
Biobauer und SVP-Nationalrat Alois Huber: «Mein politischer Stil unterscheidet sich sehr von dem von Andreas Glarner»
Wir treffen Alois Huber auf dem Gutsbetrieb Schloss Wildegg, den er zusammen mit seiner Frau Silvia Huber führt. Hubers junge Sennenhündin ist entzückt über den Besuch, kann aber unmöglich für ein Foto stillhalten. Also gehen wir für die Bilder in den Stall.
Die Kühe trotten zu ihrem Bauer, als dieser sich nähert. Er begrüsst die zutraulichen Tiere mit Namen und krault ihre massigen Köpfe. «Wir haben liebe, zahme Kühe. Das liegt sicher an unserem Umgang mit ihnen», sagt der Biobauer und SVP-Nationalrat.
Im offenen Laufstall ist es kalt an diesem winterlichen Märzmorgen. Den Kühen ist das recht, wir aber sind froh, uns für das Gespräch in die warme Bauernstube zurückziehen zu können.
Ihre Zeit als Präsident des Bauernverbands Aargau ist wegen der Amtszeitbeschränkung vorbei. Hätten Sie gerne weitergemacht?
Alois Huber: Auf jeden Fall, ja. Das ist ein toller Job.
Warum?
Ich hatte in diesen acht Jahren als Präsident, und in den vier Jahren zuvor im Vorstand, so viele Einblicke und Kontakte, die sich sonst kaum ergeben hätten. Den Berufsstand in der Politik, bei der Verwaltung und in der Zusammenarbeit mit anderen Berufsverbänden zu vertreten, hat mir Spass gemacht und ich erachte es als grosses Privileg. Ich hatte auch das Glück, mit Ralf Bucher den idealen Geschäftsleiter an der Seite zu haben, wir haben uns bestens ergänzt. Es war eine schöne Zeit, mit dem ganzen Vorstand und der Geschäftsstelle in Muri.
In welchem Zustand ist bei Ihrer Übergabe die Aargauer Landwirtschaft?
Der geht es gut. Der Aargau hat ideale Voraussetzungen, geografisch und wirtschaftlich. Die Landwirtschaft ist nahe bei den Konsumenten, die Regionen sind gut erschlossen, die Transportwege zu den Verarbeitern sind kurz. Wir haben viele gesunde Betriebe, die sich in den letzten Jahren entwickeln konnten und einen sehr vielseitigen Ackerbau.
Durch den Klimawandel dürfte sich die Landwirtschaft anpassen müssen. Ist sie bereit dafür?
Der Klimawandel ist da, wir sind bereits mittendrin. Von den 22 Sommer, die ich diesen Hof betreibe, war mindestens die Hälfte zu trocken, teilweise viel zu trocken. Wir setzen inzwischen bei der Fruchtfolge bereits auf Luzerne-Klee, der mit wenig Regen auskommt. Auch bei den Kartoffeln haben viele Bauern schon auf Sorten umgestellt, die mit der Trockenheit besser klarkommen. Weiter war die Bewässerung in der Schweiz lange kein Thema. Jetzt aber muss man sich plötzlich fragen, wie weit wir gehen wollen. Damit setzt sich der Bauernverband sehr intensiv auseinander. So oder so müssen wir lernen, mit dem Klimawandel umzugehen, uns spezialisieren und die Produktion anpassen.
Erst letzten Dienstag aber hat der Nationalrat die Agrarreform 2022+ zurückgewiesen, die Massnahmen für mehr Klimaschutz vorgesehen hätte. Vor allem die SVP war dagegen. Warum denn das?
Der Bauernverband hat schon sehr früh darauf hingewiesen, dass sich die Reform so nicht umsetzen lässt. Ihre fünf Standbeine, Tierwohl, Ökologie, Unternehmertum, Wirtschaftlichkeit und soziale Absicherung, konkurrenzierten einander und waren nicht alle miteinander vereinbar. Wir wollten sie darum überarbeiten, lange bevor sie in die Räte kam. Jetzt stehen wir vor einem Scherbenhaufen. Andererseits kann sie jetzt neu und umsetzbar aufgesetzt werden.
Mindestens zwei Jahre lang passiert jetzt aber nichts. Kann das wirklich warten?
Wenn die neue Reform gut und in Zusammenarbeit mit den Praktikern aufgegleist wird, verlieren wir nicht viel mehr Zeit, als wenn wir sie zwischen den Räten hin- und herschieben.
Warum findet man sich da nicht?
Die Bauern können nicht alles erfüllen, was sich die Bevölkerung wünscht. Einerseits sollen die Kühe wegen des Methanausstosses nicht nach draussen, wegen des Tierwohls müssen sie aber auf die Weide. Wir können auf viele Anliegen reagieren, müssen aber auch strenge Auflagen erfüllen und sehr schnell viel Geld investieren. Das ist den Leuten häufig nicht so bewusst.
