
Drohen nachträgliche Steuererhöhungen in den Luzerner Gemeinden?
Das Bundesgericht hat festgehalten, dass der Kanton Luzern die Finanzautonomie der Gemeinden verletzt hat. Es geht um den Steuerfussabtausch im Rahmen der umstrittenen Aufgaben- und Finanzreform (AFR18), die im Mai 2019 an der Urne angenommen wurde. Die für die Luzerner Gemeinden vorgeschriebene Steuersenkung um eine Zehnteleinheit war laut Bundesgericht nicht rechtens.
Damit haben die Bundesrichter eine Beschwerde der Stadt Luzern sowie der Gemeinden Meggen und Vitznau gegen die Aufgaben- und Finanzreform teilweise gutgeheissen. Das Bundesgericht hat aus Gründen der «Verhältnismässigkeit» jedoch darauf verzichtet, den Kanton und die Gemeinden zu zwingen, ihre Steuerfüsse wieder auf das Niveau von 2019 festzulegen. Der Steuerfuss bestimmt, mit welchem Faktor die einfache Staatssteuer für die Berechnung des effektiven Steuerbetrags (Staats- und Gemeindesteuer) zu multiplizieren ist.
Den Gemeinden steht es jetzt frei, den Gemeindesteuerfuss 2020 nachträglich abweichend von der kantonalen Vorgabe festzusetzen. Gibt es im Wiggertal solche Absichten? Diese Zeitung hat bei einigen Gemeinden nachgefragt. «Dieses Thema haben wir noch nicht im Gemeinderat besprochen», sagt der für die Finanzen zuständige Reider Gemeinderat Bruno Aecherli (IG) auf Anfrage. In welchem Rahmen sich der Gemeinderat Reiden die neue Ausgangslage zunutze mache, könne er deshalb aktuell nicht beurteilen. Aecherli betont, dass sowohl der demokratische Volksentscheid zum AFR18 wie auch der Bundesgerichtsentscheid zu akzeptieren seien. In Reiden beträgt der Steuerfuss 2020 2,2 Einheiten (statt 2,3). Dem hat die Gemeindeversammlung Ende 2019 zugestimmt. Reidens Budget schliesst aufgrund der mit dem AFR18 verbundenen Mehrausgaben statt mit einem Plus von einer halben Million Franken mit 12 600 Franken Ertragsüberschuss ab, betonte der Gemeinderat Ende 2019 in der Budgetierungsphase.
Keine Gemeinde sieht Handlungsbedarf
In Wikon beträgt der Steuerfuss aufgrund des Steuerfussabtausches dieses Jahr 2,4 Einheiten (statt 2,5). «Wir haben uns bei der Budgetierung auf diesen Steuerfuss eingestellt und liegen gut im Budget», sagt Gemeindepräsidentin Michaela Tschuor (CVP), «wir sehen deshalb momentan keinen Handlungsbedarf.» Der AFR18 bleibe ja in seiner Gesamtheit bestehen.
«Wir lassen 2020 so laufen und ändern nichts», sagt auch der für die Finanzen von Dagmersellen zuständige Gemeinderat Peter Kunz (CVP) auf Anfrage. Der Dagmerseller Steuerfuss beträgt 2020 1,85 Einheiten (statt 1,95). Dagmersellen hat ein Minus von 480 000 Franken budgetiert.
Peter Steinmann, Gemeindepräsident von Nebikon (FDP), betont, dass das Budget 2020 mit dieser Rahmenbedingung festgelegt worden sei. «Wir sehen keinen Handlungsbedarf.» Der Steuerfuss 2020 beträgt 1,8 Einheiten (statt 1,9 im Vorjahr). Die Gemeinde Nebikon schliesst mit einem Ertragsüberschuss von 238 000 Franken ab. Zum AFR18 äussere sich die Gemeinde weder positiv noch negativ, betont Steinmann. Das habe sie bisher getan und halte auch weiterhin daran fest.
Auch in Altishofen dürfte alles beim Alten bleiben. «Grundsätzlich halten wir am bestehenden Steuersatz fest. Es wurde aber auch noch nicht diskutiert im Gemeinderat», sagt Gemeindepräsident Thomas Roos (CVP) auf Anfrage. «Ich denke aber, das wir im Moment nichts ändern werden.» Der Steuerfuss beträgt in diesem Jahr 1,7 Einheiten. Wegen des Kantonsbeitrags an die Fusion mit Ebersecken ist ein Gewinn von knapp 610000 Franken budgetiert.
Thomas Grüter begrüsst AFR18 wegen Bildung
Der Gemeindepräsident von Pfaffnau, Thomas Grüter (CVP), sagt auf Anfrage, er wolle dem Gemeinderat nicht vorgreifen. «Unter Vorbehalt eines anderen Beschlusses des Gemeinderats würde ich sagen, dass der Steuerfuss so bleibt.» Der Steuerfuss beträgt 2020 1,85 Einheiten (vorher 1,95 Einheiten). Das Budget prognostiziert einen Aufwandüberschuss (Verlust) von 660 000 Franken.
CVP-Kantonsrat Grüter begrüsst, wie auch seine Kantonalpartei verlauten liess, dass der AFR18 vom Bundesgericht nicht grundsätzlich in Frage gestellt wurde. «Ich habe diese Reform unterstützt», sagt Grüter. Das habe nichts damit zu tun, dass Pfaffnau zu den «Gewinnergemeinden» gehöre. Thomas Grüter findet vor allem positiv, dass der Kostenverteiler bei der Bildung jetzt 50 Prozent Anteil Kanton und 50 Prozent Anteil Gemeinden beträgt. «Das wollten die Gemeinden schon seit Jahren.»
Corona-Krise wird Auswirkungen haben
Fazit unserer Umfrage: In den angefragten Gemeinden besteht bisher kein Bedürfnis, den Steuerfuss 2020 nachträglich zu erhöhen. Zu tief ist man schon im laufenden Jahr drin. Und 2021 steigt der Steuerfuss ohnehin wieder auf das Niveau von 2019. Dass der Kanton bei der AFR18-Vorlage teilweise Recht verletzt hat, scheint niemanden gross zu stören. Die Bürgerlichen sind heilfroh, dass das Bundesgericht den AFR18 in seiner Gesamtheit als rechtmässig beurteilt hat.
Harsche Kritik am Kanton und seinem Griff in die «Trickkiste» beim Steuerfussabtausch hagelte es von linker Seite. «Eine rückwirkende Steuerfussänderung ist in der Praxis kaum möglich», sagt der Stadtluzerner SP-Kantonsrat und Kantonalpräsident David Roth. Die Bürgerlichen hätten eine kantonale Steuerfusserhöhung «an der Bevölkerung vorbeigemogelt».
Die grosse und offene Frage bleibt, ob Gemeinden unserer Region für das Budget 2021 Steuererhöhungen ins Auge fassen müssen. Denn die Corona-Krise wird, das ist unbestritten, grosse Auswirkungen auf die Steuereinnahmen haben.