Bester Jungkoch: Warum das Aargauer Nachwuchstalent André Kneubühler (25) durchstartet

Der Himmel über der Stadt Basel ist zwar grau an diesem Nachmittag. Wer aber an der Bruderholzallee das Restaurant Stucki von Spitzenköchin Tanja Grandits betritt, freut sich über den warmen Empfang. Mit ihrer kreativen Aromaküche erobert Grandits hier seit über zehn Jahren die Herzen der Gäste und Kritiker. Das Restaurant ist inzwischen mit 18 «Gault Millau»-Punkten und 2 «Michelin»-Sternen ausgezeichnet worden.

In der Küche hantiert André Kneubühler. Erst vor gut einem Monat wurde der 25-jährige Chef Tournant vom Bözberger Ortsteil Gallenkirch an einem Galaabend in Zürich zum besten Jungkoch 2019 gekürt. Das Magazin «Marmite New Swiss Cuisine» war zum achten Mal auf der Suche nach den grössten Talenten (bis 30 Jahre) am Herd. Kneubühler machte – nach dem letzten Wettbewerb im Jahr 2015 – zum zweiten Mal bei «Marmite Youngster» mit und gab so richtig Vollgas, was sich für ihn lohnte. Mit dem prestigeträchtigen Titel hat er sich nun gleich für den Halbfinal des Goldenen Kochs – die Schweizer Kochkunst-Meisterschaft (ohne Alterslimite) – qualifiziert. Jetzt freut sich der Bözberger riesig darauf, sich im Herbst in der höheren Liga mit anderen Köchen zu messen.

Weiterbildung in New York
Dem Jungkoch, der seine Lehre im Restaurant Post in Bözen absolviert hatte, läuft es schon seit einiger Zeit wie geschmiert. Als ihn diese Zeitung vor knapp viereinhalb Jahren zum ersten Mal porträtierte, hatte er bereits bei Starkoch Anton Mosimann in London in den Kochtopf geschaut und diesen 2014 als einen von 36 «Mosimann»-Köchen an die Olympischen Spiele in Sotschi begleitet. Anschliessend kam Kneubühler in den Genuss einer speziellen Nachwuchsförderung. Als erster Stipendiat von Andreas Caminadas Stiftung «Fundaziun Uccelin» konnte er sich 20 Wochen weiterbilden bei vier Starköchen sowie drei Produzenten im In- und Ausland.

Neben Stationen im Bündnerland – unter anderem bei Caminada – hat Kneubühler auch bei Tanja Grandits im «Stucki» und bei Daniel Humm in New York gearbeitet. Bei der anderen Station in New York, dem Restaurant Blue Hill, wurden die Köche jeden Morgen rausgeschickt aufs Feld oder den Hof, teilweise auch in den Wald, um Wurzeln auszugraben. Die Zutaten wurden frisch verarbeitet. Diese Vielseitigkeit und die Geschichte hinter den Produkten gefallen Kneubühler. In der Küche blüht er richtig auf. Das hatte auch Tanja Grandits gemerkt, die dem Bözberger per November 2017 eine Stelle im Restaurant Stucki anbot. Als Chef Tournant kann Kneubühler grundsätzlich an jedem Posten eingesetzt werden. «Meistens bin ich beim Fleisch und Fisch. Das mache ich am liebsten», sagt er und lächelt.

Baum gefällt, um Fisch zu räuchern
Bei Kneubühlers erster Wettbewerbsteilnahme für den «Marmite Youngster» reichte ihm die Zeit nicht für eine optimale Vorbereitung. Er arbeitete damals im Restaurant Schifflände in Birrwil am Hallwilersee. Die Sommersaison war intensiv. Das Gericht konnte er erst im Final zum ersten Mal ganz kochen. Dennoch schaffte es der Bözberger auf den 9. Platz.

Für den passionierten Koch war dies Ansporn genug, es drei Jahre später nochmals zu versuchen und den Sieg anzupeilen. Vor rund einem Jahr schaffte er es mit seiner Bewerbung erneut unter die Top 20. Zwei Monate vor dem Final wurde allen Teilnehmern das Rezeptthema «Kraftvoll aus gutem Grund – Am Pass Lunghin scheiden sich die Geister» bekannt gegeben, das sie auf dem Teller umzusetzen hatten.

Kneubühler reiste ins Bündnerland, besuchte unter anderem Käseweltmeister Flo, den er als Stipendiat kennen gelernt hatte, und liess sich seine Produkte erklären. Er fällte einen Baum, mit dessen Holz er Fische räucherte, und sammelte Arvennadeln. Zwischen Mittags- und Abendeinsatz beschlagnahmte Kneubühler mehrmals die «Stucki»-Küche und tüftelte an seinem Rezept. «Von Küchenchef Marco Böhler habe ich viele wertvolle Tipps bekommen.» Drei Probeläufe führte Kneubühler durch. Dann stand sein Vorhaben für den Final fest – mit einem genauen Zeitplan.

Am Wettbewerb hatte er eine Stunde Zeit für die Zubereitung. Vorbereiten konnte er beispielsweise die gekochten Rüebli, die mit Bienenwachs versiegelt und während rund zehn Tagen einem Fermentierungsprozess ausgesetzt wurden. Im Final verarbeitete er sie zu einem Püree. Mit seiner Vorspeise «Wasserkreislauf», bestehend aus Saibling im Arvenmantel, Carabineros sowie Bergkartoffel-Püree und Rüebli-Churros, konnte er die Jury überzeugen. «Die letzten sieben Minuten waren schon eng», so Kneubühler.

Ein Teil der Jury, in dem auch Tanja Grandits sass, verkostete die Gerichte – ohne zu wissen, wer sie zubereitet hatte – und beurteilte unter anderem deren Geschmack, Konsistenz und Präsentation. Der andere Teil der Jury bewertete die Arbeitsweise der Kandidaten in der Küche. Wie so oft kamen bei Kneubühler nach dem Final Selbstzweifel auf. Er musste Monate warten, bis er von seinem Sieg erfuhr.
 
Das Restaurant kann warten
«Man kann immer noch etwas besser machen und hat niemals ausgelernt», sagt Kneubühler. Im August 2014 lautete sein Traum, in fünf Jahren ein eigenes Restaurant zu führen. «Das wäre diesen Sommer», sagt der Bözberger und ergänzt: «Ich bekomme zwar immer wieder Angebote und könnte sofort an einem anderen Ort anfangen oder ein Restaurant übernehmen. Solange ich aber von Tanja noch so viel profitieren kann, bleibe ich im ‹Stucki›.» Für Kneubühler ist Grandits ein grosses Vorbild. «Sie steht jeden Tag noch selber in der Küche und ist sich auch nicht zu schade, ihren Posten selber zu putzen.»

Erst vor kurzem konnte der 25-Jährige seine Topchefin, die sie in der Küche Mami nennen, an einen speziellen Kochanlass nach Tel Aviv begleiten. Solange solche Möglichkeiten sowie die Teilnahme am Goldenen Koch Kneubühler herausfordern, kann das eigene Restaurant ruhig noch ein bis zwei Jahre warten. Auch die skandinavische Küche möchte der begeisterte Fischer auf jeden Fall noch kennen lernen, bevor er dann eines Tages ein passendes Lokal mit einem tollen Team als Chef übernehmen wird.