
Der EHCO bricht nach dem ersten Gegentreffer komplett ein
Es verbleiben 2:28 Minuten Spielzeit auf der Matchuhr, als sich eine Vielzahl der EHCO-Fans wutentbrannt auf den Nachhauseweg macht. Was die 2938 Zuschauer im Kleinholz vor allem in den letzten 13 Spielminuten des Schlussabschnittes zu sehen bekommen, kommt einem schlechten Film gleich: Der EHC Olten führt nach 47 Spielminuten verdient 3:0. Er hat das Spiel in allen Belangen unter Kontrolle, was auch das Schussverhältnis eindrücklich widerspiegelt: 25:7 Torschüsse zugunsten der Oltner nach 40 Minuten.
Doch dann passiert das, was sich selbst die schlechtesten Drehbuchautoren nicht in den kühnsten Träumen vorstellen können: Innert zwei Minuten bringen die beiden Walliser Importspieler Mark van Guilder (48.) und Dan Kissel (50.) mit ihren Blitztoren das Oltner Team stark ins Wanken. Es war schon zu diesem Zeitpunkt vorwegzunehmen: Die Oltner, zerbrechlich wie eine billige Uhr, liefen abermals ins offene Messer und werden mit einer beispiellosen Passivität ohne Punkte aus dem Spiel gehen.
Als auf einen Visper Wechselfehler Captain Lukas Haas und Alban Rexha zu zweit vor Torhüter Lory die Entscheidung verpassten, konterten die Visper bilderbuchmässig, worauf Visp-Captain Heynen mit dem 3:3-Ausgleich abschloss. Dieser Ausgleich drei Minuten vor Schluss kam bei den Oltnern einem Genickbruch und einer damit verbundenen Niederlage gleich. Für diese war dann der omnipräsente Visp-Stürmer Sturny nur 37 Sekunden nach dem Ausgleichstreffer tatsächlich besorgt. Der EHCO, längst stehend zusammengebrochen, konnte danach auch nichts mehr ausrichten – im Gegenteil: Man hatte noch den 3:5-Treffer ins leere Tor zu fressen.
EHCO-Captain Lukas Haas war unmittelbar nach dem Spiel im Stadion-Interview ausser sich vor Wut: «Nach dem ersten Gegentor sind wir völlig eingebrochen und rumgestanden wie ein Hühnerhaufen. Wir müssten auch in den letzten 20 Minuten so spielen, wie wir das in den ersten zwei Dritteln getan haben», sagte Haas und verschwand in der Garderobe.
Wertlose 40 Minuten
Tatsächlich hatte der EHCO in den ersten 40 Minuten vieles richtig gemacht. Selbst nach einem 0:0-Startdrittel mit Chancen zuhauf und einer furiosen Import-Sturmlinie um Hohmann, Gervais und Ulmer blieben die Oltner trotz der Torlosigkeit ruhig und kämpften munter weiter. Es war schliesslich Jewgeni Schirjajew, der einen sehenswerten Pass von Lukas Haas in Überzahl verwertete (25.). Das Tor war ganz offensichtlich ein Befreiungsschlag für die anrennenden Powermäuse, was auch Visp-Trainer Alatalo erkannte und ungewohnt früh das Timeout nahm. Es fruchtete nur für kurze Zeit: Marco Truttmann profitierte von einer Aneinanderreihung von Fehlern in der Visper Hintermannschaft und erwischte Torhüter Lory zwischen Arm und Oberkörper (30.). Auch mit der 2:0-Führung im Rücken drückte der EHCO weiter auf das Gaspedal. Aus dem Nichts kam der EHC Olten zum Schluss des Mitteldrittels zu einer doppelten Überzahlsituation (Visp verbüsste in Unterzahl eine Strafe wegen zu vieler Spieler), die wiederum Schirjajew dankend ausnutzte. Die Oltner machten sich mit einer verdienten 3:0-Führung in die zweite Pause – und ganz offensichtlich war bei dem einen oder anderen Oltner mit dem Pausentee in der Hand in der Garderobe nicht bewusst, dass auch in den letzten 20 Minuten weiter gearbeitet werden muss. Stattdessen brach der EHCO nach dem ersten Gegentreffer komplett ein. Es bahnte sich an, machte sich der EHCO mit unsauberen Zuspielen und unzähligen Fehlpässen das Leben allmählich selber schwer. Und so rutschten die Powermäuse in eine Passivität, die von den aufstrebenden Vispern rigoros ausgenutzt wurde.
«Viel gibt es nicht zu analysieren. Jedem ist bewusst, was für Fehler wir gemacht haben. Man darf ein Tor erhalten, das gehört zu unserem Sport dazu. Aber man darf wegen eines Gegentreffers mit Sicherheit nicht so einbrechen, wie wir das getan haben», bilanzierte der NLA-erfahrene EHCO-Stürmer Roland Gerber, schluckte leer und ergänzte: «Das Positive ist, dass wir jetzt nicht lange darüber nachdenken können.» Er sprach das heutige Derby auswärts im Schoren gegen den SC Langenthal an (17.30 Uhr). Eine Reaktion ist mit der denkwürdigen dritten Niederlage in Serie jetzt erst recht gefordert.
Der SC Langenthal schlägt im letzten Drittel zu
Ähnlich wie schon gegen Winterthur waren es in Zug verschiedene Faktoren, die letztlich zum 4:2-Sieg des SC Langenthal führten. Der Gast hat ein breiter aufgestelltes Kader, ist erfahrener und hatte wohl auch deshalb zuletzt mehr Atem, um die Partie entscheidend zu beeinflussen. Während gegen Winterthur ein 0:2 gedreht wurde, verwandeln die Oberaargauer gegen die EVZ Academy ein 1:2 in einen 4:2-Sieg. Ein Grund dafür sei, so Dario Kummer, dass man im letzten Abschnitt gradliniger gespielt habe: «In den ersten beiden Dritteln haben wir ein bisschen gepröbelt und getestet. Das kann es eigentlich nicht sein.» Immerhin er sorgte auf SCL-Seite abermals für Lichtblicke. Nach 64 Sekunden lenkte er in Überzahl einen Abschluss von Brent Kelly ins Tor ab, in Minute 52 reagierte er bei einem Abpraller am schnellsten und glich die Partie aus.
Davor waren die Zuger lange Zeit besser, weil sie deutlich aufsässiger waren. Sie spielten hart, gradlinig und in der Defensive zeigten sie sich gut organisiert. Dass ein Shorthander und ein Konter zum zwischenzeitlichen 2:1 führten, war einerseits der eigenen Effizienz, vor allem aber der legeren Haltung des SCL zu verdanken. Ein Sekundenschlaf nahm der EVZ Academy mit Trainer Jason O’Leary aber dennoch die Butter vom Brot. Als Yves Müller 42 Sekunden nach dem 2:2 an die Scheibe kam, deckte ihn niemand. «Im letzten Abschnitt kamen sie kaum mehr aus dem Drittel raus», sagte Müller. Letztlich sorgte ein weiteres Blackout für das 4:2. Giacomo Dal Pian wurde, während Zugs Torhüter draussen war, von Luca De Nisco angespielt, sodass er die Scheibe im leeren Tor unterbringen konnte. Müller und Kummer waren sich trotz Sieg einig: Heute gegen den EHC Olten muss eine Leistungssteigerung her: «Wir spielen zu Hause. Wir wollen das Zepter übernehmen.» (ryl)