Coronakrise trifft Aargauer Wirte hart – sechs erzählen von ihren Hochs und Tiefs

Gasthof zum Schützen, Aarau:
«Wir haben sehr viele schöne Erlebnisse»

Am liebsten bestellten sich die Kunden für zu Hause die Schützen-Klassiker, sagt Gastronom Peter Schneider: «Etwa das Stadt-Filet, das Vitello tonnato, Rindstatar oder auch Kalbshackbraten mit Morchelrahmsauce.» Nach dem Lockdown spürten er und Wirtin Manuela Schmid eine grosse Solidarität durch die Kundschaft: «Sie unterstützen uns in dieser Zeit ganz bewusst. Dies gab uns viel Kraft und freut uns sehr.»

Der Take-away laufe sehr gut, am besten von Freitag bis Sonntagabend. Jeden Tag hat der «Schützen» Bestellungen für ungefähr 100 Tagesteller und bis zu 100 À-la-carte-Gerichte. Trotzdem bringt das Take-away-Geschäft nur einen Bruchteil von dem ein, was die Gastronomen normalerweise im Restaurant, bei Banketten und Caterings machen. «Wir sind froh, dass wir viele Rechnungen, welche wir während dieser Zeit erhalten, mit dem Take-away-Umsatz begleichen können», sagt Schneider.

Am schwierigsten sei die Ungewissheit betreffend Vorgaben für die Anlässe im Sommer, Herbst und Winter. Schwierig seien auch die Einschränkungen betreffend der langsamen Öffnung: «Diese verträgt sich mit der Rentabilität der Restauration nur schwer.»

Trotz allem erleben die Wirte auch viel Positives: «Wir haben sehr viele schöne Erlebnisse. Unsere Mitarbeiter spornen uns immer wieder an. Auch die Stammgäste und viele neue Gäste geben uns super Rückmeldungen, welche uns in dem bestärken, was wir machen.»

Einmal Fisch aus Villiger Küche zum Mitnehmen.

Einmal Fisch aus Villiger Küche zum Mitnehmen.

© zvg

Hotel und Restaurant Zum Hirschen, Villigen:
«Wir wissen nicht, was uns nun erwartet»

Nadja Schuler und Stephane Wirth wurden fast ein wenig überrannt, als sie nach dem Lockdown ihr Essen als Take-away anboten: «Wir hatten total Freude daran, dass wir damit so viele begeistern konnten», sagen die beiden Geschäftsführer des Hotel und Restaurant Zum Hirschen.

Zum Mitnehmen gibt es am Freitag und Samstag jeweils die Standardgerichte auf der Karte: darunter Cordon bleu (das ist im Take-away der absolute Favorit), Rindstatar, oder auch ein wechselndes
Angebot wie Stroganoff oder frische Bärlauchgnocchi. Abholen können die Kunden ihr Essen zwischen 17 und 19 Uhr. «Unser Essen geht vorgekocht oder auch fertig gekocht über den Restauranttisch, aber kalt. Unsere Gäste können sich das Essen zu Hause mit einer kurzen Anleitung selber wärmen.»

Am Wochenende haben die Gastronomen aus Villigen im Durchschnitt zwischen 80 und 160 Essensbestellungen. Eine Schwierigkeit sei es, nicht zu viel zu produzieren, sagen sie. Die grösste Herausforderung stehe den Wirten aber noch bevor: «Mit der plötzlichen Restaurantöffnung und das innerhalb von elf Tagen, wissen wir nicht, was uns nun erwartet. Den Betrieb müssen wir trotzdem wieder hochfahren.» Der Umsatz des Hotels sowie der des Take-aways hätten geholfen, bisher die Sozialleistungen und einen Teil der Fixkosten zu decken, erklären die Gastronomen.

Einen positiven Aspekt brachte der Lockdown aber auch mit sich: «Es war für uns eine neue, ungewohnte Situation, dass wir beide mit unseren Kindern am Abend zu Hause sein konnten. Das haben wir sehr genossen.»

So kommt das Take-away-Menü beim «Buume» in Wikon LU daher.

So kommt das Take-away-Menü beim «Buume» in Wikon LU daher.

