Der designierte FC-Aarau-Präsident Philipp Bonorand: «Ich bin keine Marionette»

Ich behaupte: Sie werden nicht erst Mitte 2020, sondern bereits Ende 2019 Präsident des FC Aarau sein.
Philipp Bonorand: Abgemacht ist, dass Alfred Schmid und Roger Geissberger sich noch ein Jahr zur Verfügung stellen. Besonders auf das Wissen von Geissberger im Ressort Sport mit den Spieler- und Trainerverträgen bin ich angewiesen. Wenn die Unterstützung kein ganzes Jahr nötig sein sollte, kann es sein, dass ich früher die Verantwortung übernehme. Stand heute aber gehe ich von 2020 aus.

Wie haben Sie es geschafft, dass Schmid und Geissberger entgegen ihrem Wunsch ein Jahr anhängen?
Mit sachlichen Argumenten. Die nächste Saison mit der Stadionabstimmung ist wichtig. Schmid und Geissberger mussten 2007 bei ihrer Amtsübernahme erfahren, was es heisst, nicht mehr auf das Wissen der Vorgänger zurückgreifen zu können. Sie stellen nicht das erste Mal das FCA-Wohl über ihre persönlichen Absichten.

Haben Sie insgeheim gehofft, dass Schmid Sie als Nachfolger auserwählt?
Ich ging davon aus, dass er längst einen anderen gefunden hat. Als die Anfrage dann tatsächlich kam, war mein erster Gedanke, das irgendwie hinzubekommen. Nicht, wie ich absagen soll.

Sind Sie ein Präsident von Schmids Gnaden?
Ich bin keine Marionette – dieser Gedanke ist lächerlich. Der FCA-Verwaltungsrat hat mir versichert, nicht im Weg zu stehen, wenn ich Dinge verändern möchte.

Was möchten Sie verändern?
Es wäre anmassend, als noch nicht einmal gewählter Verwaltungsrat Kritik an meinen Vorgängern zu üben. Mir liegt am Herzen, dass der FC Aarau in der Stadt wieder sichtbarer wird und die Bindung zwischen dem Klub und den Matchbesuchern auf den Stehplätzen wieder enger wird. Es war der Wunsch von Alfred Schmid, dass ich in dieser Hinsicht Fortschritte erziele.

Ihre Nomination hat in der Fanbasis zu Begeisterung geführt. Sie sind einer vom «Fussvolk» auf den Stehplätzen.
Früher war ich an jedem Spiel, auch an jedem Testspiel. Seit ich beruflich sehr eingespannt bin, hat das abgenommen, ab sofort sind FCA-Spiele selbstverständlich wieder Pflichttermine. Ich zähle mich zum Aarauer Fussvolk – den Anzug trage ich nur, weil Sie nachher noch von mir Fotos machen wollen (lacht). Die Kunden meiner Firmen sind hauptsächlich Bauern, da ist Tenue leger angebrachter. Zurück zu Ihrer Frage: Ein Stadt-Aarauer als Präsident ist sicher förderlich für die Fanbindung. Als Einheimischer und ehemaliger Einwohnerrat weiss ich, wie Aarau tickt.

Wie stehen die Aarauer denn zum FC?
Ich bin immer wieder erstaunt, wen ich alles an den Spielen antreffe, obwohl diese Personen gegen das neue Stadion sind. Aarau ist grundsätzlich stolz auf den FC, die Zuschauerbasis ist für einen Challenge-League-Klub gross. Aber der FCA muss ambitioniert bleiben und bald wieder in der Super League vertreten sein, um die Menschen bei Laune zu halten.

Sie werden mit 38 bald der jüngste Präsident aller 20 Schweizer Profiklubs sein. Auch beruflich sind Sie als Inhaber von zwei Firmen und Herr über 100 Angestellte für Ihr Alter sehr weit.
Ich verstehe, dass mein Alter Thema ist. Genau wie vor acht Jahren, als ich mit 30 Geschäftsführer der Multiforsa AG wurde und einige Langzeitangestellte sich in ihrem Gärtchen bedrängt fühlten. Das Alter ist relativ, entscheidend sind die Erfahrungen.

Äusserlich wirken Sie noch jünger, als Sie sind. Werden Sie unterschätzt?
Danke für das Kompliment (lacht). Im Beruf musste ich sicher mehr investieren als ein Älterer, um mir den Respekt zu verschaffen.

Es wird der Tag kommen, an dem Sie als Präsident zur Grätsche ansetzen müssen, zum Beispiel in Form einer Trainerentlassung.
Das wird sich kaum vermeiden lassen. Ich bin mir bewusst, dass ich als Präsident auch unangenehme Entscheidungen fällen muss. Damit habe ich kein Problem.

Sie werden als FCA-Präsident zur öffentlichen Person – mögen Sie das Rampenlicht?
Zugegeben, ich bin etwas nervös zu diesem Interview erschienen. Ich suche das Rampenlicht nicht und muss mich daran gewöhnen. Aber die «Schweizer Illustrierte» braucht sich nicht für eine Homestory zu melden.

Spüren Sie Druck?
Kein Druck wäre fatal, ich übernehme ja eine grosse Portion Verantwortung.

