Die Samariter wappnen sich für die Zukunft

Keine schwingenden Bässe auf dem Heiternplatz, keine schwitzenden Orientierungsläufer in Rothrist und kein Streichelzoo mitten in Zofingens Altstadt: Das bis Ende August verlängerte Verbot für Veranstaltungen mit über 1000 Personen sorgte Ende April bei Organisatoren und Gästen für grosse Enttäuschung. Doch es gibt noch mehr Verlierer der Corona-Krise. Diejenigen, die im Hintergrund dafür gesorgt hätten, dass alle gesund wieder nach Hause gehen: die regionalen Samariter.

«Der Respekt ist sicher da, aber vor allem die jüngeren Mitglieder wären bereit für einen Einsatz», sagt Adrian Bertschi, Präsident des Samaritervereins Oftringen. Manuela Siegenthaler, Präsidentin des Samaritervereins Murgenthal, ist gleicher Ansicht, meint aber: «Da wir keine Übungen mehr durchführen konnten, fehlt es den Leuten ein bisschen an Sicherheit, vor allem in Bezug zur aktuellen Corona-Krise.»

Wie schlimm sind die Einnahmenausfälle, die die regionalen Samaritervereine zurzeit haben? In Strengelbach ist man optimistisch. «Wir haben noch genügend Polster, der Verein wird es überleben», sagt Präsidentin Gabrielle Widmer. Auch in Oftringen wird der Verein laut Präsident Adrian Bertschi aus diesem Grund nicht «verlumpen». In Zofingen sieht es schon schwieriger aus. Hauptsächlich, weil der Samariterverein vor kurzem ein neues Transportfahrzeug angeschafft hat. «Wir müssen darauf achten, dass die Ausgaben tief bleiben», sagt Präsidentin Regula Dubach. Für die Beschaffung des neuen Fahrzeugs habe der Verein diverse Spendenanfragen an Institutionen getätigt. «Damit konnten wir den Betrag ein wenig abfangen», so Dubach.

Abgaben an Dachverband stellt viele vor grössere Probleme

Das Kurswesen, das die Samaritervereine seit rund acht Wochen nicht mehr durchführen können, liegt jedoch allen auf der Tasche. So sagt Rothrists Vereinspräsidentin Karin Züst: «Normalerweise führen wir Erste-Hilfe-Kurse bei den 2. Oberstufenschülern durch. Das sind knapp 140 Schülerinnen und Schüler. Bis im Oktober finden nun keine Kurse mehr statt. Das belastet unsere Kasse natürlich.» Daneben gäbe es Material, das für Grossanlässe angeschafft wurde, nun abläuft und danach nicht mehr zu gebrauchen ist.

Bei vielen regionalen Samaritervereinen sind es jedoch die Abgaben an den Schweizerischen Samariterbund, die momentan am schwersten wiegen. So zahlen alle Vereine pro Mitglied sieben Franken an Abgaben. Hinzu kommen weitere Beiträge wie beispielsweise rund 200 Franken für jeden Kursleiter im Verein. Ursula Eichenberger vom Kantonalverband Aargau kontert: «Klar ist es viel, aber es ist nicht so, dass die Vereine für ihr Geld nichts bekommen.» So erhielten die Kursleiter beispielsweise ihre Ausbildungsunterlagen dafür. 

Aufgrund des Virus verzögern sich die Entscheide

Der Schweizerische Samariterbund befindet sich zurzeit innerhalb eines Strategieprozesses. Ohne die Verzögerung aufgrund des Coronavirus hätten die Vereine vielleicht bereits dieses Jahr eine reduzierte Rechnung erhalten. Ingrid Oehen, Zentralpräsidentin des Schweizerischen Samariterbundes, sagt: «Wir befinden uns mitten in der Diskussion über die Finanzierungsbasis und eine damit verbundene effiziente Geschäftsstelle.» Die Grundlage für endgültige Entscheide hätte an der Präsidentenkonferenz im März gelegt werden sollen. Aufgrund des Virus findet die Konferenz erst am 22. August statt. «Deshalb werden die Vereine die Auswirkungen der Entscheide, aller Voraussicht nach, erst nächstes Jahr spüren», sagt Oehen. Der Strategieprozess, der im Sommer 2018 startete, befasst sich laut Mediensprecherin Stefanie Oehler vor allem mit dem veränderten Umfeld. Das Ziel der Strategie «Samariter der Zukunft» sei, das Finanzierungsmodell nach Möglichkeit zu vereinfachen. «Noch vor einigen Jahrzehnten hatten die Samariter eine Art Alleinstellung bei der Durchführung von Erste-Hilfe-Kursen. Mittlerweile existieren aber auf dem Markt viele Mitbewerber, weshalb die Samariter in den letzten Jahrzehnten schleichend an Marktanteil verloren haben», so Oehler. Einbussen bei den Vereinen und Verbänden seien die Konsequenz daraus. Ausserdem habe sich unsere Gesellschaft verändert. «Während früher ehrenamtliche Einsätze über längere Zeit planbar waren, sind heute kurze und spontane Einsätze bei den Leuten eher gefragt», so die Mediensprecherin.

Nebst der vereinfachten Finanzierung, die die Vereine erst nächstes Jahr zu spüren bekommen, arbeitet der Schweizerische Samariterbund an gezielteren Hilfeleistungen. Zentralpräsidentin Ingrid Oehen sagt: «Gemeinsam mit anderen Rettungsorganisationen, die dem Roten Kreuz unterstellt sind, sind wir an einem Schutzkonzept dran. Damit soll in erster Linie das Kurswesen wieder durchgeführt werden können.» Das Konzept sei vom Bund abgesegnet und werde in den nächsten Tagen an die Mitglieder verschickt. «Wie es mit den Vereinsübungen aussieht, können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Wir warten weitere Entscheide ab», so Oehen.

Vereine erhalten 200 Masken gratis zur Verfügung gestellt

Unterdessen hat der Dachverband auch Spendenmailings versandt. Dadurch seien interessante Kontakte entstanden wie beispielsweise mit einer Stiftung, die allen Samaritervereinen, die während der Corona-Krise aktiv gewesen sind, Geld zuspricht. «Die Vereine müssen dafür nur ein Formular ausfüllen und dieses zusenden», so Oehen. Ausserdem erhält jeder Verein 200 Masken gratis zur Verfügung gestellt, die vom Roten Kreuz kostenlos zugeschickt wurden. «Die Kosten für das Porto, die Verpackung und Kommissionierung der mehreren Hundert Pakete kann der Schweizerische Samariterbund dank Einnahmen aus dem Spendenmailing übernehmen», so die Zentralpräsidentin. Dadurch, dass sich der Dachverband national bemerkbar gemacht habe, seien solche Unterstützungsleistungen überhaupt erst möglich geworden. «Wir versuchen, den Vereinen unter die Arme zu greifen, denn nur zusammen können wir die Zeit überstehen», so Oehen.