
Blumige Aussichten beim Lawinentanz
Heute ist für praktisch jede echte Zofingerin und jeden echten Zofinger der zweitwichtigste Tag des Jahres – in der Rangliste nur knapp hinter dem morgigen Kinderfest. Am Zapfenstreich trifft man sich in der Altstadt und begegnet auch früheren Weggefährten, die sich nur noch einmal im Jahr nach Zofingen verirren. Sie wohnen im Bündnerland, im Tessin oder gar im entfernteren Ausland – Zapfenstreich und Kinderfest sind ein alljährliches Muss, für das man gerne seine Ferien «opfert».
Die Geschichten dieses speziellen Donnerstagabends vor den Sommerferien sind heute noch deutlich präsenter als andere Lebensereignisse. Ich kann mich noch an praktisch jeden Zapfenstreich der letzten 30 Jahre erinnern – in einem Jahr zumindest bis um 22 Uhr. Danach fehlt die eine oder andere Stunde, vor allem, weil ich erkennen musste, dass Long Island Ice Tea nicht zur Hauptsache aus Ice Tea besteht. Während ich heute immer vor Mitternacht den Heimweg antrete, weil ich am nächsten Morgen bereit sein will für meine Kinder, die am Umzug mitlaufen, wurde es in den Jugendjahren nicht selten 5 oder 6 Uhr. Nach einer Stunde Schlaf liess ich es mir aber nicht ein einziges Mal nehmen, rechtzeitig auf dem Alten Postplatz vor der Kirche zu stehen. Egal, wie klein und lichtempfindlich die Augen waren.
Die Erinnerungen ans eigentliche Kinderfest führen noch weiter zurück. Nach Kindergarten- und ersten Schuljahren, in denen ich mich wohl oder übel in ein schönes Gewand zwängen lassen musste, war ich froh, dass in der Oberstufe die Kleiderordnung keine Fragen mehr offenliess. Kadettenuniform – die kratzige, dunkelgrüne mit den kurzen Hosen.
Dafür war die Anspannung in den Tagen vor dem Kinderfest ungleich grösser. Es ging nicht etwa um das am Freitagnachmittag anstehende Gefecht, sondern um die Anzahl Rosen, die mir die Mädchen während des Umzugs hinstrecken würden. In der Kirche hörten wir den Reden nur selten zu, wir zählten unsere Blumen. Für einige sind die Gedanken daran erfreulich, andere werden den Rückblick an diese an Demütigung kaum zu überbietende Erfahrung heute noch so gut wie möglich vermeiden. Ich denke gerne daran zurück, denn ich ging – so rede ich es mir zumindest heute ein – immer reich geschmückt in die Mittagspause.
Während sich der Zapfenstreich für die Älteren immer bestens als Partnerbörse eignete (auch ich begegnete meiner Frau erstmals dort), war für die Schülerinnen und Schüler der Freitagnachmittag entscheidend. Entweder stand die weniger beliebte Tanzbühne auf dem Heitern im Mittelpunkt oder die Disco im BZZ – inklusive vom Kadettenhauptmann eröffneten Lawinentanz.
Heute kann ich ganz entspannt in die Kinderfestwoche. Ich freue mich auf Gespräche mit alten Kollegen, auf einen gemütlichen Nachmittag mit anderen Eltern und auf den abschliessenden Fackelumzug auf den Thutplatz. Ein Sommer ohne Kinderfest – ich kann und will es mir nicht vorstellen.