Haben Sie Angst, zu scheitern?
Nein, erstaunlicherweise überhaupt nicht. Aber ich stelle mich auf schwierigere Zeiten als die jetzigen ein. Ein Präsident muss in einer Krisensituation ruhig bleiben, das Stadion durch den Vordereingang verlassen und sich den Fans stellen.

Sie führen zwei Firmen, bald den FCA. Wo holen Sie die Energie dafür her?
Es gab Präsidenten, die haben nicht mehr geschlafen und den Blick fürs Wesentliche verloren. Das will ich vermeiden. Einen Tag in der Woche klinke ich mich aus. Ich bin viel in der Natur unterwegs oder treffe mich mit Freunden. Doch die Arbeit und insbesondere der FCA bedeuten nicht nur Stress, sondern vor allem viel Freude, es steckt ja Leidenschaft dahinter.

Werden Sie sich als Präsident einen Lohn auszahlen?
Nein.

Wird der FC Aarau in Zukunft auf dem Trikot für Tierfutter werben?
Schwierig, weil das Fussballpublikum nicht unsere Kundschaft abbildet. Wir sind zum Beispiel auf Viehschauen optisch präsent. Ich werde mir Gedanken machen, in welcher Form meine Firmen den FC Aarau unterstützen können.

Wie viele Spielerwechsel sind in der Challenge League erlaubt?
Vier!

Test bestanden. Sie sind Tierfutter-Produzent und bald Präsident eines Fussballklubs. Weiter auseinander könnten die zwei Branchen nicht sein.
Es gibt eine Gemeinsamkeit: In der Multiforsa AG beschäftigen wir 45 Verkäufer, die haben wie Fussballer Provisionslöhne und entsprechend grossen Ehrgeiz sowie ihre Macken und Eigensinn.

Wie stark werden Sie sich in sportliche Themen einmischen?
Man hat in den vergangenen Jahren beim FCA erkannt, dass es die Abgrenzung zwischen der Operative und dem Verwaltungsrat braucht. Sportchef Sandro Burki hat die sportliche Verantwortung, er verlangt die und das ist richtig so. Der Verwaltungsrat gibt die finanziellen Leitplanken vor und ist Kontrollorgan. Habe ich einen Input, werde ich den mitteilen, doch es liegt mir fern, mich in die sportlichen Belange einzumischen.

Als Sie 2008 den FCA als Angestellter verliessen, sagte das Aarauer Volk «Ja» zum Stadion. Heute steht die Arena immer noch nicht.
Ich habe mich über das Vorgehen der Stadion-Verhinderer geärgert, weil sie nicht sachlich, sondern aus Trotz gehandelt haben. Die Vorgehensweise beim aktuellen Projekt mit Hochhäusern finde ich gut, es werden alle Interessensgruppen angehört. Bis zur Abstimmung wird es unsere Aufgabe sein, gute Argumente zu liefern und aufzuzeigen, dass es nicht nur um den FC Aarau geht, sondern auch aus städtebaulicher Sicht um die Attraktivität von Aarau. Ich denke, dass die Aarauer grundsätzlich nichts gegen den FC haben und ihm die Notwendigkeit des neuen Stadions anerkennen, aber die Skeptiker wollen ernstgenommen werden und Kompromissbereitschaft spüren.

Die Stadionabstimmung wird der erste Meilenstein Ihrer Amtszeit sein.
Für langfristigen Spitzenfussball braucht Aarau ein neues Stadion. Punkt. Als der FCA vor kurzem die Lizenz für die Super League erhielt und es darauf Stimmen gab, es brauche ja gar kein neues Stadion, ärgerte mich das. Die Lizenz basiert auf einer Ausnahmebewilligung wegen des Stadionprojekts. Sollte dieses nach einem «Nein» zur BNO-Revision im Torfeld Süd erlöschen, würden sich viele Involvierte die Frage stellen, inwiefern der enorme Aufwand für den FC Aarau noch Sinn macht.

Schlussfrage: Wie lange wollen Sie Präsident sein und wo steht der FC Aarau am Ende Ihrer Amtszeit?
Zehn Jahre sind für mich die Obergrenze, an der ich neuen Kräften Platz machen möchte. Ich hoffe, den Klub bis dahin ins neue Stadion geführt und als Super-League-Grösse etabliert zu haben. Wenn ich den momentanen Lauf der Mannschaft sehe, bin ich optimistisch, dass der Aufstieg bereits in dieser Saison gelingt.

Zur Person


Philipp Bonorand ist 38 Jahre alt (geboren am 28. Oktober 1980), ledig, in Aarau aufgewachsen und hat eine Wirtschaftsausbildung absolviert. Er ist Inhaber der Firma Vital in Oberentfelden und Inhaber und Geschäftsführer der Firma Multiforsa in Auw, beide Firmen produzieren und handeln mit Futtermitteln für die Landwirtschaft. Bonorand sass von 2004 bis 2010 für die SVP im Aarauer Einwohnerrat. Er arbeitete in den Jahren 2000 bis 2008 bereits für den FC Aarau, als Teil der ersten Geschäftsleitung der neu gegründeten Aktiengesellschaft.