
Diese Hightech-Holzskier stammen aus einer Murgenthaler Hobbykeller-Manufaktur


Ein Murgenthaler Einfamilienhaus mit Hobbykeller – auf den ersten Blick nichts Aussergewöhnliches. Auch die Werkbank in der Mitte des Raums, die vollbehangene Werkzeugwand dahinter oder das übervolle Gestell in der Ecke gibt es in vielen anderen Häusern. Auffällig sind allerdings die Gegenstände, die ans Skifahren erinnern. Von der Decke hängt ein «Pista chiusa»-Schild, an der Rückseite der Tür ist ein grosses Sesselliftschild angeschraubt – und überall stehen Ski herum. Holzski, um genau zu sein, die einen angenehmen Holzgeruch verströmen. Und dann stehen sie plötzlich in ihrer Werkstatt, die beiden skiverrückten Marcel Gloor und Livio Schneider.
In dieser Werkstatt entwickeln und bauen die beiden Ingenieure Ski. Von Hand, auf Wunsch auch direkt mit dem Kunden oder der Kundin zusammen. «Wir verbinden Tradition mit Technik», erklärt Livio Schneider. Wie alle modernen Ski sind auch die Edellatten aus Murgenthal wie ein Sandwich aufgebaut, also Schicht auf Schicht. Ihr Kern besteht aus einheimischem Eschenholz.
Leidenschaft und Beruf als Antrieb am Feierabend
Doch wie kommen ein Murgenthaler und ein Langenthaler dazu, Ski zu bauen? «Wir sind leidenschaftliche Skifahrer, fast schon etwas Verrückte», sagt Schneider. Während einem der vielen gemeinsamen Ausflüge auf Pisten philosophierten die beiden, wie eigentlich ein Ski aufgebaut ist. «Da wir ausgebildete Systemingenieure sind, stellte sich schnell die Frage, ob wir das auch können», erzählt der Langenthaler Marcel Gloor. Schneider und Gloor recherchierten, setzten sich intensiv mit dem Skibau auseinander und fertigten erste Prototypen an. «Die erste Serie mit sechs Ski, bei der wir bereits die Herstellung diverser Typen ausprobierten, liessen wir von unseren wintersportbegeisterten Familien testen», erinnert sich Livio Schneider. Von ihnen erhofften sich die beiden ein ehrliches Feedback, welches sie auch erhielten.
Nun stehen die zwei Skibauingenieure, wie sie sich mittlerweile nennen, bereits vor der sechsten Saison. Über 70 Paar Ski haben sie gebaut. Jedes Paar handgemacht, jedes ein Unikat, ganz auf die Wünsche und Bedürfnisse des einzelnen Kunden abgestimmt. Wenn sie erzählen, wie sie dieses und jenes verändert haben, verschiedene Materialien und deren Auswirkung auf die Härte des Skis testeten, schlagen das Skifahrer- und das Ingenieurherz im Gleichtakt. Die Leidenschaft für das, was sie am Feierabend in ihrer Werkstatt tun, ist spürbar. «Wenn wir das erste Mal mit einem neuen Ski in der Gondel stehen, fühlen wir uns wieder wie kleine Kinder in den ersten Skiferien», so Gloor. Zudem seien ihre Produkte auch optimale Gesprächsstarter: «Wir werden oft in der Gondel oder auf dem Sessellift darauf angesprochen. Wenn wir dann erzählen, dass wir diese selbst hergestellt haben, sind wir im Gespräch drin», erzählt der Langenthaler. Aus diesen Gesprächen entstehen oft Testfahrten, die dann häufig in einem weiteren Paar Holzski oder einem neuen Projekt enden. Denn die beiden Ingenieure bauen nicht nur Ski, sondern erfüllen auch ganz spezielle Kundenwünsche. «Geht nicht, gibt’s nicht» so Schneider, «da dringt der Ingenieur in uns durch.»
Ein Skibauworkshop als nächstes Projekt
Die Kundschaft der beiden kommt aus der ganzen Schweiz. «Wenn wir im Winter am Montag ins Büro gehen, hören wir etwa: ‹Hei, im Hasliberg habe ich Ski Nummer 24 gesehen›. Es ist schon verrückt, wie unsere Ski auffallen», sagt Marcel Gloor.
Jedes Paar wird von den beiden mit einer fortlaufenden Produktionsnummer versehen. «Das stellt auch sicher, dass der Ski nicht einfach gestohlen und im Internet verkauft werden kann», erklärt Schneider mit einem Augenzwinkern.
Auch mit Snowboards haben die Tüftler bereits experimentiert. Richtig realisiert werden kann dieses Projekt aber erst im nächsten Jahr. Denn zurzeit sind die Holzski für die kommende Wintersaison ausverkauft und die Vier-Hände-Produktion ist ausgelastet.
«Wir wollen auf keinen Fall auf Vorrat produzieren. Bei uns erhält jeder Kunde den auf ihn perfekt abgestimmten Ski. Würden wir Teile bereits vorproduzieren, würde für uns die Identität verloren gehen», sagt Gloor bestimmt. Um einen oft geäusserten Kundenwunsch zu erfüllen, führen die beiden nun in Zermatt einen Skibauworkshop durch. «Interessierte können mit uns die verschiedenen Skitypen testen und direkt im Anschluss ihren Ski mit uns zusammen bauen. 48 Stunden später fahren sie bereits mit ihrem eigenen Holzski auf den Zermatter Pisten», sagt Livio Schneider. Auch wenn die Nachfrage gross ist, ist es den beiden wichtig, an der Handarbeit und dem persönlichen Kontakt mit den Kunden festzuhalten. «Das ist die DNA von Holzski», sagt Schneider. Wachstum dank maschineller Fertigung kommt deshalb für die beiden nicht in Frage.

