Der Entscheid über den Klimanotstand im Aargau ist vertagt: «Die SVP ist wenigstens ehrlich

Zwei Fraktionserklärungen, ein Postulat und ein Antrag auf Direktbeschluss: Neben der Steuervorlage stand die Sitzung des Grossen Rats gestern Dienstag im Zeichen des Klimaschutzes. Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier wurden vor dem Grossratsgebäude von sechs Vertreterinnen und Vertretern der Klimastreik-Bewegung mit Transparenten empfangen. «Wir wollen, dass endlich etwas unternommen wird», sagte die Klimastreikende Vera Becker.

Vertreter der Bewegung hatten sich mit Vertretern der Fraktionen getroffen, um ihre Forderung nach dem Ausrufen des Klimanotstands im Aargau zu deponieren (die AZ berichtete). Ein Resultat aus den Diskussionen zwischen Klimastreikenden und Politikern ist die Fraktionserklärung von SP, Grünen, GLP, und EVP-BDP. Der Grosse Rat soll den menschengemachten Klimawandel und damit den Klimanotstand anerkennen, fordern sie. Das Parlament soll sich zum Pariser Klimaabkommen bekennen und die Auswirkungen auf das Klima sowie die ökologische, gesellschaftliche und ökonomische Nachhaltigkeit bei allen betroffenen Geschäften berücksichtigen.

Wenn möglich seien Geschäfte prioritär zu behandeln, die den Klimawandel oder dessen Folgen abschwächen, sagte SP-Präsidentin Gabriela Suter, als sie die Erklärung verlas. Der Begriff «Klimanotstand» sei dabei symbolisch zu verstehen und solle keine juristische Grundlage für die Ableitung von Notstandsmassnahmen sein. Es könne nicht erwartet werden, dass das Problem durch Eigenverantwortung gelöst werde, so Suter, «es braucht griffige Massnahmen, um dieser drohenden Katastrophe entgegenzuwirken». Die vier Fraktionen reichten zudem einen Antrag auf Direktbeschluss ein, der diese Forderungen konkretisiert. In einer der nächsten Sitzungen des Grossen Rats dürfte dieser diskutiert werden.

 
FDP will keine Symbolpolitik

Ob er mehrheitsfähig ist, lässt sich bezweifeln. Denn CVP, FDP und SVP haben andere Pläne. Dies zeigte sich zuerst in einer Fraktionserklärung der FDP: «Sie gaukeln allen jungen Menschen, die sich berechtigte Sorgen um das Klima machen, vor, Sie würden sich für sie einsetzen», sagte FDP-Fraktionspräsidentin Sabina Freiermuth an die Adresse der unterstützenden Parteien. Dabei sei dies mit einem Vorstoss gar nicht möglich. Vielmehr diene dieser den Parteien als Plattform, um für Ihre Wählerschaft ein Zeichen zu setzen.

 

Freiermuth kritisierte die GLP, die sich liberal nenne, aber jetzt «ungeachtet jeglicher wirtschaftlichen Konsequenzen» Massnahmen umsetzen wolle. Auch die SP wurde angesprochen: Ob sie wirklich ungeachtet jeglicher sozialer Konsequenzen Massnahmen umsetzen wolle, fragte die FDP-Grossrätin.

Und schliesslich erinnerte sie die Grünen daran, dass Massnahmen für den Klimaschutz auch technologische Konsequenzen hätten. Die FDP wolle keine Symbolpolitik, stellte Freiermuth klar. Ihre Partei setze sich für «ökologisch sinnvolle, ökonomisch tragbare und von den Menschen akzeptierte Massnahmen» ein. Eigenverantwortung, Innovation und Forschung seien voranzutreiben und das ökologisch nützliche Verhalten könne mit Lenkungsabgaben gefördert werden.

Klimastreikende enttäuscht

Auch die CVP wolle lieber auf konkrete Massnahmen als auf Alarmismus setzen, wie Fraktionspräsidentin Marianne Binder erklärte. Eine Kombination von Ökologie und Ökonomie sei anzustreben, hingegen sei das Wort «Notstand» nicht zielführend. Dennoch: Klimaschutz sei zentral, so Binder.

Die Fraktion reichte ein Postulat ein, in dem der Regierungsrat gebeten wird, Klimaschutz als eine erstrangige Staatsaufgabe zu berücksichtigen und eine Klimastrategie zu entwickeln.

Trotz ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der Fraktionserklärung von Grünen, SP, GLP und EVP-BDP betonten sowohl Binder wie auch Freiermuth, dass sie die jungen Klimastreikenden ernst nehmen und ihre Anliegen berechtigt seien.

Für diese ist das allerdings ein schwacher Trost: «Ich bin als Klimastreikerin von der CVP und FDP enttäuscht. Unter dem Vorwand, uns keine falschen Hoffnungen machen zu wollen, plädieren die beiden Fraktionen gegen den Klimanotstandsbegriff», sagte Vera Becker nach der Debatte. Dabei habe die Bewegung explizit kommuniziert, dass auch Zeichen gegen den Klimawandel nicht zu unterschätzen seien. Dass die SVP sich gar nicht äussert, nimmt Vera Becker so entgegen: «Sie sind wenigstens ehrlich und schenken unserem Anliegen keine grosse Aufmerksamkeit.»