
Die Radquerfahrer hatten am klebrigen Dreck zu beissen
Alles deutete auf einen Start-Ziel-Sieg des zweifachen Radquer-Schweizer-Meisters Lars Forster hin. Kaum hatte das Rennen in Pfaffnau begonnen, setzte sich der MTB-Cross-Country-Europameister aus Jona an die Spitze des Feldes und dominierte die ersten drei Runden. Dann aber drehte der Italiener Gioele Bertolini auf. Gemeinsam drückten die beiden so aufs Tempo, dass der Rest nicht mehr mithalten konnte. Hinter dem Führungsduo lieferten sich der Feldbacher Andri Frischknecht und der Tscheche Emil Hekele in der Folge ein Duell, das ab Rennhälfte spannender war als jenes um den Sieg. Auf die fünfte von acht Runden ging Bertolini mit acht Sekunden Vorsprung auf Forster, der kontinuierlich an Terrain einbüsste. «Ich spürte, dass ich heute die besseren Beine habe und wagte deshalb den Angriff», meinte der zweifache italienische Meister im Ziel. Zwar hatte Lars Forster seinen Rückstand, der zwischenzeitlich eine Minute betrug, noch etwas verkleinert, gefährlich wurde der
25-Jährige dem Sieger aber nicht mehr. «Er hat mir das Leben schwer gemacht, kam technisch sauber durch und nahm mir so Zeit ab», analysierte der Geschlagene.
Kraft statt Spritzigkeit
Nach drei Siegen in Dagmersellen triumphierte Lars Forster also in Pfaffnau nicht. Seine Enttäuschung hielt sich jedoch in Grenzen: «Gioele war heute einfach besser und Platz zwei ist auch super.» Zudem habe die Strecke auch ihren Anteil daran gehabt, dass er seine Erfolgsserie auf Luzerner Boden nicht fortsetzen konnte. Der Parcours in Dagmersellen sei schneller gewesen als jener in Pfaffnau, hätte vor allem viel Spritzigkeit gefordert. «Heute, in diesem klebrigen Dreck, musste man überall stark drücken, das brauchte Kraft.» Die Kraftreserven waren bei Gioele Bertolini grösser. Der Entscheid des 23-Jährigen, im Luzerner Hinterland statt am Weltcup in Zolder (Be) zu starten, machte sich bezahlt: «Ich wusste, dass ich hier der Favorit bin, und hoffte, es klappt mit dem Sieg. Es war wichtig für mich, mein eigenes Rennen bis zum Ende durchziehen zu können.»
Vom Kollegen motiviert
Bis zum Ende «beissen» musste auch Lukas Winterberg. Der in Roggliswil aufgewachsene Athlet hatte sich «im Optimalfall» die Top Ten als Ziel gesetzt. Diese erreichte er als Zehnter, trotz missglücktem Start. Zweimal rutschte er zu Beginn aus den Pedalen. In den ersten beiden Runden musste er zudem zweimal absteigen, um die Kette wieder zu montieren, die auf einer holprigen Passage herausgesprungen war. «So ‹vergeigte› ich mir früh eine gute Position und musste das Feld von hinten aufrollen, was mir einigermassen gelang», erklärte der Fahrer des VC Pfaffnau-Roggliswil. «Ich sah stets meinen Vereinskollegen Andreas Moser vor mir und wusste, ich muss an ihm dranbleiben, auch wenn es am Ende ziemlich taff war nach dem Kräfteverschleiss am Anfang», sagte Winterberg.
Der 30-Jährige hat zuletzt sein Trainingspensum nach einer längeren Pause wieder erhöht. Laut seinem Gefühl sei er insgesamt gut unterwegs, um nächste Saison nochmals voll anzugreifen. Spätestens am Stephanstag 2019, beim vierten Cross-Race GP Luzern in Pfaffnau, dürfte er die Gelegenheit dazu erhalten.
Pfaffnau. Cross-Race GP Luzern. Elite Männer (8 Runden):
1. Giole Bertolini (It) 1:01:19. 2. Lars Forster (Jona) 0:30 zurück. 3. Emil Hekele (Tsch) 1:01. 4. Andri Frischknecht (Feldbach) 1:18. 5. Aloïs Falenta (Fr) 3:01. 6. Gilles Mottiez (Martigny) 3:10. 7. Marcel Wildhaber (Galgenen) 3:21. 8. Jeroen Meijers (Ned) 3:46. 9. Andreas Moser (Madiswil/VC Pfaffnau) 3:57. 10. Lukas Winterberg (Dallenwil/VC Pfaffnau-Roggliswil 4:34.
