Der Kampf um die Sitzplätze: Wird der FC Aarau am Umbau des Brügglifelds gehindert?

Im Frühjahr, in der Hochphase der Coronapandemie, hat Philipp Bonorand die Geschicke beim FC Aarau übernommen. Seither mussten er und Geschäftsführer Roland Baumgartner, um nur die wichtigsten der bewältigten Hürden zu nennen, die Kurzarbeit für Spieler und Angestellte regeln, das Brügglifeld für Spiele mit 300, dann für solche mit 1000 herrichten und im Blindflug ein Budget für die Saison 2020/21 aufstellen, mit dem der Sportchef ein kompetitives Kader zusammenstellen kann. Und nun steht das Duo vor der nächsten ganz grossen Herausforderung: Das Stadion Brügglifeld so umbauen, dass ab Oktober mehr als 1000 Zuschauer die FCA-Heimspiele verfolgen können. Dabei droht die Situation, dass die FCA-Verantwortlichen zwar wollen, aber nicht umbauen dürfen.

Seit Mittwoch ist klar: Ab Oktober gilt an Fussballspielen mit mehr als 1000 Zuschauern Sitzplatzpflicht. Problem aus FCA-Sicht: Von den 8000 Plätzen im Brügglifeld bestehen lediglich 1187 aus einer Sitzschale, jene auf der Haupttribüne. Die grosszügigen Stehrampen, die sonst grossen Anteil haben am vielzitierten Brügglifeld-Charme, sind ab Oktober im derzeitigen Zustand Sperrzone. Um den Raum hinter den beiden Toren und vis-à-vis der Haupttribüne mit Zuschauern füllen zu können, muss der FCA Sitzplätze darauf bauen.

Was gilt überhaupt als Sitzplatz?

Somit sind der FC Aarau und der FC Winterthur die zwei grossen Verlierer des gestrigen Bundesratsentscheids: Beide verzeichnen pro Saison einen Zuschauerschnitt von weit über 3000, verfügen in ihren Stadien aber nur über 1187 (Aarau) bzw. 1700 (Winterthur) Sitzplätze. Alle anderen 18 Schweizer Profiklubs haben entweder viel höhere Sitzplatzkapazitäten oder einen Zuschauerschnitt von unter oder nur gering über 1000.

Die grosse Frage, auf die der FCA so schnell wie möglich eine Antwort braucht, lautet: Was gilt als Sitzplatz? Die Abklärungen mit dem Kanton Aargau, der bei dieser Frage einen Handlungsspielraum haben dürfte, laufen. Klar ist: Sitzkissen auf die Betonrampen zu legen, wird nicht genügen. Die Sitzgelegenheiten müssen unbeweglich und nummeriert sein, um personalisierte Tickets ausstellen zu können. Als Minimalvariante wäre eine Holzverkleidung denkbar, wie sie aktuell die Hockeyaner des SC Langenthal in ihrer Eishalle über die Stehplätze bauen. Nach oben sind die Grenzen offen – bis zur Stahlrohrtribüne mit Überdachung und komfortablen Plastiksitzschalen.

Womit wir beim nächsten drohenden Problem sind: Dass der FC Aarau, wenn er mehr als 1000 Zuschauer im Stadion will, zum Bau einer Sitzplatzkonstruktion gezwungen ist, die eine Bewilligung durch die Suhrer Behörden erfordert. Philipp Bonorand sagt: «Trotz der finanziell bereits sehr angespannten Lage sind wir bereit, viel Arbeit und Geld in die Covid-19-Tauglichkeit des Brügglifelds zu investieren. Wir wollen wieder so viele Fans wie möglich an unseren Heimspielen. Es besteht aber die Gefahr, dass wir nicht einmal dürfen.» Dann nämlich, wenn die Anwohner ein allfälliges Baugesuch mit Einsprachen torpedieren würden. Wovon man angesichts der seit Jahren aufgeheizten Stimmung rund um die Sportanlagen im Brügglifeld ausgehen muss.

Das erste Heimspiel im neuen Regime findet am 3. Oktober gegen Chiasso statt. Werden dann erstmals seit Februar wieder mehr als 1000 Zuschauer im Brügglifeld sein? Am Willen und am Geld wird es nicht scheitern – doch wenn sich die Hürden als zu hoch herausstellen, muss der FCA für sich weiterhin die 1000er-Grenze ziehen.