
Braucht es im Kanton überhaupt mehr günstigen Wohnraum?
REGIERUNG UND PARLAMENT DAGEGEN
Aus der Botschaft zur Initiative «Für zahlbares und attraktives Wohnen» im Jahre 2008 sei klar hervorgegangen, dass der Regierungsrat keine weiteren regulatorischen Massnahmen zur Förderung des Wohnungsbaus und des Erwerbs von Wohn- und Hauseigentum ergreifen will, erklärt der Regierungsrat. Damals wurde argumentiert, dass die zur Verfügung stehenden Strukturen genügten und kein Handlungsbedarf für weitere Instrumente bestehe. Der Kantonsrat hatte diese Initiative damals mit 92 gegen 22 Stimmen abgelehnt. Ebenfalls haben die Stimmberechtigten die Initiative mit rund 60 Prozent der Stimmen abgelehnt. Mit der Umsetzung der nun neuen, vorliegenden Initiative «Zahlbares Wohnen für alle» würde die Schaffung von mehr preisgünstigem Wohnraum nicht sichergestellt, erklärt der Regierungsrat. Gleichzeitig stelle die Äufnung des Fonds im Rahmen des Staatsvoranschlags für den Kanton aufgrund der angespannten Finanzlage eine hohe finanzielle Belastung dar. Das Finanzierungsmodell und die Zielerreichung der Initiative seien ungewiss. Eine klare Mehrheit des Kantonsrates (88 gegen 23 Stimmen) hat die Volksinitiative «Zahlbares Wohnen für alle» abgelehnt. Im Kantonsrat unterstützte neben der SP- auch die Grünen-Fraktion die Volksinitiative. (SK)
Eine stärkere staatliche Förderung von günstigem Wohnraum fordert das Initiativkomitee der SP. Dies soll mittels eines Vorkaufsrechts geschehen. Wenn der Kanton eigene Grundstücke veräussern will, sollen die Gemeinden oder gemeinnützige Bauträger – beispielsweise Wohnbaugenossenschaften – diese kaufen oder im Baurecht erhalten können. Gefordert wird mit der Initiative auch, dass der Kanton zur Finanzierung einen Fonds äufnen soll: mit jährlichen Einlagen während zehn Jahren von mindestens 0,1 Promille des Versicherungswertes bei der Gebäudeversicherung – momentan rund 11 Millionen Franken. «Wohnungsnot im Kanton Luzern» und «Explodierende Mietpreise»: Mit starkem Tobak fahren die Initianten in ihrem Argumentarium der Abstimmungsunterlagen auf. Doch stimmen diese Behauptungen auch? Gut möglich, dass es sich bei der Initiative eher um ein Anliegen für urbane Interessen handelt.
Grundsätzlich habe der Leerbestand bei Wohnungen in der Region zugenommen, erklärt Toni Bättig, Segmentsleiter Immobilien-Beratung bei der Truvag Treuhand AG. Der Markt funktioniere. «Es gibt eine Entspannung.» Und zwar über die ganze Spannweite – von den preisgünstigeren bis zu den teureren Wohnungen, so Bättig weiter. «Es hat mehr Angebote. Der Markt ist ein Nachfragemarkt geworden.» Mit anderen Worten: Die Kunden können im Normalfall aussuchen. Bei den Neubauwohnungen ist aber Vermarktung gefordert. Toni Bättig findet, die Wohnbaugenossenschaften hätten grundsätzlich ihr Metier im Griff. Und er teilt die Ansicht, dass es bei der Initiative «Zahlbares Wohnen für alle», die unter anderem ein Vorkaufsrecht von kantonalen Liegenschaften an gemeinnützige Bauträger verfolgt, um ein urbanes Anliegen geht. Denn im Gegensatz zur Luzerner Landschaft sei in städtischen Gebieten das wenige vorhandene Land eher noch in kommunalem Besitz. Bättig sagt, dass es natürlich Regulatorien brauche, aber dort, wo man künstlich eingreife, folge eine Verzerrung des Marktes.
«Völlig schief»
Beat Bättig von der Bättig & Bucher Immobilientreuhand AG (Schötz) bestätigt die Einschätzungen seines Namensvetters. «Wir haben genügend Wohnungen.» Der Markt funktioniere, es gebe sogar Leerbestände. Man könne durch die Gemeinden fahren und an Häusern «zu vermieten» lesen, erzählt Bättig. Wenn solche Indizien bestünden, «finde ich es völlig schief, wenn der Staat sich in Kosten und vor allem ein langfristiges unbezahlbares Engagement mit grossem administrativen Aufwand stürzt». Damit spricht er sich gegen den Aspekt aus dem Initiativtext aus, wonach der Kanton einen Fonds für die Massnahmen finanzieren soll.
Beat Bättig sagt, dass die Initiative politisch motiviert und nicht wirtschaftlich pragmatisch sei. Dies sei jetzt schon der dritte Anlauf, an den er sich erinnern kann, bei dem versucht werde, gesetzlich in den Wohnungsmarkt einzugreifen. Damals habe man aber andere Vorzeichen gehabt. Und er erklärt, dass in der Region des Luzerner Wiggertales bereits mehrere Wohnbaugenossenschaften existieren. Die ersten seien bereits in den 60ern gegründet worden und anfangs 90er-Jahre gab es auch viele neue Genossenschaften in ländlichen Gegenden. Damals bestand nach dem Platzen der Immobilienblase während fünf Jahren eine Sperrfrist für Landverkäufe. Er weist auch explizit darauf hin, dass die Begrifflichkeit für günstigen Wohnraum individuell ist.
Statistik bestätigt Eindrücke
Luzern Statistik Lustat veröffentlichte in ihrem aktuellsten Jahrbuch vergleichende Zahlen, basierend auf Stichproben, aus dem 2014: Durchschnittlich kostete demnach eine Vierzimmerwohnung netto (das heisst ohne Nebenkosten) im Kanton Luzern 1420 Franken. Das untere Wiggertal liegt bei den Analyseregionen in der günstigeren Hälfte mit 1290 Franken; im Entlebuch ist es mit durchschnittlich 1170 Franken am günstigsten. Die Leerwohnungsziffer wird jeweils per 1. Juni jeden Jahres erhoben. Im Vergleich lag der Kanton Luzern 2017 mit 1,13 Prozent unter dem schweizweiten Durchschnitt (1,47 Prozent). Die Anzahl leerstehender Wohnungen stieg indes seit 2013 kontinuerlich an. Damals waren am Stichtag 1269, 2015 schon 1731 und 2017 schliesslich bereits 2178 Wohnungen und Einfamilienhäuser leer. Die Leerwohnungsziffer nach Regionen gefiltert war im unteren Wiggertal mit 1,71 Prozent letztes Jahr am höchsten; in der Region Rottal-Wolhusen mit 0,54 am tiefsten.