Elite Frauen (5 Runden): 1. Yara Kastelijn (Ned) 47:16. 2. Marlène Morel Petitgirard (Fr) 0:59 zurück. 3. Rebecca Gariboldi (It) 2:10. 4. Karen Verhestraeten (Be) 2:25. 5. Lara Krähemann (Meilen) 2:55. 6. Svenja Wüthrich (Sz) 3:01. 7. Tina Züger (Rieden) 3:10. 8. Janine Schneider (De) 3:25.
18 Medaillen gewann Hanka Kupfernagel an Rad-Weltmeisterschaften, davon acht goldene. Hinzu kommen die Silbermedaille im Strassenrennen bei den Olympischen Sommerspielen 2000 in Sydney und 35 Deutsche Meistertitel. Dem beachtlichen Leistungsausweis wurde gestern Mittwoch keine weitere Auszeichnung hinzugefügt. Beim Cross-Race GP Luzern in Pfaffnau beendete Hanka Kupfernagel das Eliterennen der Frauen fernab des Podests auf dem 13. Platz.
Ein guter Test
Umso mehr stellt sich die Frage: Weshalb «verirrt» sich eine Athletin dieses Formats, die den Frauen-Radsport mehr als 20 Jahre lang geprägt hat, ausgerechnet am Stephanstag ins Luzerner Hinterland? Die Antwort liefert die Ortschaft Kleinmachnow in der Nähe Berlins – dort, wo am 12. und 13. Januar 2019 die Deutschen Radquer-Meisterschaften ausgetragen werden. «Ich habe lange in Kleinmachnow gelebt und bin dort meine ersten Radquerrennen gefahren», erzählt Hanka Kupfernagel. Weil die 44-Jährige den zurücktretenden Veranstalter persönlich kennt, hat sie ihm die Teilnahme versprochen. «Und jetzt habe ich den Salat», meinte Kupfernagel lachend. Um sich für die Meisterschaften in Form zu bringen, zog sie den Wettkampf dem gemütlichen Festschmaus in ihrem Wohnort Freiburg im Breisgau vor. «Ich schaute, wo Rennen stattfinden und dachte, dass Pfaffnau nach Weihnachten ein guter Test ist», sagte Kupfernagel und ergänzte: «Ich mache lieber Sport als nur Kekse essen.»
Mit einem Bein gefahren
Mit dem Abschneiden in ihrem ersten Radquerrennen seit drei Jahren zeigte sich Hanka Kupfernagel trotz über fünf Minuten Rückstand auf Siegerin Yara Kastelijn (Ho) zufrieden. «Ich habe gut trainiert, kriege es aber noch nicht perfekt auf das Gelände. In den technischen Passagen bin ich wegen der fehlenden Praxis vorsichtig gefahren», bilanzierte Kupfernagel, die auf zwei neuen, zu Weihnachten bekommenen Fahrrädern unterwegs war. Erst auf den letzten beiden Runden musste sie wegen eines technischen Defekts ziemlich beissen. «Weil sich eine Platte gelöst hatte, bin ich nicht ins Pedal gekommen. Nur mit einem Bein zu fahren, ist auch nicht ohne», nahm Kupfernagel das Malheur gelassen hin.
Ihr Humor beweist: Auch zwei Jahre nach dem Abschied aus dem Spitzensport hat Hanka Kupfernagel die Freude am Radfahren nicht verloren. Das spürte sie bereits während der Deutschland-Tour, bei der sie als Regulatorin für den reibungslosen Ablauf der Wettkämpfe sorgte und die Atmosphäre am Streckenrand ihre Motivation weckte, wieder Rennen zu bestreiten. «Auch die vielen Radcamps auf Mallorca, die ich leite, machen grossen Spass», sagt Kupfernagel, «es ist toll, Kindern oder Neueinsteigern Tipps zu geben und zu sehen, dass sie das vorwärtsbringt.»