Der FC Aarau befindet sich gefühlt in Abstiegsgefahr

Eine halbe Stunde ist seit dem Schlusspfiff vergangen, auf der Brügglifeld-Tribüne wischen die Junioren bereits den Abfall zusammen, als Vaduz-Trainer Mario Frick abseits des Rasens steht und die Fragen der liechtensteinischen Journalisten beantwortet. Er spricht von der Geduld und der Abgezocktheit, die seine Spieler an den Tag gelegt hätten, von einem verdienten Sieg und der Freude über den Sprung auf den Barrage-Platz.

Mitten in der Unterhaltung fällt ein Satz, der überrascht, weil er viel über den momentanen Zustand des FC Aarau aussagt, darüber, wie klein sein Einschüchterungspotenzial bei der Konkurrenz geworden ist. Frick sagt: «Wir lagen nach der ersten Halbzeit 0:1 zurück, aber das war kein Grund zur Panik, ich habe der Mannschaft versichert, dass diese Partie noch lange nicht verloren ist. Aarau hat in dieser Saison schon so oft einen Vorsprung verspielt, mental waren wir zu diesem Zeitpunkt sogar im Vorteil.»

Trotz Rückstand im Vorteil? Ein Blick zurück zeigt, dass Frick genug Gründe hatte, so zu denken. Vier Mal vergeigte der FCA bis dato einen Vorsprung, das krasseste Beispiel lag eine Woche zurück: Nach drückender Überlegenheit und Führung zur Pause gingen die Aarauer gegen Schaffhausen als Verlierer vom Platz, weil sie in der Offensive die Arbeit einstellten und dem Gegner zwei Tore schenkten.

Wieder stürmisch begonnen
Und dann wiederholten sich gegen Vaduz die Ereignisse: Aarau begann wiederum stürmisch, griff die Gäste hoch an und liess in der Defensive wenig zu. Das neue System mit drei statt vier Verteidigern stellte Vaduz vor Probleme. Auch die personellen Wechsel von FCA-Trainer Patrick Rahmen schienen sich auszuzahlen: Innenverteidiger Giuseppe Leo, für den zuletzt schwachen Giger ins Team gekommen, räumte kompromisslos ab.

Der zweite Startelf-Neuling war Petar Misic, er spielte für Schneuwly, was bedeutete, dass Aarau ohne ausgebildeten Stürmer auflief. Die Offensivakteure Misic, Rrudhani, Neumayr und Balaj wechselten sich an vorderster Front ab, dies verwirrte die Vaduzer sichtlich und hatte in der 36. Minute die Führung für das Heimteam zur Folge: Misic «roch» einen Fehlpass, setzte sich im Sprint durch und schob den Ball in die entfernte Torecke. Beim 1:0 blieb es bis zum Pausenpfiff, der FC Aarau lag virtuell nur noch vier Punkte hinter den Liechtensteinern und deren sechs hinter dem Barrage-Platz.

Ammeter nach Kritik stabil und sogar ausgezeichnet
Angst vor dem Gewinnen? Überheblichkeit? Oder einfach fehlende Klasse? Wohl eine Mischung aus allem führt dazu, dass Aarau – wie schon gegen Schaffhausen – in der zweiten Halbzeit alle Vorteile aus der Hand gibt und am Ende mit leeren Händen dasteht. Abgesackt auf den achten Tabellenrang, zwei Punkte vor dem Vorletzten Schaffhausen und nur deshalb nicht in Abstiegsgefahr, weil Schlusslicht Chiasso nicht vom Fleck kommt und zwölf Punkte hinter Aarau liegt. Gefühlt aber spielt der FCA nach der Pause wie eine Mannschaft, die dem Tabellenende nah ist.

Das Unheil zeichnet sich in der 57. Minute ein erstes Mal ab, als der zuvor so stabile Leo einen einfachen Ball verfehlt, Nicholas Ammeter das 1:1 aber noch verhindern kann. Der Goalie spielt nach der Kritik in den vergangenen Tagen einen soliden Part, hält, was er muss, und wird am Ende sogar als bester Spieler des FC Aarau ausgezeichnet. Am 19-Jährigen liegt es dieses Mal also nicht, er ist machtlos, als er in der 61. Minute von einem Mitspieler bezwungen wird. Nicolas Schindelholz bugsiert den Ball ins eigene Tor, unbedrängt, unerklärlich. Wieder so ein kapitaler Aussetzer eines Aarauers. Der Trainer wird später sagen: «Wenn solche Fehler immer wieder passieren, ist es nicht mehr einfach Pech, dann ist es eine Frage der Qualität.»

Schindelholz patzt auch vor dem 1:2: Seine ungenügende Abwehr provoziert einen Freistoss für Vaduz, den Gajic in der 81. Minute wunderbar verwandelt. «Die Leistung in der zweiten Halbzeit war von A bis Z ungenügend», stellt Rahmen klar. Er weiss: Viele solcher Darbietungen können er und der FCA sich nicht mehr erlauben. Die nächsten Aufgaben, auswärts gegen Leader Lausanne und im Brügglifeld gegen die vor Selbstbewusstsein strotzenden Krienser, werden nicht einfacher.

Aarau – Vaduz 1:2 (1:0)


Brügglifeld. – 3143 Zuschauer. – SR: Dudic. – Tore: 36. Misic 1:0. 61. Schindelholz (Eigentor) 1:1. 81. Gajic 1:2.
Aarau: Ammeter; Schindelholz, Leo, Thaler (46. Lujic); Thiesson, Zverotic, Jäckle, Rrudhani; Neumayr (74. Hammerich); Misic (70. Alounga), Balaj (60. Schneuwly).
Vaduz: Büchel; Sülüngöz, Schmid, Gasser; Dorn, Prokopic (46. Gajic), Lüchinger, Antoniazzi (67. Göppel); Cicek; Sutter, Coulibaly (72. Milinceanu).
Bemerkungen: Aarau ohne Corradi, Spadanuda (beide verletzt), Hübel (Nationalmannschaft), Gashi, Pepsi und Peralta (alle nicht im Aufgebot). Vaduz ohne Schwizer (gesperrt), Hofer, Simani, Wieser (alle verletzt), Bajrami, Chande, Gomes und Saglam (alle nicht im Aufgebot). – 45. Thaler verletzt ausgeschieden. – Verwarnungen: 27. Thiesson, 40. Schindelholz, 43. Antoniazzi, 66. Sülüngöz, 72. Alounga (alle Foul).

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