Cédric Wermuth: «Ich werde kämpfen, wie wenn ich selber kandidieren würde»

Sie haben entschieden, im zweiten Wahlgang nicht mehr anzutreten. Warum?

Cédric Wermuth: Gestern hat sich abgezeichnet, dass es bei den Regierungsratswahlen wohl zum Duell zwischen Jean-Pierre Gallati (SVP) und Yvonne Feri (SP) kommt. Da war es logisch, dass ich bei den Ständeratswahlen zugunsten von Ruth Müri nicht mehr antrete im zweiten Wahlgang.

Sie hätten beide antreten können.

Rot-Grün muss im Aargau bei diesen Kräfteverhältnissen zusammenarbeiten. Deshalb kam nur eine Einigung auf eine Person infrage. Wenn wir von der SP Anspruch auf den Regierungsrats- und den Ständeratssitz angemeldet hätten, nur weil wir die grössere Partei sind, wäre die Motivation bei den Grünen kleiner gewesen. Die jetzige Lösung ist die korrekte Lösung. Das ist Politik. So ist das Leben.

Man könnte auch sagen: Cédric Wermuth will nicht verlieren und steht jetzt als Held da, der einer Frau den Vortritt lässt.

Überhaupt nicht. Das ist ein gemeinsamer Entscheid von Ruth Müri, Yvonne Feri und mir sowie den beiden Parteien. Ich und wir alle sind überzeugt, dass Rot-Grün mit einer gemeinsamen Kandidatur Chancen auf einen Sitz im Ständerat hat. Als Sozialdemokrat, der im Freiamt aufgewachsen ist, weiss ich sehr wohl, was verlieren heisst. Davor habe ich definitiv keine Angst.

Im ersten Wahlgang haben Sie 55’274 Stimmen geholt. War das am Schluss doch weniger, als Sie erwartet haben?

Wir haben immer gesagt, dass wir alles geben müssen. Am Anfang hiess es, wir seien chancenlos. Jetzt haben wir sogar besser abgeschnitten als noch in der Umfrage. Das ist fantastisch. Ich hätte nie damit gerechnet, dass es einen so krassen Linksrutsch gibt bei diesen Wahlen. Die Ausgangslage für den zweiten Wahlgang hat sich damit sogar verbessert. Deshalb wäre es verantwortungslos gewesen, sich bei der Ständeratswahl nicht auf eine Person zu einigen.

Auch Ruth Müri hat ein sehr gutes Resultat erzielt. Sie hat mit einem viel weniger aufwendigen Wahlkampf nur etwa 15’000 Stimmen weniger geholt als Sie. Haben Sie die Frauenfrage unterschätzt?

Nein. Das gute Resultat zeigt vielmehr, dass das rot-grüne Ticket funktioniert hat. Niemand hat auf ein so gutes Resultat von Ruth Müri gewettet. Ihr gutes Resultat hat es mir natürlich leichter gemacht, auf eine Kandidatur im zweiten Wahlgang zu verzichten. Für jemanden mit nur 20’000 Stimmen oder so wäre es mir schwerer gefallen.

Was passiert mit den Spenden für Ihren Wahlkampf?

Ich habe noch keine Schlussabrechnung gemacht. Aber es ist klar, dass wir nun alles geben werden für den Wahlkampf von Ruth Müri und Yvonne Feri.

Goutieren das Ihre Unterstützerinnen und Unterstützer?

Wir haben nie Wahlkampf für meine politische Karriere gemacht. Es ging und geht nicht um mich, sondern um das politische Projekt. Und darum geht es immer noch. Wir haben uns gemeinsam für diesen Weg entschieden und ich werde jetzt mit dem gleichen Einsatz wie bei einer eigenen Kandidatur Ruth Müri und Yvonne Feri unterstützen.

Aber Sie wären schon gerne Ständerat geworden?

Natürlich wollte ich das erreichen. Das Politisieren im Ständerat hätte mir grossen Spass gemacht. Der Entscheid fiel mir vor allem schwer, weil unsere Kampagne über 5500 Menschen unterstützt haben. Aber am Schluss geht es in der Politik darum, das Land zu verändern. Und die Bevölkerung hat am Sonntag entschieden, dass sich etwas verändern muss. Der Nationalrat ist linker und sozialer geworden. Deshalb freue ich mich umso mehr auf die nächsten vier Jahre dort. Ruth Müri wird es im Ständerat viel schwieriger haben.

Als pointiert linker Politiker haben Sie im Aargau keinen leichten Stand. Hat Ruth Müri ein grösseres Wählerpotenzial?

Tausende haben meine Kandidatur und die SP unterstützt. Wer von uns beiden in einem zweiten Wahlgang theoretisch mehr Stimmen gemacht hätte, spielt keine Rolle. Das werden wir nie wissen. Ich bin sehr stolz auf mein Resultat im ersten Wahlgang. Vielleicht ist Ruth Müri noch breiter akzeptiert, was umso besser wäre. Letztlich ist es nicht entscheidend, ob Ruth Müri oder ich im Ständerat sitzt. Wichtig ist, dass die progressiven Kräfte gestärkt werden.