Ebbe in der Vereinskasse: Cevi Verkehrsdienst Murgenthal braucht neue Einnahmequellen

Keine Frage, der Mann ist auf Zack. «In einer Viertelstunde bin ich zu Hause, möchten Sie bei mir vorbeikommen?», heisst es am Telefon. Ganz schön spontan. Aber für den Cevi-Verkehrsdienst, für den er wohl seine ganze Freizeit einsetzt, findet David Künzli immer Zeit. Sogar an seinem 54. Geburtstag, wie er später in einem Nebensatz erwähnt. Bei ihm greife eben Beruf und Hobby zusammen, meint Künzli, der sich nach 25 Jahren bei der Kantonspolizei selbstständig gemacht hat im Bereich Verkehrssicherheit und Ausnahmetransportbegleitungen. Nebenbei unterrichtet er auch noch an der Interkantonalen Polizeischule in Hitzkirch.

Doch zuerst zurück ins Jahr 1995, dem Gründungsjahr des Cevi-Verkehrsdiensts. Bei der Cevi-Jungschar Murgenthal-Fulenbach gab es damals – gemessen an der Zahl der Kinder – zu viele Leiter. Zudem brauchte die Jungschi Geld für ein neues Vereinsgebäude. «Im Sommerlager wurden unter den Leitern Ideen gewälzt, welche sinnvolle Freizeitbeschäftigung mehr Jugendliche zum Mitmachen bewegen würde», erinnert sich David Künzli. Schliesslich wurde Künzlis Idee, junge Leute für einen Verkehrsdienst auszubilden, weiterentwickelt. Am 16. August 1995 wurde der Cevi-Verkehrsdienst Murgenthal gegründet. Zu den Gründern gehörten neben David Künzli auch Thomas Balmer, Pascal Buchs, Davide Ehrensperger, René Kägi, André Ruf, Markus Tritten und Philipp Zimmerli.

Bescheidene Anfänge, rasches Wachstum

Der Anfang ging nicht ganz einfach vonstatten. Nur je zwei Einsätze gab es in den ersten beiden Jahren, wie sich David Künzli erinnert. «Im dritten Jahr begann die Nachfrage nach unseren Dienstleistungen stark anzuwachsen», so Künzli. Der Verkehrsdienst machte sich schliesslich selbstständig; am 1. Januar 2000 wurde ein Verein gegründet – gleichzeitig sei auch die Ausbildung professionalisiert worden, wie Künzli zu verstehen gibt. Der Peak sei ums Jahr 2005 herum erreicht worden, als man etwa 180 Einsätze im Jahr leistete. «Eindrücklich», findet Künzli das, wenn man bedenke, dass die Einsätze mit den meist Jugendlichen Vereinsmitgliedern ja nur an den Wochenenden stattfänden.

Die rund 60 Verkehrskadetten leisten in einem normalen Jahr rund 50 Einsätze bei Geschäftseröffnungen, Umzügen, Sport-Events, Discos oder Partys. In den letzten Jahren hat sich der Cevi-Verkehrsdienst auf Grossanlässe wie Open Airs und Festivals spezialisiert. «Wir sind die einzige Verkehrskadetten-Organisation in der Schweiz, die über ein eigenes, sehr umfangreiches Signallager verfügt», betont David Künzli. Entsprechend könnten die Murgenthaler Verkehrskadetten auch umfassendere Dienstleistungen im Bereich der Event-Logistik als ihre Mitbewerber erbringen, führt der Technische Leiter des Verkehrsdiensts aus. Dank der grossen Erfahrung und dem umfangreichen Signallager sei der Cevi-Verkehrsdienst heute in der Lage, auch Grossanlässe mit bis zu 100 000 Personen mit eigenem Material durchzuführen. «Wir übernehmen dann für den Veranstalter auch die Ausarbeitung eines Verkehrskonzepts, das Erstellen eines Verkehrsplans sowie die dazu notwendigen Abklärungen mit den zuständigen Behörden und den anderen involvierten Partnern wie Sicherheitsdienst, Sanität oder Shuttle-Busbetrieben», sagt David Künzli mit berechtigtem Stolz.

So würden zum Beispiel am Argovia-Fäscht jeweils rund 30 Gelenkbusse auf den vom Cevi-Verkehrsdienst ausgesuchten Shuttlebusrouten verkehren. In letzter Zeit habe man auch das Ticketing, sprich den Parkgebühreneinzug, professionalisiert und ausgebaut. «Gerade bei Grossanlässen geht die Arbeit unserer Verkehrskadetten weit über den eigentlichen Verkehrsdienst hinaus», betont David Künzli.

Mitmachen bei den Verkehrskadetten aus Murgenthal kann man ab 14 Jahren. Das Durchschnittsalter liege bei rund 18 bis 20 Jahren, die beiden Geschlechter seien etwa gleich stark vertreten, sagt David Künzli. Verkehrskadetten würden früh lernen, Verantwortung zu übernehmen, wobei sie eine gewisse Selbstständigkeit schon mitbringen müssten, meint Künzli. In diesem Sinn sei das durchaus auch eine Lebensschule.

