Bei den Fussball-Junioren ist die Welt wenigstens für 90 Minuten in Ordnung

Über sechs Monate sind vergangen, seit ich letztmals einem Fussballspiel live vor Ort beiwohnte. Seither verfolge ich das kickende Treiben wegen des coronabedingten Meisterschaftsunterbruchs im Amateurfussball am Fernseher. Höchste Zeit also, wieder den Rasen zu riechen, die Atmosphäre auf dem Platz zu fühlen, den wahren Fussball zu erleben.

Weil die Aktiven wegen der Corona-Massnahmen nach wie vor nicht spielen dürfen, entscheide ich mich für das Derby in der zweiten Stärkeklasse der B-Junioren zwischen dem FC Kölliken und dem FC Oftringen. Ich werde nicht enttäuscht. Der Gastgeber geht bereits nach 49 Sekunden nach einem Torhüterfehler 1:0 in Führung. Obwohl Köllikens Nachwuchs das Geschehen im Griff hat, muss er in der 35. Minute nach einem Eckball aus dem Nichts das 1:1 in Kauf nehmen. Die Oftringer bringen sich aber praktisch mit dem Pausenpfiff um den Lohn: Nach einem Fehlpass im Aufbau erzielt Kölliken das 2:1.

Bewegung, frische Luft und Kontakte mit Gleichaltrigen
In der zweiten Halbzeit vermögen die beiden Mannschaften nicht mehr ganz an das Hin und Her anzuknüpfen, trotzdem bieten sie beste Unterhaltung vor leeren Rängen. Erst gegen Ende des Spiels tauchen die Emotionen von der Seitenlinie auf, als sich die Trainer von der Hektik anstecken lassen und immer wieder Anweisungen in die Richtung ihrer Spieler rufen. «Wir haben versucht, unseren Plan umzusetzen. Bei den Junioren kommt es darauf an, dass man das auf dem Platz auch sieht», zeigt sich Köllikens Trainer Claudio Scicchitano zufrieden mit dem Heimsieg.

Wie ich, der seine Lust auf Live-Fussball befriedigen konnte, ist auch Scicchitano froh, dass in dieser Krise wenigstens die Jugendlichen mit dem runden Leder spielen dürfen. «Die Jungs hätten am liebsten schon im Januar trainieren wollen. Sie haben Corona satt und verlieren durch die Einschränkungen viel, umso mehr schätzen sie diesen Ausgleich», sagt Scicchitano.

Dem pflichtet sein Gegenüber beim FC Oftringen, Gjevat Nekaj, bei. «Mädchen und Jungs brauchen Bewegung an der frischen Luft und den Kontakt mit Gleichaltrigen», sagt er. Die negativen Auswirkungen bereiten ihm Sorgen: «Ich habe Angst, dass die Kinder dadurch irgendwann einen falschen Weg einschlagen», sagt Nekaj. Gerade weil Corona allgegenwärtig sei, versuche er, die Thematik im Training oder an Matchtagen auszublenden. «Ich sage ihnen vor dem Spiel, dass sie die Situation vergessen und so antreten sollen, als wäre das Leben während der 90 Minuten normal», sagt Nekaj.

Beliebtheit des Fussballs ist trotz Corona gross
Wenn der Nachwuchs seinem Hobby frönen könne, profitiere ein Dorfverein wie der FC Kölliken davon, sagt Claudio Scicchitano. «So bleibt er in seiner Ausbildung am Ball.» Ein weiterer Lichtblick: Corona scheint der Popularität der Sportart nichts anzuhaben. Beim FC Kölliken hätten nur vereinzelt Eltern die Ausrüstung ihrer Kinder vorübergehend zurückgebracht. «Auf den jüngsten Stufen verzeichnen wir sogar einen Zuwachs», freut sich Junioren-Obmann Martin Studer.

Trotzdem: Die Beteiligten sehnen jene Normalität herbei, bei der auch die erwachsenen Fussballer wieder gegeneinander antreten dürfen. Claudio Scicchitano will diese Debatte aber nicht überbewerten. «Es gibt Wichtigeres als die Frage, warum die Junioren spielen dürfen und die Aktiven nicht», sagt er. Es gelte, gemeinsam durchzuhalten. «Ich wünsche mir einen schönen Sommer und dass wir ab Herbst wieder eine richtige Saison bestreiten dürfen.»