
Das ländliche Luzern fordert Korrekturen beim kantonalen Richtplan
Das Y endet nicht an der Luzerner Kantonsgrenze
Im luzernischen Wiggertal überschneiden sich die Gebiete zweier Regionaler Entwicklungsträger (RET). Nebikon und Altishofen gehören noch zum Verband Luzern West. Roggliswil, Reiden und Wikon sind zofingenregio angeschlossen, und Dagmersellen und Pfaffnau sind Doppelmitglieder bei beiden RET. Zofingenregio hat sich mit der Richtplanrevision im Kanton Luzern – und der Position von Luzern West – auseinandergesetzt. «Wir finden das Y richtig, aber es hört nicht an der Kantonsgrenze auf und die Pfeile gehen nicht nur in Richtung Stadt Luzern», sagt Tobias Vogel, der bei zofingenregio für die Regionalplanung zuständig ist. Die Gemeinden von zofingenregio seien als Teil eines urbanen funktionalen Raumes zu verstehen, der sich über die Kantonsgrenzen hinaus bis in den Raum Zofingen/Olten erstreckt. Die Gesamtverkehrskonzeption müsse, analog zur Raumstrategie, relevante Entwicklungen und Angebote ausserhalb der Kantonsgrenze einbeziehen und anerkennen, dass die Erreichbarkeit der Agglomeration Luzern nicht für alle Gemeinden und Teilregionen die gleiche Bedeutung habe. (ben)
Im Kanton Luzern wird der Richtplan revidiert. Der Prozess für die Totalrevision hat im Juli begonnen. Da der Richtplan die Entwicklung des Kantons für die nächsten 10 bis 20 Jahre vorgibt, ist dieses Planungsinstrument für die Gemeinden von grosser Bedeutung. Im November hat die Region Luzern West Gemeinderätinnen und Gemeinderäte sowie alle Kantonsratsmitglieder aus dem Verbandsgebiet zu einer Videokonferenz eingeladen. Ein vorgestelltes Positionspapier, das mit einer Arbeitsgruppe verfasst wurde, hat Reaktionen ausgelöst. Guido Roos, Geschäftsführer von Luzern West und CVP-Kantonsrat aus Wolhusen, nimmt Stellung.
Herr Roos, was fordert Luzern West in seinem Positionspapier zum kantonalen Richtplan?
Wir haben drei Kernforderungen. Eine Forderung ist die Abkehr vom «Y», eine andere die Öffnung Richtung Aargau und Bern. Zudem regen wir neu die Schaffung von funktionalen Räume an. Der Kanton Luzern sollte – wie der Kanton Aargau oder Zürich – die kantonsübergreifenden Bezüge zu allen Nachbarn anschauen. Der Aargau grenzt massgeblich an den Kanton Zürich. In der Raumplanung berücksichtigt der Kanton jedoch auch andere Räume wie Basel, das Aareland, Luzern. Notabene sagt auch der Bundesrat in seinem Prüfbericht zum aktuell gültigen Luzerner Richtplan dasselbe. Der Kanton brauche eine Gesamtkarte zur Raumentwicklungsstrategie, der alle relevanten Themen umfasst und auch die Bezüge zu den Nachbarkantonen sowie zum Metropolitanraum Zürich darstellt.
Sie regen «funktionale Räume» an, was ist damit genau gemeint?
Ein funktionaler Raum auf einer hohen Flughöhe wäre beispielweise das Seetal; es hat einen Luzerner und einen Aargauer Teil. Auf einer niedrigeren Flughöhe gibt es beispielsweise das mittlere Wiggertal. Dagmersellen bis Zofingen könnte ein solcher Raum sein. Der Kanton Luzern sollte in funktionalen Räumen denken und nicht in Verkehrsachsen, das ist unsere Forderung. Vorschläge zur Einteilung in Räume zu erarbeiten, wäre dann Aufgabe des Kantons.
Das Positionspapier von Luzern West hat Reaktionen ausgelöst. Luzern Plus, das die Stadt und Agglomeration Luzern sowie das Rontal vertritt, sieht die Sache anders. Weniger Zersiedelung entspräche dem Volkswillen. Stellt sich die Landschaft quer zum urbanen Raum?
Dass die Kollegen von unserem Nachbarverband Region Luzern Plus eine andere Perspektive und Forderungen haben, finden wir völlig legitim. Der Kanton Luzern will das Wachstum in Stadt und Agglomeration sowie auf der Y-Achse konzentrieren. Aus einer raumplanerischen Sicht sprechen sogar einige Argumente dafür. Dort, wo schon verkehrsmässige Infrastruktur besteht, soll das Wachstum stattfinden. Diese Strategie heisst aber auch: Die anderen Gebiete behält man möglichst unten und nimmt, wo nötig, Auszonungen vor. Die Realität ist einfach, dass viele Teile der Bevölkerung in den urbanen Gebieten wachstumsmüde sind. Das drückt sich in Wachstumsbegrenzungs-Initiativen, der Ablehnung von Ortsplanungen oder Bebauungsplänen aus. Oder in der Bekämpfung der Spange Nord in Luzern. Die Leute wollen die Konsequenzen des Wachstums nicht mehr.
Gleichzeitig fordert Luzern West in ländlichen Gemeinden mehr Entwicklungsmöglichkeiten. Die ländliche Bevölkerung will dieses Wachstums vielleicht auch nicht.
