
Begrenzungsinitiative: Aargauer SVP-Unternehmer verhalten sich bedeckt – mit einer Ausnahme
An der Begrenzungsinitiative (BGI) scheiden sich die rechtsbürgerlichen Geister. Da gibt es zum einen Leute wie Peter Spuhler. Der ehemalige SVP-Nationalrat findet als Patron der Stadler Rail: «Die Initiative ist extrem und gefährlich für den Wirtschaftsstandort Schweiz.» Auf der anderen Seite stehen Leute wie Verleger und Unternehmer Roger Köppel. Der Zürcher SVP-Nationalrat sagt: «Wer derart offene Grenzen hat wie wir, kann nicht ein derart ausgebautes Sozialsystem haben. Das ist wie ein offener Kühlschrank!»
Aber wie sieht es eigentlich im Aargau aus? SVP-Nationalrat und Kantonalpräsident Andreas Glarner forderte seine Parteikollegen im mehr als 100-köpfigen Kantonalvorstand auf, Plakate aufzuhängen und für ein Ja zu kämpfen. Auch in den sozialen Medien macht sich Glarner für die Begrenzungsinitiative stark. Doch wie positionieren sich die anderen Aargauer SVP-Unternehmer?
Warum sich Knecht nicht engagiert
Beginnen wir bei Ständerat Hansjörg Knecht. Der Geschäftsleiter der Knecht Mühle in Leibstadt hat sich im Wahlkampf klar positioniert. Er befürwortet die Kündigung der Personenfreizügigkeit. Wie sich das auf seinen Betrieb auswirken würde, ist unklar. Die Frage nach der Zahl der Grenzgänger, die bei ihm arbeiten, lässt er unbeantwortet. Dafür aber verrät er, warum er sich in letzter Zeit in höflicher Zurückhaltung geübt hat: «Meine Haltung ist nicht deckungsgleich mit derjenigen der Aargauer Regierung. Deshalb engagiere ich mich in meiner Funktion als Ständerat des Kantons Aargau nicht an vorderster Front.» Aargau first, so zu sagen, SVP second.
Viele rechte Unternehmer geben sich noch weit bedeckter als Knecht. Markus Blocher, CEO des Pharmazulieferers Dottikon ES und Sohn von SVP-Übervater Christoph Blocher, zum Beispiel ist zwar politisch nicht aktiv, macht jedoch kein Geheimnis daraus, dass er SVP wählt und nimmt zu politischen Vorlagen von Fall zu Fall auch Stellung. So kritisierte er etwa Bundesrätin Doris Leuthard für ihre Energiepolitik. Zur Begrenzungsinitiative aber heisst es von Dottikon ES bloss: «Grundsätzlich äussert sich die Dottikon ES nicht zu politischen Themen und Herr Blocher möchte zur Abstimmung bezüglich der BGI kein Statement abgeben.»
FDP-Exponenten üben weniger Zurückhaltung als SVP-Kollegen
Adrian Schmitter, CEO des Kantonsspitals Baden und bis vor kurzem SVP-Gemeinderat in Rothrist, will sich nicht mehr zu politischen Fragen äussern. Er habe sich aus der Politik zurückgezogen und möchte seine privaten Ansichten nicht teilen. Ähnlich tönt es bei Ex-SVP-Grossrätin und Recycling-Unternehmerin Karin Bertschi aus Leimbach: «Ich habe mich politisch etwas zurückgezogen. Deshalb nehme ich keine Stellung zu den diesjährigen Vorlagen.»
Selbst bei Transportunternehmer Hans-Jörg Bertschi heisst es, er möchte auf die Beantwortung der Fragen zur BGI verzichten. Noch Anfang Jahr hat er sich im «Tagesanzeiger» dezidiert gegen die Rahmenabkommen mit der EU geäussert. «Die erweiterte Guillotine-Klausel muss weg», sagte er damals. Sie käme, so die Einschätzung der meisten Experten, zum Zug, wenn die Schweiz einseitig das Personenfreizügigkeitsabkommen künden würde, was bei einer Annahme der Begrenzungsinitiative faktisch geschähe.
