Das letzte Aufbäumen des Jewgeni Schirjajew

Es braucht ein Eishockeywunder, will der EHC Olten in dieser Halbfinalserie gegen den übermächtig wirkenden, aufstiegswilligen EHC Kloten noch etwas erreichen. Wie alle anderen hadert auch Jewgeni Schirjajew mit der abermals fehlenden Kaltblütigkeit der Oltner. «Es fehlen uns nur die Tore und etwas mehr Überzeugung in besonders wichtigen Momenten. Nach dem 2:3 hätten wir die Unterzahl überstehen müssen, aber leider bekommen wir umgehend das Gegentor. So wird es schwierig», sagt er. Der Glauben an das Unmögliche sei in der Garderobe trotz 0:3 Siegen weiterhin spürbar. «Ich bin überzeugt, dass wir nach wie vor eine Chance haben. Wir müssen sie bloss nutzen», sagt Schirjajew und erzählt von seinen Erlebnissen als 18-Jähriger, als er im Playoff-Halbfinal 2008 Teil der Truppe des HC La Chaux-de-Fonds war, die gegen Lausanne tatsächlich einen 0:3-Rückstand nach Siegen noch wettmachte. «Es ist alles möglich.»

«Ich hatte vier schöne Jahre in Olten»

Sollte heute Abend beim EHC Olten Lichterlöschen sein, dann hatte man vor allem eines dieser Mannschaft in einer durch und durch bizarren Saison nie vorwerfen können: Fehlende Einsatzbereitschaft, das gab es nie. Die Mannschaft kämpfte. Von Spiel zu Spiel. Trotz Auf und Ab. Jewgeni Schirjajew ging diesbezüglich voran und war so etwas wie der rote Faden, eine der wenigen Konstante. Er war in besonders kritischen Momenten als Reisser zur Stelle. Im Dezember etwa, als die erste Krise Einzug hielt. Oder auch inmitten der Negativserie von acht Niederlagen fiel er als Kämpfer positiv auf. Und er zeigt es abermals in diesen Playoffs, wie eine Episode aus diesen Tagen fernab des Eisfelds verdeutlicht: Es ist Dienstagabend, als Jewgeni Schirjajew vor Mitternacht nach der bitteren 0:1-Niederlage das Kleinholz verlässt und sich mit offensichtlich grossen Schmerzen Tritt für Tritt die Treppe beim Westaufgang hochkämpft.  In Spiel eins in Kloten hatte er sich eine Unterkörperverletzung zugezogen, die ihn seither behindert. Kaum vorzustellen, dass er sich in den Stunden zuvor mit diesen Schmerzen auf dem Eis zerriss. Mittlerweile ergeht es ihm etwas besser, war aber auch gestern im Morgentraining einer der wenigen Abwesenden auf dem Eis, liess sich von den Physios behandeln. Danach spricht er, wie es sich für einen Profieishockeyspieler in Playoffzeiten gehört, seine Verletzung klein. «Es geht schon, alles gut. Ich gebe mein Bestes und kämpfe bis zur letzten Sekunde.»

Das nahende Saisonende und damit das Ende beim EHC Olten versucht Schirjajew noch etwas zu verdrängen, auf Nachfrage blickt er diesem Moment dennoch wehmütig entgegen. «Es ist sicher traurig. Ich mag den Klub, die Leute und die Stadt sehr und insbesondere auch die Fans, sie haben mir so viel gegeben. Ich hatte vier schöne Jahre hier», sagt Schirjajew, von allen «Gino» genannt.

2017 wechselte er nach nur drei Spielen bei Ambri zum EHC Olten, wo er sogleich eine grosse Verantwortung übernehmen konnte. Als eines der EHCO-Highlights streicht er seine erste Saison heraus, als man bis in den Final vorstiess und sich Rapperswil-Jona geschlagen geben musste. «Ich kam vor vier Jahren hierher, weil wir ein grosses Projekt, den Aufstieg, anpeilten. Leider ist uns das bis jetzt nicht gelungen, aber ich bin dennoch stolz, was wir in dieser Zeit erreicht haben.» Er sei auch als Mensch noch einmal gereift. «Die Zeit hat mich noch einmal stärker gemacht. Das nehme ich sicher mit.»

Nun wartet auf ihn beim EHC Visp eine neue Herausforderung mit grossem Erfolgsdruck, denn die Walliser peilen nächste Saison den Aufstieg an. «Es freut mich sehr, dass sie mir das Vertrauen schenken und ich Teil des grossen Projekts sein darf. Ich freue mich darauf.» Doch vorerst sei er, der im Juni zum zweiten Mal Vater wird, noch zu hundert Prozent mit Herz und Seele und grosser Leidenschaft beim EHCO. Nur zu gerne würde er den Klub mit einem Sieg im letzten Spiel verlassen. Schirjajew: «Ich gebe mein Bestes und kämpfe bis zur letzten Sekunde.»

Noch nie aus dem 0:3-Loch herausgefunden

Der Blick in die Playoff-Geschichtsbücher verheisst für den EHC Olten nichts Gutes. In der Best-of-7-Ära (seit 2003) waren die Oltner viermal in derselben Situation wie jetzt. Nach drei Spielen und drei Niederlagen galt das Motto «verlieren verboten». Dem EHCO gelang das sowieso extrem schwierige Kunststück, aus dem 0:3-Loch herauszufinden, nie. Am nächsten kam man einer Wende 2004 in der Halbfinalserie gegen Sierre, als man Spiel vier und fünf jeweils mit 3:2 gewann, ehe man sich mit einer Niederlage im sechsten Spiel aus dem Rennen verabschiedete. In der Finalserie gegen Lausanne 2013 verlor man auch den vierten Vergleich (4:5). In zwei weiteren Viertelfinals erzwang der EHCO immerhin noch ein fünftes Duell, was auch in diesem Jahr das höchste der Gefühle sein dürfte. 2003 gegen Qualisieger GCK Lions gewann man Spiel vier mit 4:0, ehe man ausschied. Und 2017 besiegte man Rapperswil mit 3:0, bevor man sich mit einem 2:5 auswärts sang- und klanglos verabschiedete.