das wieder reinzuholen.»