
Die Initianten der Kulturlandinitiativen: «Es werden Unwahrheiten verbreitet»
Am 29. November stimmt der Kanton Luzern über die zwei Kulturlandinitiativen und einen Gegenvorschlag ab. Die Initianten wollen mit einer Gesetzes- und einer Verfassungsinitiative dem Landverlust einen Riegel schieben. Sie orientierten gestern im Bio-Bauernhof Stollen bei Malters über ihre Anliegen. Der Hof wird von Sepp Bircher geführt, der sich bei der CVP engagiert und im Vorstand von Bio Suisse sitzt. Das passt – denn die Anliegen stammen ursprünglich aus dem bäuerlichen Umfeld der CVP.
«Jede Viertelstunde verschwinden im Kanton Luzern 30 Quadratmeter landwirtschaftliche Nutzfläche unter Asphalt und Beton», sagte der Agronom Franz-Xaver Kaufmann aus Egolzwil. Das entspreche der Grösse eines anständigen Familiengartens. Jedes Jahr würden im Kanton Luzern über 100 Hektaren der Produktion entzogen. «Das ist so viel wie fünf grössere Landwirtschaftsbetriebe oder 125 Fussballfelder», sagte Kaufmann, der zum überparteilichen Initiativkomitee Luzerner Kulturlandinitiativen gehört. 800 Leute könnten beim gegenwärtigen Selbstversorgungsgrad von 5o Prozent mit dieser Fläche ernährt werden; mit einem Korb voll Gemüse und anderen Lebensmitteln wurde dies bildlich illustriert.
Im Luzerner Kantonsrat wurden die Initiativen indes nur von der SP und den Grünen unterstützt. FDP, GLP und CVP stellten sich hinter den Gegenvorschlag des Regierungsrates. Die SVP lehnte Initiativen und Gegenvorschlag ab.
«Der Gegenvorschlag ist mager und kläglich», sagte Marcel Sonderegger, alt CVP-Grossrat aus Oberkirch. «Alles was an der Initiative Hand und Fuss hat, ist im Gegenvorschlag nicht mehr enthalten.» Was die Initianten stört, ist etwa, dass der Gegenvorschlag neue Fruchtfolgeflächen schaffen will, indem man beim Überbauen von bestem Ackerland den Humus aushebt und ihn auf schlechteren Boden transportiert.
«Mehr Lebensmittel sind importierbar, Land nicht»
«Das würde etwa Feuchtgebiete vernichten, die auch einen ökologischen Nutzen haben, sagt Josef Blum, Agronom aus Sempach. «Auch degradierte Flächen sind wertvolle Lebensräume für Pflanzen und Tiere», sekundierte ihn Monique Frey, grüne Kantonsrätin aus Emmen. Hanspeter Hunkeler, Landwirt aus Schötz, gab zu bedenken, dass man zwar mehr Lebensmittel importieren könne – aber eben kein zusätzliches Kulturland. Dieses habe auch dienstleistende Funktionen: Es sorge für den Erhalt von Biodiversität, für den Rückhalt von Hochwasser. Es diene der Erholung und dem Erosionsschutz.
Die Initianten der Kulturlandinitiativen fühlen sich von den Gegnern unfair behandelt. Es würden Unwahrheiten verbreitet, sagt Franz-Xaver Kaufmann. Zum Beispiel, dass ein Landwirt, der eine neue, grosse Scheune bauen wolle, dies wegen der Initiative nicht mehr könne. «Er muss nur den Verbrauch von Fruchtfolgeflächen kompensieren», entgegnet er. «Das ist aber bereits nach heutigem Recht so.» Auch die Behauptung, dass Gewerbetreibende ihre Betriebe nicht mehr erweitern könnten, wird von den Befürwortern zurückgewiesen. «Ausbauten werden von der Gesetzesinitiative ausdrücklich ausgenommen», empörte sich der Stadtluzerner SP-Kantonsrat Hasan Candan.
Der umstrittenste Punkt betrifft aber die 1140 Hektaren landwirtschaftlicher Nutzfläche im Kanton Luzern, die sich bereits in der Bauzone befinden. Eine Bebauung sei nach Annahme der Initiative nicht mehr möglich, argumentiert der Regierungsrat und stützt sich dabei auf seine Hausjuristen.
Streit um die Bauzone: Wie es Kanton Bern macht
Diese Auslegung finden die Initianten «fast bösartig», sagten sie. Sie verwiesen auf den Kanton Bern. Gemäss Josef Blum wird dort der Begriff «landwirtschaftliche Nutzfläche» ähnlich verwendet wie in Luzern. Im dortigen Bau- und Planungsgesetz von 2017 werde die Nutzfläche in der Bauzone aber von weitergehenden Einschränkungen ausgenommen. «Das müsste auch in Luzern möglich sein.» «Die Initiative betrifft nach unserm Willen nur Neueinzonungen», sagte Franz-Xaver Kaufmann. Die Entwicklung von landwirtschaftlichen Betrieben und von Gewerbe bleibe möglich. Jedoch wolle man, dass bei der Güterabwägung dem Erhalt von Kulturland künftig grösserer Wert beigemessen werde.