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Thomas Marbet zur Steuererhöhung, die anders als beantragt ausgefallen ist: «Unter dem Strich ist das ein Erfolg für den Stadtrat»

Sie sind seit etwas mehr als 100 Tagen als Stadtpräsident im Amt. Nach der ersten Budgetdebatte machen Sie gleich im ersten Jahr Bekanntschaft mit einem finanziellen Shutdown. Was heisst das nun für die Stadt?

Thomas Marbet: Das heisst, dass alle Ausgaben, die ab Januar 2022 nicht gesetzlich oder vertraglich gebunden sind, nicht getätigt werden dürfen. Löhne oder Sozialhilfe dürfen wir zum Beispiel weiterhin auszahlen; hingegen sind nicht notwendige Anschaffungen wie Bücher für die Jugendbibliothek oder Generalabonnemente für die Bevölkerung auszusetzen.

Das erste Budget des neuen Stadtrats kommt gleich vors Volk. Ist das ein Misstrauensvotum gegen das Gremium?

Nein. Insgesamt hat das Gemeindeparlament die Position des Stadtrats bestätigt, nur mit einer anderen Gewichtung beim Steuerfuss: Ein Teil der Investitionen wird über Mehreinnahmen mit Steuererhöhungen erfolgen, ein grösserer Teil aber durch eine Neuverschuldung. Zudem haben wir zwei neue Stellenbegehren ohne Befristung oder Zusatzbedingungen durchs Parlament gebracht (Anmerkung der Redaktion: Die neue Fachstelle Umwelt und die neue Stelle im Bauinspektorat). Unter dem Strich ist das ein Erfolg für den Stadtrat.

Am Schluss der Budgetdebatte haben Sie einen Appell an die Mitglieder des Gemeindeparlaments gerichtet, sich für einen Kompromiss in der Steuerfrage starkzumachen und von den eigenen Extrempositionen abzuweichen, um eine budgetlose Zeit zu verhindern. Ihr Wort hat nicht gereicht. Sind Sie enttäuscht?

Enttäuscht nicht; es war zu erwarten, dass es so herauskommt. Immerhin hat der Appell zu einer Sitzungspause geführt, die für angeregte Diskussionen genutzt wurde. Als Stadtpräsident bin ich dem Gemeinwohl und der Gesamtbevölkerung verpflichtet. Darum habe ich mir vorgenommen, nochmals auf den Kompromiss hinzuweisen, falls die Diskussion nicht in diese Richtung verläuft – und das tat sie nicht.

Sie sagten beim Appell explizit, dass man auch vom Stadtratsantrag abweichen könnte und man an die eigene Schmerzgrenze gehen sollte. Was wäre für Sie respektive den Stadtrat die Schmerzgrenze gewesen bei den Steuerfüssen?

Wir sind schon lange nicht mehr schmerzfrei, was die Steuern betrifft. Uns drückt der Schuh seit Jahren. Der Stadtrat hat bereits mehrfach versucht, die Steuern zu erhöhen. Mit unserem Antrag von 112 Steuerprozente für Private und Firmen sind wir eigentlich an unserer Schmerzgrenze angelangt.

Inwiefern war der Vorschlag des Stadtrats bereits ein Kompromiss?

Die Stadt muss sich trotz Mehreinnahmen verschulden. Wenn wir alle Investitionen über höhere Einnahmen hätten finanzieren wollen, wäre der Steuerfuss jenseits von Gut und Böse gewesen.

Nun wird sich die Oltner Bevölkerung zum Budget 2022 mit Steuererhöhung äussern dürfen, weil das Parlament einen Antrag für einen Urnengang angenommen hat, um die budgetlose Zeit zu verkürzen. Wird sich der Stadtrat an der Urne für den Vorschlag der Fraktion SP/Junge SP einsetzen, welchen die Ratsmitglieder nun beschlossen haben?

Der Stadtrat befindet an der Sitzung vom 13. Dezember abschliessend, welche Abstimmungsbotschaft er herausgibt. Erst dann werden wir uns mit einem Beschluss festlegen. Vorher will ich mich dazu nicht äussern – auch weil ich mich nicht mit dem restlichen Stadtrat abgesprochen habe.

Besteht die Möglichkeit, dass der Stadtrat auch eine Stimmfreigabe beschliesst?

Wie gesagt: Der Stadtrat befindet an der Sitzung vom 13. Dezember abschliessend, welche Abstimmungsbotschaft er herausgibt.

Die Urnenabstimmung soll auf den 13. Februar terminiert werden. Wäre ein früheres Datum nicht möglich, um die budgetlose Zeit noch kürzer zu halten?

Nein, das ist leider nicht möglich, wie ein Blick auf den Abstimmungsfahrplan zeigt: Wenn am Sonntag, 13. Februar, abgestimmt wird, müssen die Unterlagen bis drei Wochen vorher, also bis zum 22. Januar bei der Stimmbürgerin und beim Stimmbürger eingetroffen sein. Spätestens bis zum 6. Januar wird das Abstimmungsmaterial bereitgestellt werden müssen, damit es verpackt und nachher versandt werden kann. Ab jetzt haben wir noch zwei Wochen Zeit, bis der Stadtrat am 13. Dezember die Abstimmungszeitung behandelt. Bis dahin muss diese geschrieben und aufbereitet sein. Bis Anfang nächstes Jahr ist sie auch noch zu drucken, dazwischen sind die Festtage.

Wäre ein fakultatives Referendum zustande gekommen, hätte das Stimmvolk erst Ende März darüber befinden können. Was passiert, wenn das Budget an der Urne abgelehnt wird?

Dann wird es eine zweite Auflage des Budget 2022 geben. Unser Ziel ist es, dieses bis zur nächsten Parlamentssitzung vom 24. März 2022 behandlungsreif zu haben, obwohl das ein sportlicher Zeitplan ist. Ansonsten würde es erst für die Doppelsitzung Mitte Mai reichen. Dann wäre aber der Zeitvorsprung dahin, den wir nun mit dem obligatorischen Urnengang herausgeholt haben.

Wie könnte ein neues Budget 2022 bei einem Volks-Nein aussehen?

Das kommt darauf an, wie die Abstimmung ausfällt: Ist es eine knappe Angelegenheit oder eine klare Sache? Wird das Budget abgelehnt, weil die Firmen zu viel zahlen müssten oder weil die Privaten mehr zahlen sollten? All dies muss in die Erwägungen für ein neues Budget einfliessen. Es ist aber sicher so, dass nicht einfach die beiden Zahlen bei den Steuerfüssen verändert werden können. Verschiedene Positionen bei den Investitionen oder beim Sachaufwand müssten angepasst werden, weil einige Vorhaben wegen des bereits fortgeschrittenen Jahres nicht mehr realisiert werden könnten.

Es gab nach der vergangenen budgetlosen Zeit 2019 den Vorschlag, jede Veränderung im Steuerfuss vors Volk zu bringen. Ist das eine Idee, um künftig solche Referendumsdrohungen von allen Seiten zu verhindern?

Das wäre rechtlich zwar möglich. Dann dürften aber nicht nur die beiden Steuerfüsse, sondern müsste das Gesamtbudget dem Volk jeweils vorgelegt werden, weil die Steuern eine zentrale Einnahmequelle der Gemeinde sind. Die andere, eher politische Frage ist, ob es sinnvoll wäre: Damit würde die Bedeutung des Parlaments geschwächt, weil es einen Teil seiner Verantwortung abgibt. Für welche heiklen Fragen wäre das Gemeindeparlament dann überhaupt noch zuständig, wenn es auch diese Aufgabe ans Volk delegiert?