«Der Hund beisst sich in den Schwanz»

Nur wenige Abstimmungsvorlagen haben in der Vergangenheit so hohe Wellen geworfen wie diejeniege über No Billag. Befeuert durch die Medien der betroffenen SRG sowie durch Privatsender – die teilweise ebenfalls am Tropf der Billag hängen – verstellt das Thema Mediengebühren den Blick auf weitere Abstimmungsvorlagen.

So steht im Aargau am 4. März eine Revision des Stipendiengesetzes zur Volksabstimmung an. Um was geht es? Unsere Kantone verabschieden sich immer öfter von ihren föderalistischen Freiheiten und schliessen sich zu Konkordaten zusammen. So auch im Stipendienbereich, wo sich der Aargau einem interkantonalen Vertrag angeschlossen und verpflichtet hat, dessen Eckwerte zu übernehmen.

Zentral ist dieser Punkt: Neben Ausländerinnen und Ausländern mit Niederlassungsbewilligung sind neu Studierende mit Ausländerausweis B (Leute aus Nicht-EU-Staaten) stipendienberechtigt, sofern sie seit fünf JahN ren im Land leben. Das verursacht Mehrkosten – zu einem Zeitpunkt, in welchem die Staatsfinanzen in Schieflage sind. Deshalb die Idee der Regierung, die Revision zugleich als Sparvorlage zu nutzen.

Um welche Summen geht es? 2016 hat der Kanton Aargau 3342 Personen mit 10 Millionen Franken auf der Ebene der Berufslehren und Mittelschulen unterstützt. 8 Millionen Franken flossen an Studierende der Universitäten, Fachhochschulen, pädagogischen Hochschulen und höheren Fachschulen (Tertiärstufe). Im Durchschnitt wird ein Stipendium von 5462 Franken pro Jahr ausgerichtet.

Angesetzt werden soll der Sparhebel bei den Studierenden der Tertiärstufe. Diese sollen fortan ihren Ausbildungsbeitrag in Form eines Stipendiums (zwei Drittel der Summe) und eines Darlehens (ein Drittel) erhalten. Sämtliche Darlehen sind innert zehn Jahren nach Ausbildungsende an den Kanton zurückzuzahlen und werden zinslos gewährt.

Dies soll zu jährlichen Brutto-Einsparungen von 3 Millionen Franken führen. Brutto deshalb, weil die Bewirtschaftung der Darlehen Geld kostet. Der Regierungsrat schätzt den jährlichen Aufwand auf 1,3 Millionen Franken – was das Sparpotenzial dieser Massnahme im Lichte der Realität auf 1,7 Millionen schmelzen lässt.

Auf den ersten Blick spricht einiges dafür, diesen Weg dennoch zu beschreiten. Eine Hochschulausbildung führt in aller Regel zu einem deutlich höheren Erwerbseinkommen, als dies nach dem Abschluss einer Berufslehre der Fall ist. Eine Mehrheit im Grossen Rat erachtete es deshalb als vertretbar, dass Studentinnen und Studenten nach Abschluss ihrer Ausbildung einen Teil des Geldes – mit welchem ihnen der Steuerzahler die Ausbildung ermöglicht hat – zurückbezahlen.

Der Haken an der Sache ist, dass ein Stipendienberechtigter auf das Darlehen verzichten kann – an dessen Stelle während des Studiums einer Erwerbstätigkeit nachgeht. Diese liefert den Studentinnen und Studenten zwar wertvolle Berufserfahrung, verlängert aber in der Regel die Dauer des Studiums.

Hier beisst sich der Hund in den Schwanz: Als Folge der längeren Studiendauer müsste der Aargau den Universitäten mehr an Abgeltungen bezahlen – verlängert ein Drittel der Studenten und Studentinnen wegen des Verzichts auf ein Darlehen das Studium, fallen beim Kanton Mehrkosten von 570000 Franken pro Jahr an. Zudem zeigt der Bildungsbericht Schweiz 2014 auf, dass eine Erwerbstätigkeit während des Studiums das Risiko eines Studienabbruchs erhöht.

Der Aargau zeichnet sich durch einen unterdurchschnittlichen Anteil an Akademikerinnen und Akademikern in seiner Bevölkerung aus (NAB-Studie 2015). Mit dem neuen Gesetz würde der Aargau bei den Stipendienausgaben künftig den letzten Platz aller Kantone belegen.