© zvg

Restaurant «Bim Buume», Wikon LU:
«Ich werde mein Restaurant nicht mehr eröffnen»

Auch Spitzenkoch Hannes Baumann aus Wikon LU, an der Grenze zum Bezirk Zofingen, setzt auf Take-away. «Es läuft hervorragend», sagt er. «Die Leute haben grosse Freude und schätzen dieses Angebot wahnsinnig. Vor allem ältere Menschen.» Jeden Tag verkauft er zwischen 35 und 85 Essen.

Von Montag bis Freitag können Kunden die fixfertigen Essen online oder telefonisch bestellen. «Besonders gut laufen geschmorte und gebratene Gerichte. Sachen, die man privat nicht für zwei Personen zubereitet. Etwa Braten, Hacktätschli oder hausgemachte Bratwürste.» Abholen können die Kunden ihr Essen zwischen 11.30 Uhr und 13.30 Uhr im Restaurant. Einen Teil der fertigen Gerichte liefert der Gastronom am Abend an die Bäckerei Waber in Brittnau, wo sie ab 6 Uhr früh verkauft werden.

«Die Reaktionen der Kunden sind phänomenal», sagt der Wirt. Trotzdem wird er nach der Coronakrise sein Restaurant nicht wiedereröffnen: «Sicher nicht mehr in dieser Zeit, in der die Vorschriften gelten. Das macht für mich keinen Sinn, weil ich so zu wenige Leute bewirten könnte.» Sobald sich die Lage normalisiert hat, wird Baumann nur noch Bankette anbieten sowie Genussfahrten und Kochkurse. Dieser Schritt wäre eigentlich erst für nächstes Jahr angedacht gewesen. Hannes Baumann ist jetzt 60 Jahre alt.

Die grösste Schwierigkeit, so Baumann, sei die Hilfe vom Staat. «Da spürt man herzlich wenig.» Selbstständige, wie Gastronomen oder Coiffeure, hätten zu wenig Unterstützung bekommen: «Ich bin massiv enttäuscht.» Das Take-away-Geschäft will Hannes Baumann auch nach Corona weiterführen: «Ich werde weitere Bäckereien und Geschäfte anfragen, ob sie ihr Take-away-Sortiment erweitern möchten.»

 
Wirtin Marie Therese Meier im Restaurant Zum Frohsinn

Wirtin Marie Therese Meier im Restaurant Zum Frohsinn

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Restaurant Zum Frohsinn, Würenlingen:
«Viele sind gekommen, nur um uns zu unterstützen»

Marie Therese Meier führt mit ihrem Mann Marcel das Restaurant Frohsinn in Würenlingen. Nach dem Lockdown haben sie ihr Take-away-Angebot sofort im Dorf publiziert: «Wir haben Menulisten erstellt und diese an das Würenlinger Gewerbe geschickt – mit der Bitte, sie an ihren Schwarzen Brettern aufzuhängen», erzählt die Wirtin. «Auch über Facebook und in meinem privaten Whatsapp-Status habe ich täglich das Menü gepostet.»

Ihre Mittagsmenüs holen die Kunden hauptsächlich von Montag bis Freitag ab. Bestellen können sie das Essen am Morgen telefonisch: «Die Menupläne sehen die Gäste auf unserer Homepage.» Abgeholt werden die Speisen im Bäckereiladen gleich beim Restaurant. «An einigen Tagen brauchen wir 30 Essen; und dann wieder mal bis zu 70.» Die Speisen sind typisch gutbürgerlich: etwa Voressen, Geschnetzeltes oder Braten. «Der Hit ist, wenn mein Mann mit seiner reduzierten Küchenbrigade ein paniertes Schweinekotelett mit Tomatenspaghetti kocht. Oder wenn meine Schwägerin Nang – sie kommt aus Thailand – immer am Mittwoch Thailändisch kocht. Dann gibt es schon mal kleine Warteschlangen vor dem Laden», erzählt Marie Therese Meier.

Die Coronazeit sei schwer: «Die meisten unserer Mitarbeiter müssen zu Hause bleiben. Und der Weg zurück in die Normalität wird auch schwer werden.» Aber das Paar hat auch Schönes erlebt: «Viele sind gekommen, nur um uns zu unterstützen. Sie hätten Zeit gehabt, zu Hause zu kochen, haben aber trotzdem von uns das Essen bestellt.» Das Take-away-Angebot werden die Wirte vorerst auch nach Corona aufrechterhalten.

