EHCO-Trainer Söderström: «Würde am liebsten die Zeit zurückdrehen»

Headcoach Fredrik Söderström rollt die Saison auf – und gibt einen Einblick in die Garderobe, spricht über die Stunden nach dem Viertelfinal-Aus und der 42-Jährige sagt, warum die Geduld der Schlüssel zum Erfolg ist. Fredrik Söderström, der eine weitere Saison beim EHC Olten bleibt, über:

Die verpatzten Playoffs

«Ich war nie gestresst vor einem Duell gegen den SC Langenthal, aber ich hatte von Anfang an Respekt, weil sie mit drei Meistertiteln in den letzten acht Jahren wissen, wie man Playoffs gewinnt. Man sollte nie den Rivalen loben, aber ich muss gestehen, dass Langenthal es sehr gut gemacht hat, unsere Fehler ausnutzte und uns fair geschlagen hat. Wir hatten den Hockey-Gott nicht auf unserer Seite. Spiel 1: Ich sah gestresste Spieler, die das Spiel um jeden Preis gewinnen wollten. Wir hatten zwei grossartige Comebacks, Garrys Penalty und dann Dion Knelsens Shorthander – und dann bekamen wir ein meiner Meinung nach billiges Tor in der Verlängerung. Ok, wir stehen wieder auf, Spiel 2: Wegen eines Autounfalls kamen wir in den Stau, wir erreichten Langenthal 90 Minuten später als geplant. Trotzdem führten wir 3:1, Stan Horansky hatte die grosse Chance, auf 4:1 stellen, stattdessen erhalten wir das 2:3. Wir erhielten eine unnötige Strafe, 3:3. Wir hatten wieder fünf, sechs grossartige Chancen, das Spiel zu entscheiden, wir trafen nicht, sie skorten. Wir standen wieder auf,  reagierten gut, gewannen 7:0. Mein grosses Mysterium aber ist Spiel vier: Weshalb konnten wir den Schwung nicht mitnehmen? Weshalb waren wir mental nicht bereit. Selbst mit 1:3 nach Siegen gaben die Spieler nie auf, nie kam das Gefühl auf, wir könnten es nicht schaffen. Und dann das Corona-Virus mit dem Austragungsverbot des Bundes: Es war das schlechteste Spiel, das ich je coachte – in so vielen Hinsichten. Die Konsequenzen auf diesen Entscheid waren enorm, für den Klub im wirtschaftlichen Bereich, für das Team, für die Fans im Sportlichen. Das ist sehr traurig, ich will es nicht wieder erleben müssen. Ich bin überzeugt: Mit den Fans im Rücken hätten wir das Spiel gewonnen. Ich will keine Ausreden suchen, aber es zeigt bloss auf, wie plötzlich alles gegen dich laufen kann.»

