Der wachsame Blick des Kontrolleurs: Arbeitsinspektoren nehmen Schutzkonzepte der Betriebe unter die Lupe

Martin Blumer steht vor dem Miracle Hair Salon in Bottmingen, zehn Autominuten von der Basler Innenstadt entfernt, und weitet die Augen. Hängt das Schutzmassnahmen-Plakat des BAG im Schaufenster? Check. Blumer macht das erste Kreuz auf seiner Liste. Maske auf, eintreten, Hände desinfizieren. Geschäftsführerin Mirielle Teutschmann färbt gerade einer Kundin die Haare. Als Blumer sie zu sich ruft, lässt sie von den Locken ab, die Kundin geht draussen eine Zigarette rauchen. Blumer fragt, schreibt und kreuzt an, das Tempo ist hoch, die Mappe mit der Checkliste liegt locker auf dem Arm.

Martin Blumer ist Arbeitsmarktinspektor. Kontrollen wie jene im Bottminger Coiffeursalon hält der 51-Jährige täglich ab. Um die 140 Inspektionen dürften es für ihn seit Ende April sein, schätzt er. Das gesamte Team des Kantonalen Amts für Industrie, Gewerbe und Arbeit (Kiga) kommt auf über 500. Die Inspektoren fahren durch den Kanton Baselland, klappern grössere Orte ab und gehen in entlegene Dörfer. Eine Frage zieht sich durch ihren Alltag wie ein roter Faden: Halten die Betriebe die Schutzmassnahmen gegen das Coronavirus ein?

Täglich kontrolliert Martin Blumer im Kanton Baselland die Schutzkonzepte von fünf bis zehn Betrieben.

Täglich kontrolliert Martin Blumer im Kanton Baselland die Schutzkonzepte von fünf bis zehn Betrieben.

© Frederic Härri

Im schlimmsten Fall wird die Arbeit eingestellt

Nicht jedem Geschäft gelingt das gleich gut. Als er und seine Kollegen vom Kiga mit der Arbeit begannen, hätten sie jedes zehnte Mal etwas beanstanden müssen, sagt Blumer. Bei besonders argen Fällen, bei denen die Gesundheit von Kunden und Mitarbeitern gefährdet wird, können die Inspektoren den Betrieben die Arbeit bis auf weiteres untersagen. Doch so weit kommt es erstaunlicherweise kaum einmal. «Meistens reicht es, wenn man die Verantwortlichen auf Unzulänglichkeiten hinweist.»

Sind Schutzmassnahmen nicht ausreichend umgesetzt, bekommen die Geschäftsführer zwei Arbeitstage Zeit, um Fehler auszumerzen und Versäumnisse nachzuholen. Blumer hat an diesem Tag eine einzelne Beanstandung hängig. «Da gehe ich morgen zur Nachkontrolle vorbei», sagt er. «Ich bin überzeugt, die haben das inzwischen nachgebessert.»

Blumer, pragmatischer Kurzhaarschnitt, freundliches Gesicht, redet viel und gerne. «Vielleicht weil ich kommunikativ bin, ist das genau der richtige Job für mich», meint er. Normalerweise ist Blumer in der Arbeitsmarktaufsicht tätig. Er überprüft Entsendebetriebe und Submissionsaufträge und geht Hinweisen auf Schwarzarbeit nach. Im Zuge der Coronakrise wurde Blumer für die Kontrolle der Schutzkonzepte hinzugezogen. Sonst muss er häufig mit harter Hand durchgreifen. Jetzt geniesst er es, nicht immer nur den Bösen spielen zu müssen.

Man nimmt es Blumer ab, wenn er sagt, wie schwer es ihm fällt, dass er den Leuten zur Begrüssung nicht die Hand schütteln darf. Wie schrecklich anonym es sei, sich mit Schutzmaske bekleidet vor seine neuen Bekanntschaften zu stellen. Empathie gehört für ihn genauso zur Arbeit wie das korrekte Ausfüllen der Protokolle. «Wir sind keine Roboter», sagt Blumer. «Wir wollen nicht wie Schulmeister auftreten und den Kunden vorschreiben, was sie zu tun und lassen haben.» Ist das für einen Inspektor nicht zu lasch? Nein, findet Blumer, der sich selbst weniger als Kontrolleur denn als unterstützende Kraft versteht. «Viele sind verunsichert und überfordert mit den Schutzkonzepten. Sie haben Fragen an uns, und wir beantworten diese», sagt Blumer.

Die meisten seiner «Kunden», wie Blumer die kontrollierten Geschäftsführer nennt, wüssten das zu schätzen. Nur ein einziges Mal habe er in den letzten paar Wochen erlebt, dass jemand richtig uneinsichtig gewesen sei. Er erkläre dann, warum eine Massnahme im entsprechenden Fall so wichtig sei, sagt Blumer, der persönlich viel von den Schutzmassnahmen hält. Klar sei es für ihn als begeisterten Fasnächtler hart gewesen, als der Bundesrat im März die Basler Fasnacht auf Eis gelegt habe. «Trotzdem war es der richtige Entscheid.»

Die Schweiz öffnet, das Schutzkonzept bleibt streng

Inzwischen steckt die Schweiz inmitten einer schrittweisen Öffnung. Streng befolgt werden müssen die Schutzkonzepte noch immer – Blumers Checkliste, die er im Miracle Hair Salon in Bottmingen bereithält, datiert vom 25. April. Blumer arbeitet den Katalog ab. «Werden Arbeitskleider regelmässig gereinigt?», «Hat jede Mitarbeiterin einen eigenen Föhn?», will er von Mirielle Teutschmann wissen. Teutschmann bestätigt, Blumer nimmt es ihr ab, ohne nachzufragen. Vieles in seiner Arbeit, das hält Blumer eben auch fest, basiert auf Vertrauen. Geschäftsführerin Teutsch­mann wirkt derweil entspannt. Das liegt auch daran, dass heute ein Journalist dabei ist. Blumer hat seinen Besuch angekündigt, in der Regel erscheint der Inspektor unangemeldet.

Umfangreicher Fragenkatalog: Martin Blumers Checkliste ist mehrere Seiten lang.

Umfangreicher Fragenkatalog: Martin Blumers Checkliste ist mehrere Seiten lang. © Frederic Härri

Etwa 15 Minuten dauert Blumers Frage-und-Antwort-Spiel heute, in grossen Geschäften oder bei gröberen Problemen kann es auch deutlich länger gehen. Blumer kreuzelt sich durch die «Ja»-Spalte: Überall werden zwei Meter Abstand eingehalten, die Kasse ist mit einer Plexiglasscheibe bestückt, in der Toilette hängt ein Reinigungsplan. «Tipptop, alles wunderbar», Blumer verabschiedet sich und macht das letzte Kreuzchen. Keine Nachkontrolle nötig.