Das grosse Ellbögeln um die Kunden: «Guerilla-Marketing» im Fitnessdschungel

Bald eine Milliarde Franken setzt die Fitnessbranche um. Mehr als einer von zehn Schweizern hat ein Fitnessabo – Tendenz weiterhin steigend. Erst dieses Wochenende eröffnete das Update Fitness von Coop in Zofingen. In Rothrist startet in wenigen Tagen das Activa-Gesundheitszentrum; in Aarburg wurde das «Olymp» als «M Power» wiedereröffnet. 2017 zog mit Basefit nach Discount Fitness die zweite Kette in die Region. Speziell günstigere Center wühlen den Markt auf, weiss Claude Ammann, Sprecher des Schweizerischen Fitnesscenterverbands (SFGV). «Der Anteil von Discountcentern und auch Ketten, hinter denen Grossinvestoren stecken, nimmt weiter zu.»

In Bedrängnis kommen etablierte, private Center. Exemplarisch sagt Thomas Dominiak, Centerleiter Body-Force Oftringen: «Konkurrenztechnisch verstehe ich die Region nicht mehr. Dass man bald alle 100 Meter auf ein Fitness trifft, ist schon irgendwie lächerlich.» Was für den Kunden Vielfalt bedeutet, gibt dem Verband zu denken, der im Branchenreport schreibt: «Der Verdrängungswettbewerb wirkt sich auf mehrere Bereiche, wie zum Beispiel Neukundengewinnung, Mitglieder- bis hin zur Mitarbeiterfluktuation aus.»

Marketing wird aggressiver

Weil es für neue Center schwieriger wird, genügend Kunden ins Center zu locken, wird das Marketing immer aggressiver. Neuester Coup: Potenzielle Abonnenten aus ihren bisherigen, noch laufenden Verträgen hinauskaufen: die sogenannte aktive Aboübernahme. SFGV-Sprecher Ammann erklärt: «Man spricht Menschen an, ob sie ein Fitnessabo besitzen und verspricht ihnen die Laufdauer vollumfänglich ans neu erworbene Abo anzurechnen.» Auf die Spitze trieb dies zuletzt die deutsche Franchise-Kette Clever Fit, die in Opfikon-Glattbrugg ihr zweites Schweizer Center lanciert und knapp 20 weitere Betriebe plant. Wegen deren Aktion «Jetzt wechseln – wir nehmen deine bestehende Ablaufzeit in Zahlung» kassierte die Kette im Januar einen schriftlichen Rüffel vom Verband. «Derartige Methoden betrachten wir als Guerilla-Marketing», sagt Claude Ammann. Der Verband hat Clever Fit gemahnt, diese «unlautere» Aktion zu unterlassen.

Auch Basefit bot bei der Neueröffnung eine Aboübernahme. Dass das soeben eröffnete Update Fitness in Zofingen ebenfalls in dieser Art Kunden abwirbt, sorgt für Ärger. «Ein No-Go», sagt etwa Sylvia Gattiker vom Blauen Haus Aarburg und dem Ü60-Center Vivo in Zofingen, «Wettbewerb ist ja gut, aber er sollte fair bleiben.» Ähnlich sieht das Marc Esslinger vom Physical Fitness Zofingen. Störend sei weiter, «dass es sich nur Center mit einem grossen Geldpolster leisten können, den Betrieb mit allen Kosten über ein Jahr ohne direkte Einnahmen am Laufen zu halten.»

Branche erwartet Bereinigung

Update Fitness ist eine Kette mit 20 Jahren Erfahrung und 33 Filialen, dessen Hauptaktionär Coop ist. Laut Geschäftsführer Michael Ammann ist das Preis-Leistungs-Verhältnis am Markt gefragt, denn mit 690 Franken jährlich liegt «Update» rund 300 Franken unter dem Durchschnittpreis. Die Abo-Übernahme betrachtet der Update-Chef nicht als problematisch, da sie nicht aktiv beworben werde. «Wenn sich aber jemand für uns entscheidet, dann möchten wir ihm die Möglichkeit bieten, direkt beginnen zu können.»

Für Thomas Dominiak von Body-Force steht fest: «Die Absicht der Grossen muss es wohl sein, kleinere Center immer mehr zu verdrängen.» Ein Vorteil für die Kunden sei das nicht. Allerdings hätten auch private Center Chancen, sich durch anhaltende Qualität, Betreuung und mehr Flexibilität und Eigenständigkeit von günstiger Konkurrenz abzuheben. Einig sind sich die Fitnessfachleute, dass bald eine Bereinigung eintreffen muss. Marc Esslinger von Physical Fitness sagt: «Die Übersättigung kommt bestimmt.»

Spuren hinterlässt der Verdrängungskampf auch in Zofingen. So wollte Migros im Ritex-Gebäude ein «Flowerpower» eröffnen. Nachdem Update Fitness nun direkt über der Strasse eröffnet hat, zieht Migros sich jedoch zurück. Der Standort Zofingen ist für die Migros vom Tisch. Sprecherin Andrea Bauer lässt ausserdem durchblicken, dass aktive Aboübernahmen nicht zum Konzept von Migros passen würden. Und der Fitnesscenterverband? Der weiss zwar von der Aktion von Update Fitness, wartet vorerst aber noch ab. Bisher seien keine Reklamationen von Verbandsmitgliedern eingegangen.