Das eigene, ferngesteuerte Beet

Traktor fahren, Felder bestellen, Gemüse ernten, Tiere füttern und Kühe melken – Alltag auf einem Bauernhof. Bei «Tante» Heidi, die mich ab und an hütete, galt es auch für mich mitzuhelfen. Dies, obwohl ich viel lieber mit den Kätzchen gespielt hätte. Stattdessen hiess es Heugabel fassen und ab mit Heidi in den Stall oder runter auf die Knie und im Garten jäten. Am liebsten war mir die für mich viel zu kurze Beeren- und Kirschensaison. Wie ertragreich ich als Erntehelferin war, sei dahingestellt. Ebenso, wie hilfreich ich wirklich war. Ich dachte jedenfalls, ich sei unentbehrlich. So unersetzlich wie für mich Heidi, ihre knusprigen Öpfelchüechli, der müffelnde Hund Bäri und die grunzenden Ferkel waren. Auch heute noch packen Kinder mit an. Dass Mädchen und Buben aber nach der Schule auf all die bäuerlichen Routinearbeiten förmlich brennen, ist was Neues. Die Hände benutzen sie zwar, aber nur für Wisch- und Tippbewegungen auf ihrem Tablet. Die Apps sind so zahlreich wie die Spielmöglichkeiten. Im Trend bei den Achtjährigen ist die «My Free Farm 2»-App, bei der sich dank regelmässiger «Zuwendung» der Viehbestand ebenso vervielfacht wie Gemüse, Früchte und der Hof an sich. Virtuelles Gärtnerspiel mit analoger Andockstelle gibt es dank einem Berliner Start-up auch für Erwachsene. Die Gemeinschaft der virtuellen Gärtner, die am Internetgartenprojekt «IP-Garten» teilnehmen, steigt. Im Garten ackern, ohne sich schmutzig zu machen – die Bedingungen sind 400 Euro für die jährliche Pacht der 16 Quadratmeter grossen Parzelle sowie ein Computer und Smartphone, um von zu Hause oder unterwegs das Tun auf dem Pachtland fernzusteuern. Den PC braucht es zwingend, denn die Internet-Gärtner entscheiden in der warmen Stube per Mausklick, was angepflanzt, wie gedüngt, wann gejätet und geerntet wird. Ihre Wünsche setzen dann richtige Gärtner um. Dank 24-Stunden-Überwachung kann man ihnen via Kameras zuschauen, wie sie in einem echten Garten mit Hacke, Spaten und Giesskanne schuften. Die Ernte können die Gartenfreunde liefern lassen oder sie wöchentlich vor Ort abholen. Dies alles mit gepflegten, sauberen Händen, denn die Gartenarbeit machen im eigenen, ferngesteuerten Beet ja andere. Dafür fehlen den virtuellen Gärtnern aber auch die echten Nachbarn, um miteinander zu reden oder auch einen Streit über den Zaun hinweg zu brechen.