Dorfanlass der besonderen Art: Warum die Uerke auch die Jasskarten-Grenze ist

Rund 40 Wilibergerinnen und Wiliberger trafen sich an der Moosersagi zur Wanderung an der Dorfgrenze entlang. Frisch und guter Laune nahmen sie einen anstrengenden, zwei Stunden dauernden Marsch über die Gebiete Tannholz, Maiacker und Kleinweiden in Angriff. Hinter dem Gemeindehaus an der Kühweid vorbei ging es über verschlungene Wald- und Wiesenwege zurück zum Ausgangspunkt. Sicher hätte man die Umwanderung des Gemeindebanns in kürzerer Zeit schaffen können, doch die Stopps zur Suche von alten Grenzsteinen und die geschichtsträchtige Wissensvermittlung brauchten Zeit.

René Rindlisbacher orientierte über die Grenzverläufe der Gemeinde. Auf kaum wahrnehmbare Grenzsteine von 1855, versteckt in Buchenhecken oder an Bach- und Waldrändern, wiess er geflissentlich hin. Die Uerke als Grenzbach hatte immense Bedeutung. Dieses «Scheissbächli» – wie der Dorfchroniker sie bezeichnete – bildet nicht nur die Grenze zwischen den heutigen Kantonen Aargau und Luzern, sondern lässt die Weltanschauung früherer Jahrhunderte in einem anderen Licht erscheinen.

Die Uerke als Kulturgrenze

Der schmale Bach entlang der Strasse nach Reitnau war gleichzeitig Staats- und Religions-, Datums- und Jasskarten- sowie eine Rinderrassengrenze. Während im katholischen Luzern mit deutschen Karten gejasst wurde, spielten die Wiliberger auf Berner Territorium mit französischen Karten. Auf der reformierten Seite galt bis 1582 noch der julianische Kalender, auf der katholischen bereits der um elf Tage versetzte gregorianische. Das Rotfleck-Vieh frass Berner Gras, auf Luzerner Seite weideten schwarzweisse Freiburger Rinder.

Die Macht der Berner kam auch durch den Besitz der Wasserläufe zum Ausdruck. Üblicherweise galt und gilt noch heute, dass die Mitte des Gewässers die Grenze bildet. So im Kostenfall auch für die Berner, nicht aber für die Rechte am Gewässer, wie das Fischrecht, die Wassernutzung, der Wasserbezug und das Radrecht. Diese Rechte beanspruchten die Berner an allen Grenzgewässern für sich alleine.

Ein grosses Verbrechen zu jener Zeit war das Versetzen von Grenzsteinen. Wer verbotenerweise, alte Marksteine versetzte, musste wissen, dass unter dem Stein drei kleine in besonderer Anordnung lagen. Das sträfliche Versetzen konnte so nachgewiesen werden. Mit Hilfe von René Rindlisbacher fanden die Wanderer die heute überwucherten Grenzsteine. Die Wiliberger erreichten durstig und hungrig den Ausgangspunkt Moosersagi, jedoch auch mit Extrawissen zu ihrem Dorf.