Der FC Aarau bisher mit dem fast gerechten Lohn

Fussball ist ein Spiel der Gefühle. Man fühlt sich beseelt und von Freude erfüllt. Man ist nervös, zittert und bangt. Man fühlt sich betrogen und um den gerechten Lohn gebracht. Ein andermal fühlt man sich, als habe einen das Glück verlassen. Wer es mit dem FC Aarau hält, dem dürfte es gerade etwa so ergehen.

Zweimal haben die Aarauer jüngst in der Meisterschaft verloren. Sie rannten Rückständen hinterher und drückten auf den Ausgleich. Und irgendwie beschlich nicht nur den emotionalsten Fan das Gefühl, als beschenke sich die Mannschaft nicht so recht für das, was sie auf dem Rasen zu leisten imstande ist. Als werde der FCA unter Wert geschlagen. Doch entspricht das der Realität?

Gefühle haben auch etwas Trügerisches. Sie können Sinne vernebeln und in die Irre führen. Deswegen gibt es Zahlen, die Empfindungen unterstreichen, belegen oder falsifizieren. Unternehmen wie «Instat» verdienen ihr Geld mit Zahlen. Sie erheben Fussballdaten und geben sie als Statistik wieder.

Der FCA schoss fünf Tore – es hätten zehn sein können

Und in der Tat bestätigt Instat, dass die Partie vor einer Woche in Vaduz (2:1 für den Gastgeber) hätte Unentschieden ausgehen können. Instat tut das, indem es die «Expected Goals», die erwartbaren Tore, ermittelt. Die Werte setzen sich aus Unmengen an Situationen und Wahrscheinlichkeiten zusammen. Im Grunde drückt man damit aus, wie ein Ergebnis hätte ausfallen sollen – wenn Fussball denn frei von Zufall und menschlichem Unvermögen wäre.

Dem FC Vaduz und dem FC Aarau ordnet Instat Werte von 1,69 respektive 1,57 Toren zu. Das ist beinahe deckungsgleich, folglich wäre ein Remis wohl das gerechte Resultat gewesen. Deutlicher war der Unterschied eine Woche zuvor gegen Thun. Die erwartbaren Tore des FC Aarau lagen bei 2,2. Diejenigen von Thun pendelten sich bei einem Wert von 1,54 ein. Am Ende ging das Spiel 2:0 für die Berner Oberländer aus.

Noch augenscheinlicher ist die Entwicklung, wenn man die vergangenen sechs Spiele betrachtet. Seit Ende September hat der FC Aarau in der Challenge League nur fünf Tore erzielt. Statistisch gesehen wären in dieser Zeitspanne doppelt so viele zu erwarten gewesen. Es ist demnach mehr als ein Gefühl: Der FCA ist seit einiger Zeit tatsächlich zu schludrig im Umgang mit den Möglichkeiten.

Nun lässt sich zurecht einwenden, dass sich während einer Saison Wettkampfglück und -unglück in etwa die Waage halten. In den bisherigen zwölf Ligaspielen haben die Aarauer 18 Tore erzielt. Das sind lediglich zwei Tore weniger, als der erwartbare Wert es hergibt. Nur hat der FCA sein Feuerwerk schon reichlich früh abgebrannt: 13 seiner Tore sind ihm in den ersten sechs Partien gelungen. Erwartbar waren – man ahnt es – zehn Treffer. In einer Hälfte der Spiele hat die Mannschaft also offensiv über den Verhältnissen gelebt, in der anderen darunter. Das ergibt unter dem Strich eine nahezu gerechte Torausbeute.

Zur jüngsten Harmlosigkeit im Angriff gesellt sich eine neue Stabilität in der Abwehr. Bis zum sechsten Spieltag musste der FC Aarau elf Gegentore hinnehmen, ebenso viele waren erwartbar gewesen. Auch Stephan Keller ahnte, dass man mit der wackligen Abwehr wohl kaum nachhaltig erfolgreich sein würde. Also stellte er taktisch um.

Seither haben die Aarauer nur noch vier Gegentreffer erhalten, acht waren laut Instat erwartbar. Erklären lässt sich diese Diskrepanz gewiss auch durch die Leistungen von Simon Enzler. Der Torhüter hat sein Team mit Paraden schon wiederholt vor Schlimmerem bewahrt. Stellvertretend steht der gehaltene Elfmeter vor wenigen Wochen gegen Lausanne-Ouchy.

Die Statistik gibt dem Eindruck des FCA-Fans also grundsätzlich recht: Seine Mannschaft hätte mehr verdient, als es die letzten Ergebnisse hergegeben haben. Doch ebenso darf er beruhigt zur Kenntnis nehmen, dass bei manchem Zu-Null-Spiel auch das spielerische Glück beansprucht wurde.

Die Konkurrenz weist bessere Werte auf

Es lassen sich weitere Statistiken zu Rate ziehen. Man kann konstatieren, dass Thun, Vaduz und Winterthur mehr Treffer erzielt haben und ebenso bei den erwartbaren Toren leicht obenauf liegen. Die Erklärung, weshalb der FC Aarau derzeit nur an vierter Stelle liegt, ist letztlich simpel: Die Aarauer schlagen sich bis anhin ganz ordentlich. Die Teams, die davor stehen, machen es jedoch mindestens genauso gut.