
Die Demokratie in der Corona-Falle?
Die Gemeinden stehen unter Druck. Bis Ende Jahr müssen – sieht man von Referenden ab – die Voranschläge für 2021 genehmigt sein. Wie sollen die Entscheide Corona-konform gefällt werden? An der Urne? Die Gemeinderäte stecken in der Zwickmühle, weil der Bundesrat Gemeindeversammlungen explizit vom Versammlungsverbot ab 50 Personen ausgenommen hat.
Was spricht gegen die Urnenabstimmung und für die Versammlung? Die Mitsprachemöglichkeit. An der Versammlung kann man sich einbringen – an der Urne nur Ja oder Nein stimmen. Dies dürfte auch ein zentraler Grund dafür sein, dass sich verschiedene Gemeinden (im Bezirk Zofingen Aarburg und Oftringen) wieder von der Institution des Einwohnerrats verabschiedet haben. Ein heikles Geschäft für reine Urnenabstimmungen sind Budgets, mit denen der Steuerfuss angehoben werden soll. An einer Versammlung ist es dem Gemeinderat eher möglich, mit Argumenten und in einer Diskussion eine Akzeptanz für höhere Steuern herbeizuführen.
Für die Urnenabstimmung spricht, dass alle Stimmberechtigten unabhängig ihrer persönlichen Gefährdungssituation und ihrer Furcht vor Ansteckung teilnehmen können. Speziell Vertreterinnen und Vertretern der älteren Generation ist das Risiko oft zu gross, was sie um die politische Mitwirkung bringt.
Das Resultat ist in vielen Gemeinden – sieht man von jenen mit brisanten Geschäften ab – eine schlecht besuchte Versammlung, auch wenn die in der geräumigen Mehrzweckhalle des Nachbardorfs stattfindet. Wobei man versucht ist, von noch schlechter besuchten Versammlungen zu sprechen. Der Grund ist, dass sich viele junge Stimmberechtigte um die Themen der Gemeindeebene foutieren.
Dass dem so ist, hat der Berner Politologe Rolf Burger in einer empirischen Analyse festgestellt. 18- bis 19-Jährige, aber auch 20- bis 39-Jährige seien jeweils stark untervertreten. Im Gegensatz zu ihnen findet die ältere Generation den Weg ins Versammlungslokal. Eine andere Feststellung: Hauseigentümer interessieren sich überdurchschnittlich für die Lokalpolitik. Beides zeigt, dass gefällte Entscheide nicht unbedingt im Interesse der Gesamtbevölkerung stehen müssen – weil eine aktive Minderheit über die passive Mehrheit hinweg beschliesst. Damit dies im Fall der Fälle korrigiert werden kann, gibt es das Referendum. Nur, wie in Corona-Zeiten die nötigen Unterschriften sammeln?