
Doppelte Hilfe aus der Heimat: Georg Heitz ist für FCA-Trainer Patrick Rahmen Mentor und Glücksbringer
Ist er es wirklich? Ja, er ist es. Georg Heitz. Nicht irgendjemand sitzt vor einer Woche beim Spiel zwischen Aarau und dem FC Wil auf der Haupttribüne im Brügglifeld. Ganz oben unter dem Dach auf einem Gartenstuhl, eingepfercht zwischen den Journalisten. Heitz, früher selber langjähriger Fussballberichterstatter, schrieb von 2008 bis 2017 fleissig mit am «Märchen des FC Basel».
Als Sportdirektor holte er Rohdiamanten wie Mohamed Salah, Mohamed Elneny und Aleksandar Dragovic in den St. Jakob-Park und füllte mit dem Weiterverkauf die Klubkassen. Acht Meistertitel, drei Cupsiege, fünf Teilnahmen an der Champions-League-Gruppenphase – unter der Ägide von Heitz und Präsident Bernhard Heusler erlebte der FCB die fettesten Jahre der Klubgeschichte. Im Juni 2017 übergab das Duo den Klub in die Hände von Bernhard Burgener und Marco Streller.
Heitz’ wichtigstes Credo als FCB-Sportdirektor lautete: Bescheidenheit. Und die strahlt er auch aus, als wir ihn fragen: «Was machen Sie denn im Brügglifeld?» Antwort Heitz: «Fussball schauen – was sonst?» Doch es steckt mehr hinter dem Besuch. Genau gesagt: Patrick Rahmen. Der Basler Cheftrainer des FC Aarau und Heitz kennen und schätzen sich schon lange. Rahmen ist U21-Trainer beim FC Basel, als Bernhard Heusler im Sommer 2008 den damaligen Fifa-Angestellten Heitz zum sportlichen Berater und später zum Sportdirektor macht. Rahmen: «Wir standen in engem Austausch darüber, welche U21-Spieler für die Profimannschaft infrage kommen.» Aus den vielen Talenten stechen zwei Trouvaillen heraus: Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka, über die Rahmen sagt: «Aussergewöhnlich! Das gibt es nur alle 20 Jahre.»
Lieber auf dem Platz als im Büro
Im Oktober 2011 verlässt Cheftrainer Thorsten Fink den FC Basel Hals über Kopf in Richtung Hamburg. Als Assistent und Vertrauensperson soll Patrick Rahmen ihn begleiten. Doch Heusler und Heitz haben andere Pläne mit ihrem U21-Trainer. Sie bieten ihm den Job als Nachwuchschef an. Eine lukrative Perspektive: Der Bezug des hypermodernen, von Gigi Oeri finanzierten Nachwuchs-Campus steht bevor. Zudem ist damals absehbar, dass der rot-blaue Höhenflug durch die Schweiz und Europa lange anhalten wird.
Insgeheim liebäugelt Rahmen mit dem Cheftrainer-Stuhl beim FCB, vom Büro des Nachwuchs-Chefs aus wäre der Weg dahin kurz. Doch Heusler und Heitz, die Rahmen gerne im Verein behalten würden, machen ihm keine falschen Hoffnungen. Der Trend, Leute aus dem Nachwuchsbereich zu Profitrainern zu machen, steckt damals noch in den Kinderschuhen. Sie sagen ihm: «Wenn du eine Karriere als Cheftrainer planst, musst du mit Thorsten Fink nach Hamburg gehen.»
Der Job beim FCB wäre der sichere Hafen. Aber Rahmen wählt die Herausforderung, weil: «Nach der langen Ausbildung war zu diesem Zeitpunkt klar, dass ich es als Profitrainer versuchen will.» Trotz 700 Kilometern Distanz zwischen Hamburg und Basel reisst der Kontakt mit Heitz nicht ab. «Wir sprechen fussballerisch die gleiche Sprache. Mit der Zeit hat sich über den Beruf hinaus eine Freundschaft entwickelt. Das gibt es nur selten im Fussballgeschäft, in dem meistens das eigene Wohlergehen im Vordergrund steht.»
Mentor und Glücksbringer
Als Rahmen 2015 in die Schweiz zurückkehrt, werden die Gespräche wieder mehr. Und noch ein bisschen mehr in diesem Herbst, als sich die jahrelange Krise des FC Aarau akzentuiert und der Verein ans Tabellenende der Challenge League fällt. «Es geht nicht darum, irgendjemandem mein Leid zu klagen. Mir ist es wichtig, andere Meinungen zu hören, gerade in schwierigen Zeiten. Ich bin nicht so vermessen und glaube, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Entweder bestärkt mich die andere Meinung in meiner Idee oder ich überlege gewisse Dinge nochmals von vorne», sagt er.
«Bei Georg weiss ich: Er macht mir nichts vor. Mit seinen Inputs kann ich etwas anfangen. Ohne mich zu fest beeinflussen zu lassen. Am Ende treffe immer ich die Entscheidungen. Ich will mir im Nachhinein nicht vorwerfen müssen, dass mich andere Personen zu etwas verleitet haben, das falsch war. Wenn, dann will ich es selber verbockt haben.»
Ist Georg Heitz Patrick Rahmens Mentor? «Ja, das kann man sagen. Mit ihm kann ich über alles reden. Seine Meinung ist wichtig für mich. Besonders schätze ich an ihm, dass er für sein Umfeld stets ein offenes Ohr hat. Aber ich möchte klarstellen: Er mischt sich nicht in die Angelegenheiten des FC Aarau ein. Bei sportlichen Fragen ist Sportchef Sandro Burki mein erster Ansprechpartner und meine Vertrauensperson.»
Zugticket ins Tessin?
Heitz berate ihn in generellen Fragen des Trainerberufs, freundschaftlich, Geld fliesse keines. Konkret: Heitz gibt Feedbacks zu Interviews, beurteilt Rahmens Verhalten an der Seitenlinie oder gibt Tipps zum Austausch mit der Klubführung. «Er hat beim FC Basel die unterschiedlichsten Trainertypen erlebt und sich mit dem Klub in einem internationalen Umfeld bewegt. Sein Erfahrungsschatz ist riesig.»
Im Schnitt treffen sich Rahmen und Heitz alle zwei Wochen oder telefonieren. Und wenn es der zeitintensive Job als Berater der Schweizerischen Fussballnationalmannschaft zulässt, stattet Heitz dem Brügglifeld gerne einen Besuch ab. Um seinen Freund Patrick Rahmen vor Ort zu unterstützen und die einzigartige Atmosphäre zu erleben. In dieser Saison klappte es bislang zwei Mal: Beim Aarauer 3:1-Sieg gegen Schaffhausen und eben vor einer Woche beim 2:0 gegen Wil sitzt Heitz im Publikum. Heisst also: Nur wenn Heitz im Stadion ist, gewinnt der FC Aarau.
Heitz der Mentor, Heitz der Glücksbringer. Am Sonntag kommt es in Chiasso zum kapitalen Kellerduell zwischen dem Vorletzten und dem Letzten. Eine Niederlage kann sich Rahmen nicht leisten, will er nicht erneut um seinen Job zittern müssen. Hat er Heitz das Zugticket ins Tessin schon besorgt?