
Beim FC Aarau ist ab sofort Schluss mit Luxus – die Analyse
Varol Tasar, in der vergangenen Saison mit 13 Treffern der Topskorer des FC Aarau, schiesst künftig seine Tore für Super-League-Aufsteiger Servette. Sein Ersatz: Kevin Spadanuda, geholt vom Amateurklub FC Baden und vor zwei Jahren noch Spieler in der 4. (!) Liga. Linus Obexer, der mit seinem Kämpferherz zum Publikumsliebling im Brügglifeld avancierte, versucht sein Glück in Lugano. Ersatz hinten links: Damir Mehidic, der seit seinem Wechsel zum FCA im Januar 2017 die Challenge-League-Tauglichkeit schuldig geblieben ist. Ebenfalls nicht mehr dabei ist das hochklassige Goalie-Duo Djordje Nikolic/Steven Deana. An ihre Stelle rücken die Teenager Nicholas Ammeter (18), Anthony von Arx (17) und Marvin Hübel (16).
Drei Positionen, sinnbildlich für den neuen Kurs : Schluss mit Luxus. Das aufgeblähte Kader in der vergangenen Saison war dem missratenen Start geschuldet. Wer erwartete, nach dem Scheitern in der Barrage gegen Xamax blase der FC Aarau zum Aufstieg, muss nun konstatieren: Die Favoritenrolle in der Challenge League geht nach Lausanne und Niederhasli (GC), der FC Aarau beginnt die neue Saison als einer von mehreren Anwärtern auf Rang 3.
Im Brügglifeld ist nach einem Wahnsinnsjahr Ernüchterung eingekehrt. Weder Sportchef Sandro Burki, Trainer Patrick Rahmen noch die Spieler wollen eine genaue Prognose abgeben, wohin die Reise gehen wird. Auf die Frage, ob der FCA eher auf Rang 3 oder auf Rang 5 lande, antworten nicht wenige mit Letzterem.
Die Tiefstapelei sei den Akteuren gegönnt, schliesslich sind sie gebrannte Kinder: Vor einem Jahr verlor Aarau die ersten sechs Spiele, nachdem sich Mannschaft und Umfeld blenden liessen von der Transferoffensive und den Testspielsiegen gegen Basel, Thun und GC. In diesem Jahr liefert die Saisonvorbereitung zwar tatsächlich keine Gründe für Überheblichkeit. Doch «Versteckis» spielen muss der FC Aarau auch nicht. Es gibt einige Gründe für verhaltenen Optimismus: Abgesehen von der vergangenen Saison wäre der FCA in den Vorjahren um ein Kader wie das aktuelle froh gewesen. Weil kaum neue Spieler integriert werden müssen, ist die Mannschaft eingespielt. Die Gefahr, dass unzufriedene Spieler aufmucken, wurde durch die Ausdünnung des Kaders reduziert. Und die gesunkene Erwartungshaltung führt dazu, dass der FC Aarau ähnlich befreit aufspielen kann wie im Frühling.
Kommt dazu: Die Tatsache, dass das Duo Patrick Rahmen und Sandro Burki dem FC Aarau trotz Angeboten und Abwanderungsgelüsten erhalten blieb, ist viel höher zu gewichten als jeder Transfer, den man noch hätte machen können. Ihr Abgang hätte vieles infrage gestellt – mehr noch: Die Klubführung um Präsident Alfred Schmid und Vize Roger Geissberger wäre ein Jahr vor ihrem Abgang vor einem Scherbenhaufen gestanden.
Für die ambitionierten Rahmen und Burki muss der Sparkurs frustrierend sein. Doch sie stellen sich der Realität und machen aus der finanziellen Not eine Tugend. Statt wie geplant erst 2020, kommt mit Nicholas Ammeter nun bereits ein Jahr früher eines der hochgelobten Goalietalente aus dem eigenen Nachwuchs in die Kränze. Ammeter ist einen Steinwurf entfernt vom Stadion Brügglifeld aufgewachsen. Auch auf anderen Positionen wurde das Kader mit Nachwuchsspielern aufgefüllt. 12 von 23 Spielern haben Vergangenheit bei den FCA-Junioren.
Das Vertrauen in die eigene Jugend ist einerseits erfreulich, weil beim FC Aarau die Pipeline in die erste Mannschaft für einheimische Spieler wieder offen ist. Im Kampf um «Ja»-Stimmen für die doppelte Stadionabstimmung Ende November (BNO-Revision und Stadt-Kredit) ein wichtiges Argument für die Befürworter. Andererseits sollte der Jugendwahn nicht die sportliche Performance gefährden: Das billige Argument, ein erfolgloser Fussballklub brauche kein neues Stadion, bekäme leider Gewicht im Abstimmungskampf.
Apropos Stadionabstimmung sei nochmals festgehalten: Alles andere als ein zweifaches «Ja» bedroht die Existenz des Profifussballs im Kanton Aargau.