Durchbruch: Hochwirksame Corona-Antikörper von Schweizer Forschenden entdeckt

Die Behandlung von Covid-19 mit Medikamenten ist unglaublich schwierig. Eine einzige Pille, die in jeder Phase einer Covid-19-Erkrankung wirkt, wird es laut Forschenden auch in Zukunft nicht geben.

Antivirale Medikamente sind die Königsdisziplin

Die Königsdisziplin ist aber die Entwicklung von antiviralen Medikamenten. Und just in diesem Bereich vermeldet gestern die ETH Lausanne einen grossen Durchbruch. Die Forschenden schreiben:

«Es handelt sich um einen der wirksamsten Antikörper, die bisher gegen SARS-CoV-2 identifiziert wurden.»

Und wecken grosse Hoffnungen, vor allem für Risikopatientinnen und Patienten, welche diese präventiv einnehmen könnten. (siehe Kasten).

Urs Greber.

Urs Greber.

Bild: Frank Brüderli

«Antivirale Medikamente werden entscheidend sein», bestätigt Urs Greber von der Universität Zürich. «Sie haben zwei grundlegend mögliche Wirkungsspektren. Entweder sind sie direkt gegen die Viren gerichtet, oder sie hemmen die Funktionen des Wirts, die eine Infektion begünstigen.»

Viren können sich nur in Zellen vermehren. Ein antivirales Medikament versucht, das zu verhindern, in dem es die Viren abfängt, bevor sie in ihre angezielten Zellen eindringen. Oder in dem der Vermehrungsvorgang in den Zellen blockiert oder der Austritt der neugebildeten Viren verhindert wird.

Die gegen den Wirt gerichteten Medikamente sind nach Greber besonders interessant, weil sie zum einen eine breite Wirkung versprechen. «Ähnlich wie ein Breitbandantibiotikum gegen Bakterien. Und zum andern auch gegen Viren mit ähnlichem Vermehrungsmechanismus wirksam sein können. «Zum Beispiel bei einer neuen Pandemie durch verwandte Viren», sagt der Professor für Molekulare Zellbiologie.

Das «Trump»-Medikament für Risikopatienten

Grosse Hoffnung werden auch auf monoklonale Antikörper gesetzt, die das Eindringen des Virus in die Zelle verhindern. Monoklonale Antikörper sind Proteine des Immunsystems, die biotechnologisch nachgebildet wurden, um an bestimmte Oberflächenstrukturen des Coronavirus anzudocken. Die künstlich hergestellten Antikörper binden Strukturen auf dem Coronavirus oder blockieren Rezeptoren auf den Zellen.

Für einige Antikörper-Medikamente sind in den USA bereits Notfallzulassungen erteilt worden. Bekannt wurde einer dieser Therapien als Trump-Medikament, weil der ehemalige US-Präsident mit monoklonalen Antikörpern behandelt worden ist. Swissmedic hat noch keine Zulassung dafür erteilt, sie sind jedoch für Risikopersonen zugelassen.

Gemäss Christine Baumgartner vom Inselspital Bern werden seit Mai in kantonalen Zentren bei ausgewählten Patienten monoklonale Antikörper verabreicht. Baumgartner hat mit Kollegen der Covid-19-Taskforce die bereits verfügbaren Covid-Therapien beurteilt. Auch monoklonale Antikörper. «Diese Therapie kann angewendet werden bei Personen mit milden Symptomen und einem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf», sagt Baumgartner.

Vor allem bei Personen mit Immunschwäche. «Sinnvoll kann die Verschreibung derartiger Biopharmazeutika auch bei stationär behandelten Patienten sein, die noch nicht genügend Zeit hatten, ihre eigenen Abwehrkräfte zu mobilisieren», schreiben die Taskforce-Autoren in einem Policy Brief.

Es gibt noch weitere Varianten antiviraler Medikamente. Zum Beispiel arbeitet ein Konsortium von Forschungsfirmen in den USA wie auch die Zürcher Firma Neurimmune mit mRNA. Wer mRNA erhält, stellt für eine Weile in seinem Körper die Antikörper selbst her.

Molnupiravir soll Risiko einer Spitalanweisung halbieren

Eine weitere Möglichkeit ist Moleküle zu finden, welche die Viren binden und so verhindern, dass Viren in die Zelle eindringen. Dazu gehören unter anderen DARPin, synthetische Proteine, die Antigene binden. Das macht auch das Medikament Ensovibep, ein synthetisches Protein der Zürcher Firma Molecular Partners. Von den Medikamenten, welche die Vermehrung in der Zelle blockieren, wird in der Schweiz Remdesivir eingesetzt. Das geschieht mit einer Blockade eines Virus-Enzyms, das RNA-abhängige RNA-Polymerase heisst.

Das ist auch das Prinzip des von Merck lancierten Medikaments Molnupiravir. Gemäss den Angaben des Herstellers soll es bei Infizierten das Risiko einer Spitaleinlieferung um die Hälfte reduzieren. Der Pharmakonzern will nun in den USA eine Notfallzulassung für das antivirale Medikament beantragen. Dazu sagt Greber: «Molnupiravir muss vor einer schweren Covid-19-Erkrankung verabreicht werden, damit es anti-virale Wirkung zeigt. Es ist noch zu früh zu sagen, wie gut die Wirkung ist. Die Testdaten müssen vergrössert werden.»

Remdesivir verkürzt den Spitalaufenthalt

In ihrer Beurteilung der wenigen wirklich eingesetzten Covid-Medikamente hat die Taskforce festgestellt, dass Remdesivir die Dauer des Spitalaufenthalts verkürzt, sich aber nicht positiv auf die Sterblichkeit auswirkt. Am meisten eingesetzt wird in der Schweiz das anti-entzündliche Medikament Dexamethason als Standardbehandlung für Menschen, die Sauerstoff benötigen.

Grosse Studien zeigen, dass die Sterblichkeitsrate dank dieses Medikaments deutlich sinkt, zwischen 17 und 34 Prozent. Ebenfalls eine Verringerung der Sterblichkeit um etwa 15 Prozent zeigen jüngste Studien zu Tocilizumab, ursprünglich ein Rheumamittel.

Ein interessantes Medikament könnte gemäss der Taskforce auch das Antidepressivum Fluvosamin sein, das stimmungsaufhellend wirkt. «Im Mausmodell und in In vitro-Studien hat man festgestellt, dass Fluvoxamin auch antientzündliche Wirkungen hat», erklärt Baumgartner.

Die Therapien mit Hydroxychloroquin, Colchicin, Lopinavir/Ritonavir und Beta-Interferon haben gemäss der Taskforce dagegen keine deutliche Verbesserung gezeigt. Besser ist es, die Erkrankung gar nicht entstehen zu lassen.