Wieso aber stellen sich Jugendliche in diesem Alter an Wochenenden zur Verfügung, um auf einer Kreuzung den Verkehr zu regeln oder Autofahrer in einen Parkplatz einzuweisen, wenn ihre Kolleginnen und Kollegen in den Ausgang gehen? «Wir haben einen tollen Teamgeist und es macht natürlich Spass, bei grossen Veranstaltungen mitten unter den Stars präsent zu sein», führt David Künzli aus. Zudem würden auch alljährlich diverse Weiterbildungsanlässe angeboten. «Wer kann schon – wie das unsere Einsatzleiter 2019 durften – mit einem grossen Motorboot der Wasserpolizei Zürich in See stechen?», fragt Künzli rhetorisch. Oder am Heitere: Ab etwa 21 Uhr stünden die Verkehrskadetten nicht mehr im Einsatz, dann dürften sie nach Absprache mit dem Organisator die Konzerte besuchen. Entsprechend dem Motto des Cevi-Verkehrsdiensts: «Mittendrin statt nur dabei».

Zudem würden die Verkehrskadetten in verschiedenen Bereichen professionell ausgebildet. Zur Grundausbildung gehörten Verkehrszeichengabe, Erste Hilfe, der Umgang mit den Funkgeräten, Signalisation und ein wenig Selbstverteidigung. Später kämen der Einsatz von Feuerlöschern (für Kadetten 2) und Pannenhilfe (für Kadetten 3) dazu.

Fähige Verkehrskadetten würden dann ab 18 Jahren in der Kaderausbildung zum Einsatzleiter 1 ausgebildet, beispielsweise in der Einsatzplanung oder der Personalführung. Einsatzleiter 2 müssten sich ausführliche Logistik-Kenntnisse aneignen – Verpflegung und Unterkunft organisieren, notwendiges Material und Fahrzeuge bereitstellen, die Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen wie Polizei, Feuerwehr oder Sanität abklären.

Ein Einsatzleiter 3 müsse schliesslich in der Lage sein, einen Grossanlass für den Verkehrsdienst selbstständig vorzubereiten und dabei die Sicherheitsbestimmungen und Notfallszenarien korrekt umzusetzen. «Eine derartig vielfältige Ausbildung kann man im Leben immer wieder brauchen», ist David Künzli überzeugt – und sie dient den Mitgliedern auch als solide Grundlage für eine spätere, interessante Arbeitsstelle. 

Die Wertschätzung ist zu spüren

«Wir erfahren sehr viel Wertschätzung für unsere Arbeit», betont David Künzli, sowohl von Veranstaltern als auch in der Zusammenarbeit mit den Partnerorganisationen. Und im Grossen und Ganzen sei auch die Akzeptanz von Seiten der Autofahrer sehr gut. Dass es unter 1000 Autofahrern jeweils einen «Chnuschti» gäbe, der alles besser wisse, sei normal. Im Umgang mit renitenten Autofahrern würden die Verkehrskadetten stets versuchen, deeskalierend zu wirken. «Wir müssen ja kein Territorium verteidigen», betont David Künzli, «aber wenn eine gewisse Linie überschritten wird, wenden wir uns an die Polizei.» Das sei jedoch höchstens einmal im Jahr notwendig. «Das ist wenig bei fünfzig, meist grossen Anlässen mit mehreren 1000 Fahrzeugbewegungen», findet der Technische Leiter des Cevi-Verkehrsdienstes.

Im Normalfall sei der Umgang mit den Autofahrern unkompliziert und die Arbeit der Verkehrskadetten würde geschätzt – auch durch die Mithilfe der Kadetten ausserhalb des eigentlichen Einsatzes. Der Klassiker diesbezüglich sei das Volksschlager Open Air auf dem Heitern, sagt David Künzli schmunzelnd. «Da hat es um Mitternacht regelmässig etwa ein Dutzend ältere Leute, die ihr Auto auf den zahlreichen Parkplätzen nicht mehr finden können.» Da helfe es schon, nach der Ankunftszeit zu fragen, dann könnten die Kadetten ungefähr sagen, wo sich das Fahrzeug befinden könnte. In Erinnerung geblieben sei auch ein Verkehrsdienst-Einsatz am «Blauen Salon» in Safenwil, wo ein Stoppelfeld, das als Parkplatz diente, von sintflutartigen Regenfällen so aufgeweicht wurde, «dass wir am Schluss 170 Autos mit dem Traktor aus dem Schlamm ziehen mussten».

Keine Reserven in der Vereinskasse

Solche Geschichten können die Murgenthaler Verkehrskadetten momentan nicht schreiben. Keine Anlässe – keine Einsätze. Und vor allem keine Einnahmen. «Wir sind finanziell momentan in einer schwierigen Lage», gibt denn auch David Künzli zu. Weil in der Kasse keine grossen Reserven vorhanden seien und Ausgaben wie Versicherungsprämien, Mieten und Funkgebühren trotzdem bezahlt werden müssen, «befinden wir uns aktuell in einer schwierigen Situation; in der Kasse fehlen rund 5000 bis 10 000 Franken». Um die Vereinskasse etwas aufzubessern, haben die Verkehrskadetten vorübergehend Hausräumungen in ihr Angebot aufgenommen. Zusätzlich hat der Cevi-Verkehrsdienst auch ein Crowdfunding-Projekt gestartet, das unter lokalhelden.ch mit einem Beitrag unterstützt werden kann. Ziel soll es sein, bis im Frühling durch verschiedene Projekte mindestens 5000 Franken zusammenzutragen. Weil das Geld für neue Uniformen fehlt, können momentan auch keine neuen Mitglieder aufgenommen und ausgebildet werden. Denn das Ziel bleibe, so David Künzli, «Jugendlichen weiterhin eine sinnvolle und zukunftsorientierte Freizeitbeschäftigung anbieten zu können.»