
Beim Aargauer Kantonalen passte mehr als nur das Ambiente – mit GALERIE
Mit viel Vorfreude reiste ich hierher und es war wirklich fantastisch, die Ambiance in der Stadt, ein wunderbares Fest», sagte Joel Wicki nach dem Schlussgang, «wenn du dann noch gewinnst in diesem starken Teilnehmerfeld, passt alles.» Der Sörenberger bezwang zum Auftakt die grösste Aargauer Hoffnung, Nik Alpiger. Der Staufner kassierte zudem nach einer Verwarnung einen Viertelpunkt Abzug. Er hatte zuerst die Hosen zuwenig straff gebunden und danach Joel Wicki nicht richtig greifen lassen. In der letzten Minute bodigte der Luzerner den Aargauer. Nur der 2,05-Meter-Mann Michael Bächli – der Würenlinger ist nach langwierigen Knieverletzungen zurück – konnte Wicki einen «Gestellten» abringen. Daneben bezwang der 22-Jährige die Aargauer Tiago Vieira, David Schmid und Patrick Räbmatter.
Im Schlussgang wartete Joel Strebel, der bis dahin alle fünf Gänge gewonnen hatte. Der Aristauer und Wicki standen sich zuletzt vor sieben Jahren gegenüber, am Eidgenössischen Nachwuchsschwingertag. Damals siegte Wicki zweimal gegen den Freiämter – und behielt auch gestern das bessere Ende für sich. Mit einem Wyberhaken sorgte er nach sechs Minuten für die Entscheidung und bewies im Nachdrücken die grösseren Kraftreserven. Wicki befand: «Strebel hat bis und mit dem Schlussgang brandgefährlich und gut geschwungen und ist auf dem besten Weg zum Eidgenössischen Kranz.»
Den Schlungg pariert
Einen solchen hat Lokalmatador Patrick Räbmatter bereits im Palmares. Der Uerkner machte im letzten Gang mit Daniel Lisser kurzen Prozess und sicherte sich den 33. Kranz. «Ich bin froh, hat es dazu gereicht», sagte der 27-Jährige, der sein Heimfest auf dem geteilten vierten Rang beendete. Mit etwas Glück wäre für Patrick Räbmatter mehr möglich gewesen: Nach Siegen gegen Marcel Kropf und Dominik Zangger, einem «Gestellten» gegen Lukas Döbeli und einem Erfolg gegen Christian Brand befand sich «Räbi» auf Schlussgangkurs – bis zur Niederlage im fünften Gang gegen Joel Wicki. «Er ist kein einfacher Gegner. Gegen ihn muss alles passen», meinte Räbmatter. Und Wicki sagte: «Ich rechnete schon ein wenig damit, dass er es mit einem Schlungg probiert, aber trotzdem sind diese Angriffe immer gefährlich.» Er fing den Schlungg ab und drückte Räbmatter auf die gültige Seite.
Brisant: Weil Joel Strebel unmittelbar zuvor Michael Bächli bezwungen hatte, hätte Räbmatter ein Unentschieden gegen den Sörenberger wohl zur Schlussgang-Qualifikation gereicht. «Ich bin keiner, der abwartet, sondern gehe rein, ziehe und gewinne oder verliere», erklärte «Räbi», weshalb er nicht auf Zeit spielte. Er musste eingestehen, «dass ich zu viel riskiert habe». Trotz knappem Scheitern genoss das Mitglied des gastgebenden Schwingklubs Zofingen und Umgebung die Auftritte in der Altstadt: «Es war schon speziell, ich kenne hier so viele Leute.» Das dürfte am Donnerstag beim Baselstädtischen Schwingfest anders sein. Die verbleibenden Tage bis zum Hosenlupf am Rheinknie will Räbmatter zur Analyse nutzen: «Ich hoffe, dass ich aus meinen Fehlern lernen und an meine Leistungen anknüpfen kann.»
Anstelle von Patrick Räbmatter zog Joel Strebel in den Schlussgang ein. Der 22-jährige Aristauer war nach fünf gewonnen Gängen auch für die Endausmarchung zuversichtlich: «Ich hatte beim Greifen ein gutes Gefühl, aber gegen Wickis Wyberhaken war ich dann machtlos.» Trotzdem überwogen die positiven Eindrücke beim Freiämter, der die letzte Saison wegen einer Schulterverletzung verpasst hatte. «Mein heutiges Ziel war der Kranz, mit dem Schlussgang habe ich vor dem Fest nicht gerechnet.»
Der Schlussgang war zu Ende und Simon Schär bereits damit beschäftigt, die Schwingerhosen wegzuräumen. Dabei dachte der technische Leiter des Schwingkubs Zofingen und Umgebung darüber nach, wie er das Resultat «seiner» Schwinger werten soll. Zwei Kränze gab es für den Gastgeberverein. «Das ist in Ordnung», bilanzierte Simon Schär, «aber man kann es auch anders sehen, drei weitere Schwinger waren nahe dran, verfehlten aber die Auszeichnung.» Einer davon war Markus Eggen. «Ihm hätte ich den Kranz sehr gegönnt», so Simon Schär. Eggen gewann drei Gänge und drehte auch seinen letzten Gegner Jörn Ris auf den Rücken, allerdings ausserhalb des Sägemehlkreises. Kurz danach verlor der Mühlethaler den Gang und schied als 10. aus dem Kreis der Kranzanwärter aus.
Ähnlich ging es Yanik Bucher. Der Rothrister startete wie Eggen mit zwei Siegen in den Tag und entschied nach zwei Niederlagen auch den fünften Gang für sich. Im sechsten blieb der 16-Jährige, der einmal mehr am Boden starke Arbeit zeigte, gegen Adrian Kohler chancenlos. Im selben Rang (12.) klassierte sich Jonas Schär. Der Aarburger, der nach der Rückkehr aus der Durchdiener-RS immer besser in Form kommt, hatte im letzten Gang ebenfalls die Chance, Neukranzer zu werden. Doch er musste sich, kurz bevor der Kampfrichter auf «gestellt» entscheiden konnte, doch von Patrick Burren ins Sägemehl betten lassen. Eggen, Schär und Bucher verpassten alle gegen Nichtkranzer die Auszeichnung. «Es ist hart, dass es nicht zu mehr Kränzen gereicht hat an diesem besonderen Fest», meinte Simon Schär, «das Tagesergebnis zeigt aber, dass alle auf dem richtigen Weg sind und dass etwas drin liegt, wenn sie gut weitertrainieren.»
Speziell endete der Tag für Hannes und Manuel Wilhelm. Die Söhne der Vereinspräsidentin stiegen am «Kantonalen» letztmals in die Hosen. «Unserer Mutter zuliebe», wie sie betonten, um ihre Karriere «sauber abzuschliessen». Der Kranz blieb ihnen am Heimfest vergönnt.
Texte: Melanie Gamma, Pascal Kamber und Rainer Sommerhalder
Bilder: Michael Wyss und Melanie Gamma