
Der König der Wälder röhrt wieder im Boowald
Um 1850 galt er in der Schweiz als ausgerottet: der Rothirsch. Ab Mitte des 20. Jahrhunderts verbreitete er sich wieder – erst zögerlich, dann dynamischer – im ganzen Alpenraum. «Immer wieder wurden seit den Sechzigerjahren auch im Aargau einzelne Rothirsche gesichtet», schreibt Erwin Osterwalder, Fachspezialist Jagd und Fischerei bei der kantonalen Abteilung Wald, in der Publikation «Umwelt Aargau». Meist seien dies junge männliche Tiere auf der Suche nach neuen Lebensräumen gewesen. Viele der Tiere fielen dem Strassenverkehr zum Opfer.
Ab 2010 wurden vermehrt Rothirsche im Aargau angetroffen – 2015 tappte die erste Hirschkuh in eine Fotofalle. 2017 tauchte auf einem Foto aus dem kantonalen Wildraum 1 (westlich der Autobahn A2 im Bezirk Zofingen) ein Hirschkalb auf – der Beweis dafür, dass sich die Rothirsche hier im Boowald etabliert haben.
Marco Caneri ist Bezirksvertreter des Vereins «Jagd Aargau» und Obmann der Murgenthaler Jäger. Ihn freut die Rückkehr des Rothirschs. Insbesondere, weil er aus eigenem Antrieb einwandert. Auswilderungen, wie sie bei anderen gefährdeten Tierarten üblich sind, betrachtet er hingegen eher skeptisch. Wie gross ist die Chance für einen Spaziergänger, im Boowald einen Rothirsch zu sehen? «Sehr gering», sagt Caneri. Zum einen seien die Tiere sehr scheu, zum anderen gebe es im Boowald sehr viel Unterholz. Persönlich ist ihm der Rothirsch nur im Rahmen von Treibjagden begegnet.
Laut Erwin Osterwalder ist die Rückkehr des Rothirsches eng mit der Sanierung der Wildkorridore verbunden. Eine grosse Barriere für die Ausbereitung in Richtung West- und Nordaargau stellten die Autobahnen dar. «Einzelne Tiere überwinden zwar die A1, ein regelmässiges Verschieben nordwärts über die Autobahn und zurück findet bis jetzt nicht statt.»
Dies wird sich ändern, wenn die A1-Wildbrücke im Suret (zwischen den Autobahnanschlüssen Aarau Ost und West) fertig gebaut ist. Was dann noch fehlt, ist eine Überbrückung des Autobahnzubringers (T5) nach Aarau. Was bedeutet die Rückkehr des Rothirschs in unsere dicht bevölkerte Kulturlandschaft? Da er sehr vorsichtig und störungsempfindlich ist, empfehle sich die Einrichtung von Wildruhezonen – mit dem Vorteil, dass er sich so dorthin lenken lässt, wo er keine übermässigen Schäden an jungen Bäumen anrichten kann. (bkr)