Im Juni werden diese Leute über die zwei Pestizidinitiativen bestimmen. Der Bauernverband bekämpft sie. Warum sind auch Sie als Biobauer dagegen?
Die Trinkwasserinitiative würde uns massiv einschränken, auch die Biobauern. Denn es wären nicht nur chemische Pestizide verboten, sondern auch biologische Pflanzenschutzmittel. An die Tiere dürfte nur noch Futter verfüttert werden, das vom eigenen Hof stammt, was überhaupt nicht praxis-nah ist. Die Bauern spezialisieren sich und nutzen Synergien, das würde verunmöglicht. Wir haben mit unserem guten Trinkwasser ein grosses Privileg, dem müssen wir Sorge tragen. Aber diese Initiativen sind nicht zu Ende gedacht. Die Hälfte der Pestizide wird übrigens nicht in der Landwirtschaft, sondern in Privatgärten und entlang der Zuggleise gespritzt.
Dann ist die Landwirtschaft aber immer noch für die andere Hälfte verantwortlich.
Stimmt, aber der Pranger ist heuchlerisch. Es gibt Leute, die kaufen Bioprodukte, zeigen mit dem Finger auf die Bauern und spritzen daheim ihren Parkplatz mit Glyphosat gegen das Unkraut ab. Und die Bahn spritzt Pestizide auch in Schutzzonen. Ich will die Landwirtschaft nicht aus der Verantwortung ziehen, aber man muss das Gesamte betrachten. Mit dem Absenkpfad, welcher diese Session verabschiedet wurde, haben wir für alle einen Schritt in die richtige Richtung getan.
Die Initiativen sprechen nur die Bauern an, es geht um die Streichung von Direktzahlungen. Liegt hier das Problem?
Für einen Gemüsebauer könnte es sich sogar lohnen, auf die Zahlungen zu verzichten und weiter Pestizide zu verwenden, so viel er für nötig hält. Im Obstbau würde die Bewirtschaftung von Hochstammbäumen ohne Pestizide sicher nicht mehr rentieren. Mit Plastiktunneln kann man dort den Pestizideinsatz sehr stark reduzieren, deswegen befürworten wir deren Einsatz. Aber das ist dann ja schnell wieder ein raumplanerisches Problem.
Weshalb sind Sie Bauer geworden?
Ich wollte eigene Kühe haben und einen Betrieb führen. Ich habe mich durchgesetzt, obwohl meine Mutter dagegen war, weil wir keinen Hof hatten.
Warum produzieren Sie biologisch?
Ich habe schon als Betriebsleiter des Gutsbetriebs Kinderheim St. Benedikt in Hermetschwil sehr wenig Herbizide eingesetzt. Ich hatte immer ein ungutes Gefühl, wenn ich Pestizide brauchte. Als ich den Gutsbetrieb Schloss Wildegg 1999 übernahm, hat es mich gereizt, ganz auf Bio umzustellen und ohne Chemie zu arbeiten. In meiner Ausbildung hatte das noch keinen Stellenwert, man produzierte nur auf Leistung. Heute ist das zum Glück anders.
Braucht es mehr Biobauern?
Das müssen die Konsumentinnen und Konsumenten entscheiden. Der Anteil von Bioprodukten am Gesamtumsatz liegt noch nicht bei 20 Prozent, obwohl so viele Leute – und die Politik – behaupten, alle wollten ausschliesslich Bio. Dabei hört es beim Portemonnaie für die meisten auf. Es wäre falsch, wenn der Verband ohne Nachfrage Biobauern heranzüchten würde.
Wie kann denn die Landwirtschaft ökologischer werden? Dass sie das muss, sagen Sie ja im Grunde auch.
Wir müssen die Landwirtschaft auch schützen. Langsam kommt dieser Aspekt für mehr Ökologie ins Bewusstsein.
Wie meinen Sie das?
Ein Schweizer Produkt, beispielsweise nach IP-Suisse-Norm, ist oft ökologischer als ein importiertes Bioprodukt. Die Standards sind bei uns zudem andere als im Ausland.
Bekämpfen Sie deswegen das Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten?
Ja, es kann ja nicht sein, dass wir hier immer strengere Auflagen erfüllen, kommt ein Produkt aber aus dem Ausland, sind uns die Standards plötzlich egal. In den Mercosur-Staaten haben wir ganz andere Zustände als hier. Erstens kommt Gentechnologie zum Einsatz, was ich vehement ablehne. Zweitens sind dort Hormone und Pestizide in der Landwirtschaft ganz normal. Wir sehen hier Bilder von schönen Prärien mit weidenden Rindern aus Südamerika, aber das ist nur ein kleiner Teil der Wahrheit. Argentinien war lange der grösste Fleischproduzent der Welt, jetzt ist er nur noch an 12. Stelle, weil inzwischen viel mehr gentechnologisch verändertes Soja angepflanzt wird. Unter dem Einsatz von Unmengen an Pestiziden.
