«Das ist gut investiertes Geld» – wie eine Tracing-App zur Maskenfreiheit verhilft

Es kommt bei Covid-19 auf das Tempo an. «Je schneller wir wissen, wer mit einem Infizierten wie lange in Kontakt war, desto schneller können wir die Infektionskette unterbrechen», sagt Michael Risch, stellvertretender Zentrumsleiter des Alterszen­trums Bruggbach in Frick. Das ist in Alters- und Pflegeheimen besonders wichtig, denn hier leben viele Risikopersonen.

Als Warnsystem dienen sogenannte Tracing-Apps. Sie stellen fest, ob jemand mit einem Infizierten in Kontakt war und schlagen Alarm. Der Bund hat vorletzte Woche eine solche App lanciert. Auf dieser basiert auch die App-Lösung, die der Verein für Altersbetreuung im oberen Fricktal (VAOF) zusammen mit einer Softwarefirma entwickelt hat und seit einer Woche testet.

Dass man auf eine eigene Lösung setzt und nicht einfach die Bundes-App verwendet, hat laut Risch vorab zwei Gründe. Der eine ist praktischer Natur: Nicht alle Bewohner haben ein Handy – und die Mitarbeitenden dürfen ihres während der Arbeit nicht bei sich haben. Zweitens lassen sich nur mit einer App, auf deren Daten man im Covid-­Fall selber Zugriff hat, die nötigen Auswertungen über Bewegungen und Begegnungen im Heim innert Minuten vornehmen.

Das System ist simpel: Jeder Bewohner und jeder Mitarbeitende trägt eine Smartwatch. Diese zeichnet kontinuierlich auf, wer wem wie lange wie nahe kommt. Tritt ein Coronafall auf, kann die Zentrumsleitung eine Liste mit den Personen herausfiltern, die in Quarantäne müssen. «Die Parameter sind so eingestellt, dass das System alle Personen herausfiltert, die dem Betroffenen während mehr als zehn Minuten näher als 1,5 Meter gekommen sind», erklärt Risch. Dies entspricht den Empfehlungen des Bundes.

Die App bietet drei Vorteile

Wer diese Kriterien erfüllt, muss in Quarantäne; wer nicht, kann sich weiter frei bewegen. Dies ist auch einer von drei grossen Vorteilen: Ohne App müssen die Bewohner so lange auf ihrem Zimmer bleiben, bis die Abklärungen vorliegen. Mit der App verkürzt sich diese Abklärungszeit auf wenige Minuten.

Ein zweiter Vorteil ist die Nachvollziehbarkeit auch bei Personen mit Demenzerkrankungen. «Bei ihnen ist es oft schwierig, herauszufinden, mit wem sie in den letzten Tagen länger Kontakt hatten», so Risch.

Ein dritter Vorteil kommt dem Personal zugute: Die App verhilft ihnen zu einer Maskenfreiheit. Heute arbeitet das Pflegepersonal rund um die Uhr mit Schutzmaske. «Das ist gerade an heissen Tagen kein angenehmes Arbeiten», sagt Risch. Ist eine Nachverfolgung gewährleistet, kann die Maskenpflicht gelockert werden.

In der ersten Testphase, die noch bis Ende Woche läuft, wird die App auf einer «IT-affinen Abteilung» eingesetzt, so Risch. Für den Test begeistern liessen sich neben den Mitarbeitenden auch die Hälfte der rund 20 Bewohner. «Der Test ist freiwillig», betont Risch. Eine Teilnahme wird auch nach der Testphase freiwillig bleiben. Der VAOF hofft, dass möglichst viele dabei sein werden. Denn nur dann funktioniert das Warnsystem.

Das System weiter entwickeln

Mit den bisherigen Ergebnissen ist Risch zufrieden. Auch die Rückmeldungen «sind durchweg positiv». Nächste Woche geht es in die zweite Testphase. Dann werden auch erste Angehörige an Bord geholt. Sie bekommen am Eingang eine Smartwatch und können diese mit dem QR-Code ihres persönlichen Besucherpasses verknüpfen. Nach dem Besuch geben sie die Uhr zurück, die desinfiziert wird.

Läuft die zweite Phase gut, soll das System «so schnell wie möglich» eingeführt werden. Die 400 Smartwatches, die es für die VAOF-­Alterszen­tren in Frick und Laufenburg braucht, wird der Verein zur Verfügung stellen. «Das ist gut investiertes Geld», ist sich Risch sicher. Zumal die Smartwatch-Lösung noch viel Potenzial hat. «Wir wollen das System weiter entwickeln», sagt Risch. Zur Diskussion stehen Funktionen wie ein Rufknopf oder eine Sturzerfassung.