Der Meister des guten Kaffees aus Baden: «Für mich ist es ein Extremsport»

Ein Schwan aus Milchschaum (Sandra Ardizzone)
Ein Schwan aus Milchschaum (Sandra Ardizzone)
«Gap's Cup» im Badener Gstühl (Sandra Ardizzone)
«Gap’s Cup» im Badener Gstühl (Sandra Ardizzone)

«Vor dem ersten Kaffee Klappe halten», steht auf einem Schild vor der Tür. Der Duft nach frischem, gut geröstetem Kaffee schlägt einem entgegen, wenn man das Lokal am Gstühlplatz in Baden betritt. Hinter der Glasscheibe rauschen die Autokolonnen auf der Bruggerstrasse vorbei. Im Laden ist es am Morgen noch still, ausser wenn Gijtipong Thangsubutr die Dampfdüse an seiner mächtigen Kaffeemaschine aufdreht. «Kaffee ist meine Leidenschaft», sagt er, den alle seine Bekannten nur Gap nennen.

Diese Leidenschaft spürt man, wenn er in ruhigem Ton, aber mit blitzenden Augen von den neusten Spezialitäten erzählt, die er anbietet. Wobei Leidenschaft fast untertrieben ist. Kaffee ist sein Leben. Das sieht man auch auf seinen Armen: In Thailand hat er sich farbige Tattoos mit Kaffeeblüten und -bohnen stechen lassen.

Kaffee als Extremsport

«Für mich ist es ein Extremsport», sagt Gap. Für andere Dinge hat er kaum noch Zeit, unter der Woche steht er jeden Tag frühmorgens im Laden. Dabei hat er früher gar keinen Kaffee getrunken, bevor er von dieser schwarzen Kunst angefixt wurde. Ursprünglich ist Gap Koch, seine Lehre hat er im Kantonsspital Baden gemacht. Im Militär wurde er zum Küchenchef. Danach kochte er auf dem Golfplatz Otelfingen und im Manora-Restaurant am Schlossbergplatz in Baden. Dort hat er schliesslich die Kaffeemaschine bedient – und schon damals ganz auf Perfektion gesetzt.

Das war der Anfang einer Erfolgsgeschichte. Er könne sich kaum ein besseres Publikum vorstellen als die Badener. Sie seien viel anspruchsvoller als die Aarauer, sagt er mit einem Augenzwinkern. Er muss es wissen: Die letzten Jahre hat er bei Philippe Gacond im «Home Barista Shop» an der Aarauer Bahnhofstrasse gearbeitet. Nun kommen Baristas aus der ganzen Schweiz zu ihm, um sich Kaffeebohnen und Tipps zu holen. Gap ist in kurzer Zeit eine Art Grossmeister seines Faches geworden.

Er bietet x Varianten aller Kaffee-Arten an. Auch sogenannte Cold Brews und Cold Drips, die stundenlang durch den Filter tropfen und die er wie alle Getränke immer und immer wieder optimiert. Er schraubt am Mahlgrad, an der Durchlaufgeschwindigkeit, an der Temperatur, bis der Geschmack perfekt ist. Daheim in Dättwil feilt er in der Freizeit weiter am perfekten Kaffee. Vor seinen Wettbewerben hat er manchmal 400 Liter Milch gekauft, um zu üben. Es hat sich gelohnt: Jetzt zieren zahlreiche Trophäen sein Lokal.

Adler, Rosen oder ein Hase auf dem Skateboard

Den Shop im Gstühl, den Gap im Herbst eröffnet hat und der sich in diesen Tagen immer mehr zum Café verwandelt, hat er nach sich selbst benannt: «Gap’s Cup» – wie das englische cup für Kaffeetasse. Gap ist in Baden geboren und aufgewachsen. Er hat thailändische Wurzeln. «Aber ich fühle mich hier zuhause, Baden ist meine Heimat», sagt er. Thailand kennt er von den Ferien, und weil er dort drei Monate lang auf einer Kaffeefarm gearbeitet hat. Dampf zischt wieder aus der Maschine, und Gap zaubert im Handumdrehen einen Schwan auf den Cappuccino. Zweimal war er schon Schweizer Meister in der sogenannten «Latte Art» – der Kunst, aus Milchschaum Bilder auf den Kaffee zu zaubern.

Bei Gap sind das zum Beispiel Adler, Rosen oder ein Hase auf dem Skateboard. Seine zweite Ausbildung hat der 36-Jährige grösstenteils in der Kaffeerösterei Supremo in Unterhaching bei München gemacht. Dort habe er die Vielfalt des Kaffees erst richtig kennen gelernt.

Gap ist aktiv auf Instagram, sonst setzt er auf Mund-zu-Mund-Propaganda. Und die scheint gut zu funktionieren: Immer mehr Leute finden den Weg zu dem etwas versteckten Laden hinter dem Bahnhof. Er bietet exklusive Bohnen aus Schweizer Röstereien an, die aus Brasilien, Äthiopien, Costa Rica oder Panama stammen. Manche Röstungen gibt es nur bei ihm zu kaufen. «Ich bin sehr stolz auf mein Angebot. In der Schweiz hat wohl ausser Philippe Gacond und mir niemand so ein heftiges Kaffee-Regal.»

Zwei Kaffee bezahlen, nur einen trinken

Dabei setzt er stets auf faire Preise. «Ich habe auch einen sozialen Gedanken», sagt Gap. «Ich möchte, dass sich jede und jeder guten Kaffee leisten kann, egal wie viel Geld man in der Tasche hat.» So kann man bei ihm bald auch einen Kaffee trinken und für zwei bezahlen. Die zweite Tasse kommt dann jemandem zugute, der sich sonst keinen Kaffee leisten könnte.

«Ich möchte, dass mein Laden ein Kompetenzzentrum für Kaffee ist und ich meine Leidenschaft teilen kann.» Er habe dabei drei Ziele: Erlebnis, Genuss, und Wissen vermitteln, erzählt Gap. Er gibt sein Wissen an junge Baristas genauso gerne weiter wie an Laien, die einfach einmal etwas Neues ausprobieren möchten statt Kapselkaffee. Ein älterer Herr, der kürzlich bei ihm zu Gast war, hat plötzlich eine ganz neue Liebe für guten Filterkaffee entdeckt. Jeden letzten Mittwoch im Monat lädt Gap zur Gratis-Verkostung ein.

Er verdiene zwar bislang nicht viel Geld mit seiner Arbeit, aber es mache unglaublich viel Spass. Hat jemand, der so viel Leidenschaft für eine Sache hat, manchmal Zweifel? «Ich habe schon auch Sorgen», sagt Gap. «Aber wenn dich der Kaffee packt, dann packt er dich richtig und lässt dich nicht mehr los.» Nach und nach – und ganz ohne Bankkredite – will er sein Lokal ausbauen. Gerade kamen neue Tische hinzu, später möchte er die Wände mit Pflanzen begrünen. Seine Familie unterstützt ihn, besonders seine Schwester und sein Schwager, die im Hintergrund mitarbeiten.

Wie viel Kaffee trinkt eigentlich ein so passionierter Barista? «Etwa zehn bis zwanzig Espresso und sicher einen halben Liter Filterkaffee am Tag», sagt Gap und lacht. «Am Anfang gab es auch Momente, in denen mir schlecht wurde von so viel Kaffee. Aber mittlerweile bin ich ohne meine vier Espresso am Morgen nicht zu gebrauchen.»