
«Alkohol bleibt die Droge Nummer eins»
Tanya Mezzera von der Suchtberatungsstelle Zofingen spricht über Sucht-Trends und das Leiden Angehöriger.
Die Suchtberatung in der alten Kustorei Zofingen bleibt erhalten. Sicher war das nicht: Nachdem der Grosse Rat vor zwei Jahren beschlossen hatte, das jährliche Budget der Aargauer Suchtberatung ab 2018 um eine Million Franken zu kürzen, war unklar, ob alle neun Standorte im Kanton weiter existieren können. Tanya Mezzera (44), Leiterin des Standorts Zofingen, ist froh über die Weiterführung der regionalen Beratungsstelle.
Warum ist der Standort Zofingen wichtig?
Tanya Mezzera: Betroffene aus der Region hätten im Fall einer Schliessung für eine Beratung nach Aarau gehen müssen. Mit dem längeren Weg steigt die Hemmschwelle, sich für ein Erstgespräch anzumelden. Wir sind in Zofingen zudem gut vernetzt mit den lokalen Sozialdiensten und anderen Beratungsstellen. Bei Bedarf können wir die Klienten und Klientinnen auch in Kliniken oder daheim besuchen. Von Aarau aus wäre auch das nicht mehr zu leisten gewesen.
Welche Folgen hat die Budgetkürzung für Zofingen?
Die Suchthilfe ags und damit auch die Suchtberatung ags, zu der wir gehören, werden schlanker. Das heisst, dass wir in der Kernleistung Suchtberatung, in der Administration und im Management weniger Ressourcen vor Ort in Zofingen haben werden.
Was sind die Aufgaben der Beratungsstelle?
Wir helfen Betroffenen und Angehörigen jeden Alters bei allen Suchtformen. Dazu zählen legale und illegale Suchtmittel, aber auch substanzunabhängiges Verhalten wie Kauf- oder Sexsucht. Die Beratungsstelle untersteht der Schweigepflicht und unsere Dienstleistungen sind für die Einwohner, Organisationen, Arbeitgebende und Schulen des Kantons kostenlos.
Welches ist die grösste Klientengruppe?
Alkohol bleibt die Droge Nummer eins in der Schweiz. 51 Prozent unserer Klienten kommen deshalb zu uns. Weiter beraten wir viele Jugendliche, die von der Polizei wegen Besitz oder Konsum von Cannabis verzeigt worden sind. Sie machen 29 Prozent unserer Klienten aus. Mit Konsumierenden von harten Drogen wie Kokain haben wir vergleichsweise wenig zu tun. Oft beraten wir auch Angehörige: Mütter, die sich sorgen, dass ihr Sohn zu viel kifft. Kinder, die bemerken, dass ihre älter werdenden Eltern immer mehr Tabletten konsumieren.
Wie helfen Sie den Angehörigen?
Wir versuchen, den Fall einzuordnen: Ist der Betroffene schon süchtig? Besteht Handlungsbedarf? Weiter zeigen wir den Angehörigen, wie sie sich selbst Acht geben können. Angehörige haben oft den höheren Leidensdruck als die Suchtkranken selbst. Wir geben auch Inputs, wie Aussenstehende die Betroffenen während der Therapiephase motivieren können.
Beraten Sie auch Konsumierende von «Trend-Drogen» wie Crystal Meth?
Bislang nicht. Aber es kommt nur ein kleiner Teil jener Menschen zu uns, die Suchtmittel in einem problematischen Ausmass konsumieren. Viele holen sich Hilfe in Selbsthilfegruppen, bei Angehörigen, auf Online-Portalen – oder benötigen gar keine Hilfe, weil es sich bei der Abhängigkeit nur um eine kurze Phase in ihrem Leben handelt. Was tatsächlich konsumiert wird, bekommen wir oft erst verspätet oder bei kleineren Trends oft gar nicht mit. Wir versuchen aber, neue Entwicklungen vorauszusehen, um entsprechende Angebote bereit zu halten.
Ist Sucht weiterhin ein Tabu-Thema?
Um sich auf einer Suchtberatungsstelle zu melden, müssen viele Betroffene noch immer eine hohe Hemmschwelle überwinden. Man will nicht zu jenen gehören, die ein solches Angebot benötigen. Uns ist es darum wichtig, Angehörige zu erreichen, die sich meist früher melden als die Betroffenen. Wir bieten auch Unterstützung für suchtgefährdete Personen wie Jugendliche an, indem wir Prävention betreiben. Zusätzlich führt die Suchtprävention Aargau Workshops, Referate und andere Projekte durch, die helfen können, das Thema Sucht zu enttabuisieren.
Waren Sie damit schon an lokalen Anlässen wie dem Heitere Open Air dabei?
Ja. Der Veranstalter Christoph Bill hatte uns 2013 und 2014 dafür angefragt. Wir prüften, wie alkoholisierte Festivalbesucher auf ihren Konsum angesprochen werden könnten und optimierten mit den Veranstaltern die Umsetzung der Jugendschutzbestimmungen. Heute sind wir ausserdem am Zapfenstreich präsent.