Durchdenwald

Mein Arbeitsort ist nun Zofingen, mein Wohnort bleibt Bern. Ich gehöre damit neu zur Spezies der Pendler. Doch dank unseres hervorragenden ÖV-Angebots sind die 70 Kilometer Distanz zwischen den beiden Städten ein morgendlicher Katzensprung. Gerade mal 27 Minuten dauert die Fahrt mit dem Intercity-Zug. Gerade lang genug, die Zeitung zu lesen. Einen grossen Nachteil der rasanten Fahrt über die Bahn-2000-Strecke jedoch erkannte ich erst, als ich zu Trainingszwecken morgens um sechs Uhr in Bern aufs Rennvelo gestiegen und Richtung Zofingen losgefahren war: Im Zug lässt man die halbe Schweiz links liegen. Man erfährt nicht, dass der Frühnebel um Zauggenried die Brille so stark beschlagen kann, dass man auch auf dem Velo einen Scheibenwischer bräuchte. Man erfährt nicht, wie viele Pendler schon vor sieben Uhr mit den E-Bikes mit Leuchtwesten Richtung Bern rasen. Man erfährt auch nicht, wie verkehrsarm die Routen von Veloland-Schweiz sind, auch wenn man dafür das eine oder andere Schlagloch in Kauf nehmen muss. Man erfährt nicht all die schönen Flurnamen, die sich links und rechts entlang der Bahnstrecke tummeln. Vom bekannteren Wankdorf über den Wiliwald zu Oberösch und Niederösch. Weiter über Hellsau, Nieder- und Oberönz zu Bettenhausen. Man erfährt auch nicht drei Kantone und erfährt im Zug auch nichts vom mächtigen Luzerner Kloster St. Urban, das sich direkt hinter der Grenze des Kantons Bern erhebt. Man fährt auch nicht durch den Wald nach Vordemwald. Und man erfährt im Zug auch nicht, wie hilfsbereit ein Kurier-Fahrer morgens um halb acht ist, wenn man selbst einen platten Reifen und ausgerechnet an diesem Tag das Flickzeug vergessen hat. Man erfährt damit schliesslich nicht, wie gut sich ein Lieferwagen einer Wäscherei zum Velotransport eignet.

Bsetzistei ist die wöchentlich erscheinende Kolumne aus der Feder der Redaktorinnen und Redaktoren des Zofinger Tagblatts und der Luzerner Nachrichten.