Adriano Caranci vom Restaurant Volare in Waltenschwil verkauft besonders viele Pizzas.

Adriano Caranci vom Restaurant Volare in Waltenschwil verkauft besonders viele Pizzas.

© zvg

Ristorante Volare, Waltenschwil:
«Ich habe noch nie so viele Pizzaschachteln gefaltet»

Adriano Caranci begrüsst seine Gäste in Waltenschwil seit dem Lockdown am Take-away-Fenster. Noch nie habe er ein seiner gastronomischen Laufbahn so viele Pizzaschachteln gefaltet – dieses Gericht bestellen die Kunden momentan am häufigsten. «An zweiter Stelle ist unsere Lasagne alla Nonna Angela, an dritter Stelle unsere glutenfreie Pizza», so Caranci.

Das Ristorante Volare hat im Schnitt täglich 50 bis 60 Bestellungen. Zu 90 Prozent bezahlen die Kunden vorgängig per Twint, sodass die Speisen nur noch überreicht werden müssen. Die grösste Schwierigkeit sei es, nicht zu wissen, wie es weitergeht: «Wir sind alle gespannt, wie es am 11. Mai losgehen soll.»

Trotz der harten Zeit freut sich der Wirt besonders über die starke Unterstützung durch die Gäste: «Es sind kleine Gesten. An Ostern habe ich so viel Schokolade erhalten. Wir bekommen viele E-Mails und haben wirklich ganz tolle Gespräche mit Kunden.»

Schaut man den finanziellen Aspekt an, so sei das Take-away-Angebot eher eine Beschäftigungstherapie: «Der finanzielle Verlust ist gross. Das, was eingenommen wird, ist kostendeckend für den Take-away. Unsere laufenden Kosten wie Miete, Strom und Sozialleistungen deckt es absolut nicht.» Adriano Caranci kämpft sich durch die Coronakrise: «Aber der richtige Kampf startet erst nach der Krise. Um den Schuldenberg abzubauen.»

Gastronom Jörg Lenzin bereitet in seinem Landgasthof Ochsen in Wölflinswil die Gerichte für den Take-away zu.

Gastronom Jörg Lenzin bereitet in seinem Landgasthof Ochsen in Wölflinswil die Gerichte für den Take-away zu.

© zvg

Landgasthof Ochsen, Wölflinswil:
«Viele nutzen das Angebot aus Solidarität»

Am Anfang der Krise boten Jörg Lenzin und seine Frau Judith Take-away-Menüs aus dem Landgasthof Ochsen in Wölflinswil eher aus einem sozialen Gedanken heraus an. Mit dem Angebot an Hauslieferungen sollten die Risikogruppen bedient werden. «Die Solidarität unserer Stammgäste, Freunde, Lieferanten und Familie war aber so gross, dass wir von ermutigenden Worten und Bestellungen überwältigt wurden.»

Jeden Tag gibt es ein Mittagsmenü; und davon eine vegetarische Variante. Die Gäste holen ihr bestelltes Essen zur abgemachten Zeit ab. Ausserdem haben Jörg Lenzin und sein Team eine kleine Karte mit vorgekochten Gerichten kreiert, welche zu Hause mit kleinem Aufwand fertiggestellt werden können. Die Anzahl Bestellungen variiert zwischen 20 und 60 am Tag. Am häufigsten bestellen die Kunden das von Hand geschnittene Tatar oder auch das Gyros von der Metzgerei Biland. «Viele Stammgäste, Freunde und Familie nutzen das Angebot aus Solidarität.» Der Take-away helfe, die bestehenden Rechnungen zu begleichen, «und unseren tollen Lernenden, Joshua Ackle, welcher dieses Jahr seine Abschlussprüfung hat, weiterhin zu beschäftigen».

Der Wiedereröffnung schaut Jörg Lenzin mit gemischten Gefühlen entgegen: «Es ist und wird sehr kompliziert. Zum Glück haben wir genügend Platz, um die Abstände einzuhalten. Aber ich freue mich auf unsere Gäste und auch auf unsere tolle Mitarbeiter, welche wir in dieser Zeit nicht sehen konnten.»