Was können die Konsumentinnen und Konsumenten machen?
Viele bezahlen schon etwas mehr, weil sie wissen, dass die Bioproduktion aufwendiger ist. Die Konsumenten müssen darüber aufgeklärt werden, welchen Einfluss weitere Einschränkungen haben, auf die Preise und auf die Bäuerinnen und Bauern. Ich glaube nicht, dass ihnen jemand schaden will, häufig weiss man es einfach nicht besser.
Hat Ihr Beruf noch eine Zukunft?
Sicher, ja. Es fragt sich einfach, ob der Beruf irgendwann stärker in Richtung Produktion oder in Richtung Landschaftspflege gehen wird. Die Landwirtschaft ist im Wandel, gleichzeitig werden in den nächsten Jahren sehr viele Bäuerinnen und Bauern pensioniert. Junge, innovative Berufsleute haben jetzt gute Chancen, etwas zu bewirken. Zudem ist der Beruf ein gutes Sprungbrett. Ich würde sicher nicht davon abraten, diese Lehre zu machen.
Nebenbei sind Sie seit einem Jahr im Nationalrat. Sie hatten keinen einfachen Start, ihre erste Session war die abgebrochene Frühlingssession 2020.
Nein, das war nicht einfach. Ausser, dass ich neu dazu kam, als gerade der ganze Betrieb umgestellt wurde, hatte Corona vermutlich auch andere negative Einflüsse. Masken, Plexiglas und Abstand erschweren Kontakte.
Sind Sie inzwischen angekommen?
Ich habe vor allem festgestellt, dass ich nicht der Einzige bin, der noch nicht alles weiss oder alle Abläufe kennt, das ist beruhigend. Es ist ganz anders als im Grossen Rat, bei der Zusammenarbeit ist man vorsichtiger, diese findet zwischen den Parteien viel weniger statt. Aber es ist für mich noch immer ein Erlebnis, das Bundeshaus zu betreten. Ich habe grosse Ehrfurcht – aber zu viel Respekt blockiert, dann kämpft man zu wenig. Da muss man aufpassen.
In Ihrem ersten Jahr hat man von Ihnen nicht viel gehört. Erst jetzt kommen vermehrt «Ihre» Landwirtschaftsthemen in den Rat. Gibt Ihnen das Schub?
Ja. Und ich bin sehr gerne in Bern deswegen. Im Grossen Rat kann man in der Landwirtschaft jeweils nur noch Anpassungen vornehmen. Da hatten wir zwar auch unsere Erfolge, die grossen Brocken werden aber national entschieden. Es freut mich, hier dabei zu sein.
Sie sind Aargauer SVP-Nationalrat, diese haben sonst nicht den Ruf, sich zurückzuhalten. Wie passen Sie zu Ihren Kolleginnen und Kollegen im Bundeshaus?
Ich gehöre ganz klar zu den Gemässigten, dem «Berner Flügel» der SVP. Das war schon immer so und wird auch so bleiben. Und das wissen auch alle.
Weil Sie Bauer sind?
Nicht nur deswegen, ich passe von der Mentalität her dort gut dazu.
Wie unterscheidet sich diese von jener der Wortführer in Ihrer Kantonalpartei?
Beim Verhandeln komme ich weiter, wenn ich auf mein Gegenüber eingehe und auch Gutes betone. Es stört mich, wenn meine Kollegen manchmal reingrätschen. Das sage ich aber auch.
Schadet es der Partei?
Es erschwert manchmal die Zusammenarbeit, weil wir diesen Ruf haben. Andere wollen dann von vornherein nicht mit uns zusammenspannen.
Und wie ist es für Sie als Gemässigter?
Für mich stimmt es so, wie es ist. Ich habe auch ausserhalb der SVP viele Wählerstimmen erhalten, das freut mich, denn ich will als Alois Huber gewählt werden, nicht nur als SVP-Vertreter. Ich bin gerne in der SVP aber kein Parteisoldat und mein politischer Stil unterscheidet sich sehr von dem von Andreas Glarner. Aber wir sitzen im Rat nebeneinander und haben ein gutes Verhältnis.
Sie sitzen auch so weit vorne?
Ja. Alle wollen anscheinend nach hinten. Aber dort, nahe bei der Tür wo Benjamin Giezendanner sitzt, ist ein ständiges Kommen und Gehen. Für mich ist da zu viel los, mir ist es weiter vorne wohl.