
Der Neo-Aarauer Giuseppe Leo will nur spielen
In einer idealen Welt wäre Giuseppe Leo nicht seit einer Woche Spieler des FC Aarau, sondern Stammkraft bei Bayern München. Und würde derzeit mit der deutschen Nationalmannschaft in Russland weilen, um dort den WM-Titel zu verteidigen. Doch Karrieren, insbesondere jene von Fussballern, verlaufen nicht immer geradlinig bergauf. Als es Leo 2014 in die zweite Mannschaft von Bayern geschafft hat, in den Vorhof zum Ruhm, reisst im rechten Knie das Kreuzband. Neun Monate Pause. Neun Monate, in denen die interne Konkurrenz vorbeizieht und die Hoffnung auf einen Platz im Profikader schwindet, der Traum vom raschen Durchbruch in der Bundesliga erlischt. Aber Leo sagt rückblickend: «Ich bin froh, dass das passiert ist.»
Wieso das? «Erstens habe ich in der fussballfreien Zeit viel gelernt: Wie ich mich gut pflege, welche Ernährung mir guttut und wo meine Leidensgrenze ist. Zweitens bin ich heute älter und dadurch realistischer – im Schnitt schafft pro Jahr ein Nachwuchsspieler von Bayern den Sprung zu den Profis. Eine Garantie hätte es auch ohne Verletzung nicht gegeben.»
Mit mittlerweile 23 Jahren beschränken sich die Ziele des Innenverteidigers aufs Wesentliche. Leo sagt: «Ich will einfach nur spielen.»
Ein verständliches Vorhaben: Nach dem Aus bei Bayern lässt Leo 2015 seine Geburtsstadt München hinter sich. In den ersten zwei Jahren in der Reservemannschaft von Ingolstadt kommt er zwar regelmässig zum Einsatz, aber der angepeilte Sprung zu den Profis bleibt weiterhin unerfüllt. 2017 zieht er weiter nach Karlsruhe, dritte Bundesliga. Leo stösst erst im September zum Team, als gerade eine lang anhaltende Siegesserie beginnt. Gut für den Karlsruher SC, schlecht für Leo, da es für den Trainer keinen Grund zum Wechseln gibt. Also versauert Leo wieder bei den Reserven.
Vor diesem Hintergrund kann man die kritischen Stimmen nachvollziehen. Sie fragen: «Und einer mit dieser Vita soll dem FC Aarau in der wichtigen nächsten Saison weiterhelfen?» «Ich bin überzeugt, dass er das wird», entgegnet Sandro Burki. Der Sportchef hat sich mit Trainer Patrick Rahmen ein genaues Bild von Leo gemacht und dann rasch zugegriffen. «Patrick ist nach Karlsruhe gefahren, um ihn live zu beobachten, ich habe mich bei alten Bekannten von Bayern München über Giuseppe erkundigt. Alle Eindrücke waren gut, auch nach unserem Treffen mit Giuseppe in Basel.»
Der Transfer von Leo taugt auch dazu, um die aktuellen Möglichkeiten des FC Aarau aufzuzeigen und die teils hohen Erwartungen an Transfers zu bremsen. Burki sagt: «Wäre Leo in Karlsruhe Stammspieler gewesen, hätten wir keine Chance gehabt, ihn zu verpflichten. Spieler aus der dritten Bundesliga wechseln nach einer erfolgreichen Saison nicht in die Challenge League. Auf diesem Level müssen wir Spieler finden, die ihre Qualitäten gezeigt haben, denen es zuletzt aber nicht wunschgemäss lief.»
Für Leo war nach dem ersten Gespräch mit Burki und Rahmen klar, dass er nach Aarau will: «Der FCA ist ein Traditionsverein und in Deutschland bestens bekannt, schlaumachen musste ich mich nicht. Nur nachschauen, wo genau die Stadt liegt.» Seit einer Woche wohnt er mit Freundin Sabrina (machte vor einem Jahr in der Castingshow von Supermodel Heidi Klum mit) in Unterentfelden. «Sie ist sich das Nomadenleben an der Seite eines Fussballers gewöhnt und begleitet mich überall hin.»
Auch wenn es in den vergangenen Jahren hätte besser laufen können – gerade ist für Giuseppe Leo die Welt ideal. Nur etwas müsse sich noch verbessern, sagt er und lacht: «Ich wohne erst ein paar Tage in der Schweiz, bin aber schon ein paar Mal geblitzt worden. Es war mir eine Lehre.»