Selbstverständlich gibt es auch einen rechten Anteil Leute in unseren Gebieten, die kritisch zum Wachstum eingestellt sind. Wenn wir sagen, wir wollen eine Wachstumsperspektive, heisst das nicht, auf Teufel komm raus wachsen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Die Bevölkerung der Gemeinde Adligenswil hat sich in 25 Jahren vervierfacht. Das Entlebuch hat nach 100 Jahren immer noch gleich viele Einwohner. Wir möchten eine gewisse Entwicklung und Perspektive für den ländlichen Raum. Im Moment hat der Kanton das aber zu wenig angedacht. Der heutige Richtplan macht fast keine Aussagen dazu, was mit den Gemeinden neben dem Ypsilon geschieht, wir finden, das kann nicht sein. Der Kanton Luzern hat sich in den letzten Jahren immer nur nach dem Metropolitanraum Zürich ausgerichtet. Wir möchten, dass er neu auch den Aargau und Bern einbezieht.
Das Raumplanungsgesetz des Bundes ist 2013 von zwei Dritteln der Stimmberechtigten im Kanton Luzern angenommen worden. Es sieht weniger Zersiedelung vor. Widersprechen Ihre Forderungen nicht diesem Ziel?
Zur Raumplanungsgesetz-Abstimmung von 2013 ist zu sagen, dass sie auf der Luzerner Landschaft weniger deutlich angenommen wurde. Es war ein Gegenvorschlag zu der viel weiter gehenden Landschaftsschutzinitiative. Es geht uns wirklich nicht darum, dass die Dörfer explodieren, aber dass sich diese massvoll entwickeln können.
Sie meinen vor allem wirtschaftliche Entwicklung.
Ja. Die Dörfer sollen im Wohn- und im Arbeitsbereich Entwicklungsmöglichkeiten erhalten. Wir sind aber ebenso überzeugt, dass grosse Arbeitsplatzgebiete an die Autobahn gehören.
Die Gemeinden, welche heute an der Y-Achse liegen, beispielsweise Dagmersellen, werden als «Entwicklungsgemeinden» bezeichnet und profitieren vom heutigen Richtplan. Sind diese auch für die Ziele von Luzern West?
Ich kann nicht für einzelne Gemeinden sprechen. Wir haben unser Positionspapier im November mit rund 60 Gemeindevertretern und Kantonsratsmitgliedern an einem Zoom-Meeting diskutiert, jedoch keine Abstimmung gemacht. Wir haben aber bisher keine Widersprüche gespürt. Unsere Verbandsgemeinden können uns bis Ende Januar dazu Rückmeldungen geben.
Was bedeutet die momentane Ausrichtung des Richtplans auf den Metropolitanraum Zürich?
Der Kanton Luzern denkt gerade bei Verkehrsfragen, dass alles via Luzern geht. Luzern ist stets das Zentrum. Das artikuliert sich beispielsweise darin, dass an den Schnittschnellen im oberen Entlebuch bei Langnau im Emmental oder im Raum Willisau beim bernischen Huttwil die Planungen überhaupt nicht aufeinander abgestimmt sind. Man kennt die gegenseitigen Bedürfnisse nicht. Auf der einen Seite ist ein Radweg geplant, auf der anderen ist auf Deutsch gesagt eine Mauer. Richtung Zürich denkt man hingegen bei allen Verkehrsträgern regionenübergreifend. Wenn man mit Fachleuten beim Kanton Luzern spricht und eine Firma in Willisau, Schötz oder Altishofen hat, nehmen sie an, dass es klar ist, dass man über Luzern nach Zürich fährt. So wird alles Richtung Luzern gelenkt und man wundert sich, warum es in der Stadt so viel Verkehr hat.
Viele Gemeinden sind im Richtplan in der Kategorie L3 «ländliche Gemeinden». Sie erwähnten in Medienberichten, dass es Unternehmen gibt, die stärker wachsen wollten. Können Sie ein Beispiel nennen?
Wir nennen bewusst keine Firmen in der Zeitung. Doch es gibt solche Projekte. Wir stellen einfach fest: Wenn man in der Kategorie L1 oder höher ist, kann eine Gemeinde Land einzonen fürs Gewerbe. Wenn jemand sich entwickeln will oder neu zuziehen will, findet man in der Regel schnell eine Lösung. Wenn eine Gemeinde hingegen in der Kategorie L3 ist, gibt es zwar Lösungen für ansässige Firmen. Aber das kann Jahre dauern. Es kann ja nicht sein, dass eine Gemeinde wie Ruswil in der Kategorie L3 eingeteilt ist. Dafür ist Eich mit seiner schönen Wohnlage und lokalem Gewerbe in einer Kategorie, wo man Industrie ansiedeln könnte. Das ist schräg und dem Konzept der Y-Achse geschuldet. Wir finden das falsch.
Glauben Sie, dass der Kanton die Ideen von Luzern West aufnehmen wird?
Wir rechnen uns recht gute Chancen aus, dass der Kanton die erste Forderung mit der Ausrichtung auf alle Nachbarkantone wie den Aargau berücksichtigt. Bei den funktionalen Räumen haben wir Hoffnungen, dass das auch kommt. Beim Ypsilon sagen wir nicht, dass man es streichen muss, es ist eine Realität. Da liegen hoffentlich Anpassungen in der Bedeutung des Y drin.