
Bundesgericht stoppt umstrittene Passagen in geplantem Buch über Jolanda Spiess-Hegglin
Im Seilziehen um ein Buchprojekt über die Vorkommnisse an der Zuger Landammannfeier im Dezember 2014 und deren Nachwirkungen hat das Bundesgericht mit einem vorsorglichen Entscheid ein neues Kapitel geschrieben. Auf Antrag der ehemaligen Grünen-Kantonsrätin Jolanda Spiess-Hegglin hat das höchste Gericht vorsorgliche Massnahmen zum Schutz ihrer Persönlichkeit wieder in Kraft gesetzt. Dies, nachdem zuvor das Zuger Obergericht ebendiese Massnahmen aufgehoben hatte.

Etappensieg vor Bundesgericht: Die Zuger Netzaktivistin Jolanda Spiess-Hegglin.
Vorsorgliche Massnahmen gerechtfertigt
Das Bundesgericht schreibt in seiner Verfügung, eine Nichtverlängerung der Massnahmen auf provisorischer Basis bis zu einem definitiven Entscheid würde diesen präjudizieren. Bei einer Publikation des Buches drohe der Entscheid des höchsten Gerichts gar «gegenstandslos» zu werden. Deshalb seien die vorsorglichen Massnahmen gegen die umstrittenen Themenkreise gerechtfertigt.
Jolanda Spiess-Hegglin hatte sich an das Bundesgericht gewandt, nachdem das Zuger Obergericht zugunsten der Tamedia-Journalistin Michèle Binswanger entschieden und die zuvor vom Kantonsgericht verfügten Massnahmen gegen das Buchprojekt aufgehoben hatte. Ob Spiess-Hegglin definitiv obsiegen wird, steht indes noch nicht fest; dies wird das Bundesgericht erst noch zu entscheiden haben.
Verlage widersprechen Tamedia: Das Manuskript gibt es schon lange
Dabei könnte auch eine Rolle spielen, wie sich Binswanger und ihr Chef, Tamedia-Chefredaktor Arthur Rutishauser, im bisherigen Verfahren verhalten haben. Wie aus der Beschwerde Spiess-Hegglins hervorgeht, steht dabei der Verdacht im Raum, dass die Tamedia-Seite sowohl den Gerichten als auch der Öffentlichkeit gegenüber unwahre Angaben gemacht haben.

Unwahre Angaben in Gerichtseingaben? Tamedia-Journalistin Michèle Binswanger
Binswanger hatte sowohl in gerichtlichen Eingaben als auch in den Medien angegeben, das Buch sei noch nicht fertig und es stehe überhaupt noch nicht fest, was darin stehen werde. Es solle also ein Buch verboten werden, bevor es überhaupt geschrieben worden sei. Auch Rutishauser hatte diese Version verbreitet. Die Anwältin von Jolanda Spiess-Hegglin hatte dagegen bereits vor Zuger Obergericht festgehalten, dass das Buch sehr wohl schon existiere und Verlagen angeboten worden sei. Das Obergericht hatte dem jedoch keinen Glauben geschenkt.
Nun legt Spiess-Hegglins Anwältin Rena Zulauf vor Bundesgericht aber E-Mails von Verlagen als Beweis vor, die der Darstellung von Tamedia fundamental widersprechen. In den Mails, deren Absender aus Gründen des Zeugenschutzes nur dem Bundesgericht, nicht aber Tamedia bekannt gemacht werden, schreibt ein Verlag:
«Eine erste Manuskript-Version erhielten wir im ersten Quartal 2020, eine zweite, überarbeitete Version im September 2021.»
Man habe das Manuskript allerdings abgelehnt, weil an den darin enthaltenen Schilderungen «kein öffentliches Interesse» bestehe und die Gefahr von Rechtsverletzungen bestehe. Auch ein zweiter Verlag bestätigt schriftlich, dass ihm das Manuskript bereits 2020 angeboten worden sei. Auch dieser Verlag hat eine Veröffentlichung nach eigenen Angaben abgelehnt.
Inhalt «brutal», «diffamierend und herablassend»
Aus der Eingabe an das Bundesgericht geht auch hervor, dass das Manuskript offenbar ein Buch mit 250 bis 300 Seiten ergäbe. Der Inhalt sei, so eine in der Rechtsschrift zitierte Quelle, «brutal», stellenweise «diffamierend und herablassend». Jolanda Spiess-Hegglin würde «vom Manuskript hart getroffen; auch ihre Familie bleibe nicht verschont».

Tamedia-Chefredaktor Arthur Rutishauser.
Haben Tamedia-Mitarbeitende also hinsichtlich Existenz und Inhalt des Buches Justiz und Öffentlichkeit gegenüber Falschbehauptungen aufgestellt? Die im Verfahren nun vorgelegten Beweisstücke legen das nahe. In seiner Stellungnahme zuhanden des Bundesgerichts bestreitet der Anwalt von Michèle Binswanger dies allerdings. Das Buchprojekt sei während 15 Monaten «wegen der unsicheren Zukunftsperspektiven auf Eis gelegt» worden. Und weiter: «Es ist in der Tat so, dass das Buchprojekt nicht in Kürze abgeschlossen werden kann.» Im Übrigen beantragt der Anwalt, das Bundesgericht habe auf die E-Mails der Verlage nicht einzutreten.
Die Frage, ob mutmasslich persönlichkeitsverletzende Passagen in dem geplanten Buch überhaupt je veröffentlicht werden dürfen, muss nun das Bundesgericht in seinem Hauptentscheid klären. Bis dahin dürften noch einige Monate vergehen. In der Zwischenzeit bleiben sie bei Strafe verboten.