An günstigen und guten Ausländern interessiert
Der einzige kontaktierte Aargauer SVP-Unternehmer, der öffentlich Stellung bezieht, ist Nationalrat Benjamin Giezendanner. Er sagt: «Am Anfang habe ich die Begrenzungsinitiative wie jede Initiative sehr kritisch angeschaut.» Als Unternehmer sei er interessiert, günstige und gute Leute aus dem Ausland holen zu können, um die Existenz der Firma im harten Wettbewerb zu sichern. «Aber als Bürger sage ich: ‹Es kann doch nicht sein, dass immer mehr kommen, wir immer weniger Platz haben und unsere Arbeitnehmenden in die Sozialwerke verdrängt werden.›»
Er sei sich bewusst, dass er sich mit einem Ja zur BGI aus unternehmerischer Sicht ins eigene Fleisch schneiden könnte. Trotz Personenfreizügigkeit klagt er derzeit über einen Chauffeuren-Mangel. Bei einer Annahme der Initiative würde sich dieser wohl verschärfen. Giezendanner: «Dafür würden dann vielleicht die Löhne für die Chauffeure wieder etwas steigen und das Berufsbild für junge Lernende attraktiver. Es ist auch in meinem Interesse als KMU-Unternehmer, dass es meinen Chauffeuren gut geht. Man kann also selbst als Gewerbler ohne schlechtes Gewissen Ja stimmen.»
Weniger Zurückhaltung als die meisten SVP-Unternehmer zeigt Otto H. Suhner, Verwaltungsratspräsident der Brugg Group und FDP-Mitglied. Er ist entschieden für die Annahme der Initiative und steht auch dazu. Dass sich deshalb der Fachkräftemangel verschärfen könnte, befürchtet er nicht. Etwas defensiver tönt es bei Ex-FDP-Grossrat Daniel Knecht, wie Suhner dem rechten Flügel im Freisinn anzuordnen. Der Geschäftsführer der Knecht Brugg Holding AG sagt: «Der völlig freie Personenverkehr wird in Zukunft nicht funktionieren. Ob die Initiative das richtige Mittel ist, da bin ich mir nicht sicher. Aber wir haben ja gerade während der Pandemie gesehen, wie heikel die freie Bewegung über Grenzen hinweg sein kann.»
Peter Gehler: «Es ist absolut absurd, zu denken, wir kämen besser weg»
Natürlich gibt es in den Reihen der Unternehmer neben den Befürwortern der SVP-Initiative auch zahlreiche Gegner. Stellvertretend kommt hier Peter Gehler zu Wort, Vizepräsident der Aargauischen Industrie- und Handelskammer (AIHK) sowie Geschäftsleiter Pharmapark der Siegfried AG: «Die Personenfreizügigkeit ist für die Industrie in der Schweiz, aber auch für andere Sektoren – zum Beispiel die Pflege – enorm wichtig.»
Die Annahme der SVP-Initiative würde nicht nur diese tangieren, sondern hätte laut Gehler auch den Wegfall der Bilateralen I zur Folge. Er sagt: «Das würde die Schweizer Exportwirtschaft im Kern treffen. Unsere Unternehmen würden den Zugang zum grössten Markt der Welt verlieren, was viele zwingen würde, Fertigungsstätten in den EU-Raum zu verlegen.» Er aber wolle diese Arbeitsplätze hierbehalten.
Die SVP zweifelt daran, dass die Kündigung der Personenfreizügigkeit automatisch die Guillotine-Klausel auslösen, also die Bilateralen I wegfallen würden. Gehler entgegnet: «Wenn man sieht, was mit dem Brexit läuft, dann packt einen das nackte Grauen.» Dabei seien die Engländer als Nato-Mitglied und Atommacht in einer wesentlich besseren Verhandlungsposition als die Schweiz. «Es ist absolut absurd, zu denken, wir würden da irgendwie besser wegkommen», so Gehler. (sel)