Die Stunden nach dem Aus

«Das Saisonende folgt im Eishockey viel zu oft unerwartet und abrupt. Ich habe tief im Herzen immer daran geglaubt, dass wir dieses fünfte Spiel gewinnen und die Serie kehren können. Ich habe nie über die Eventualität nachgedacht, dass es an diesem Abend zu Ende sein könnte. Die erste Stunde nach dem Aus war gespenstisch, umso mehr wegen des Corona-Virus und des Geisterspiels. Man hörte keine Leute rumschreien, man hörte keine Fans, die sich unterhalten, da war einfach nichts. Für eine lange Zeit. Ich sah Spieler, die grosse Emotionen zeigten, die ich zutiefst respektiere. Tommy Sjödin und ich sassen im Coaching-Büro und starrten in eine Leere, nach einer langen Weile begannen wir zu sprechen: ‘Das wars!’ Die Enttäuschung und der Frust sitzt tief, man würde am liebsten die Zeit zurückdrehen und die Serie von vorne beginnen lassen. Wir begannen in einer ehrlichen, aber guten Art über das Erlebte zu sprechen. Diese ersten Stunden sind enorm wichtig für die Verarbeitung. Ich hielt vor dem Team nur eine kurze Rede, ich sah keinen Grund, mich bei den Spielern auszulassen und ihnen mein Frust spüren zu lassen. Aber ich sprach aus meinem Herzen. Ich bedankte mich für die Reise, die wir gemeinsam hatten. Ich bedankte mich dafür, ihr Coach zu sein. Aber es ging nicht nur darum, zu sagen: ‘Hey, shit happens!’ Ich sagte ihnen auch, dass wir in der Analyse hart sein müssen und evaluieren müssen, warum wir scheiterten. Ich blieb dann auch bis etwa vier Uhr morgens in der Garderobe und da sassen noch immer Spieler, die einen Teil der Ausrüstung trugen. Sie tranken Bier, hörten Musik, brachten lustige Episoden von der Saison hervor, machten sich lustig über sich selber – aber in einer positiven Art. Weisst du noch, als wir… All das zeigt, wie sehr die Mannschaft lebte und wie sehr die Spieler gerne die Saison weitergeführt hätten. Mir schoss beim Nachhauseweg in den Kopf, dass ich einige vielleicht nie wieder sehen werde. Aber auch das gehört zum Sport. Ich lernte schon früh, dass es in solchen Momenten nichts bringt, nach Hause zu gehen und die eigenen vier Wände voll zu weinen. Diese harten Erlebnisse zu teilen und darüber zu sprechen, ist wichtig.»

Die Reaktionen

«Ich hatte bereits gute Gespräche mit einigen Spielern, die sehr ehrlich waren. Und auch ein sehr hartes Urteil über sich selbst fällten. Manchmal musste ich sie unterbrechen und festhalten: Vergiss nicht, was du in all den Spielen zuvor für dieses Team gemacht hast. Ich traf mich mit den Imports und sie fühlen sich beschämt und blamiert. Und das nimmt Formen an, die mich sehr berühren. Ich wachte am Samstag auf und ging etwas einkaufen. Ich fragte mich: Sollte ich einen Hut tragen? Wie reagieren die Leute, wenn sie mich erkennen? Werfen Sie rohe Eier gegen mich? Werden sie handgreiflich? Wie funktioniert das hier in der Schweiz? Eine Frau hatte mich tatsächlich angeschrien, bis ich verstand, dass sie sich über mich nervte, weil ich auf ihrem Privatparkplatz parkierte. Aber ich empfand meine Zweifel berechtigt, denn wir hatten in den Playoffs solche Szenen erlebt. Nach Spiel vier warteten Fans vor dem Kleinholz auf unsere Rückkehr mit einer Message, die ich nicht verstand. Sie bedrängten einige Spieler, forderten sie zu einer Aussprache heraus. Ich denke nicht, dass diese Leute die normalen EHCO-Fans repräsentieren. Einer blies mir seinen Zigarettenrauch ins Gesicht und ich fragte ihn: ‚Denkst du wirklich, dass solche Sachen helfen?‘ Ich weiss, dass dieser Zwischenfall einige Spieler beschäftigte. Es beeinflusste uns nicht, aber es war sicher auch nicht förderlich.»

Die Erholung

«Es fällt mir schwer, andere Gedanken zu finden. Ein Hockeycoach skatet nicht umher, macht keine Checks, aber der Job ist trotzdem sehr fordernd, vor allem mental. Ich träume sogar oft von meiner Arbeit und sobald ich aufwache, überlege ich mir, was man hier und dort besser machen könnte. Ich habe während der Saison versucht, zu lernen, kleine Auszeiten zu nehmen. Ich habe lernen müssen, einen Film zu sehen oder ein Buch zu lesen. Und wenn dann plötzlich die Saison zu Ende ist, dann versucht man nach Luft zu schnappen, man versucht zu atmen. Ich versuche zu analysieren, aber das braucht Zeit, man muss dabei die Emotionen beiseitelassen. Ich habe mir am Samstag ein nettes Essen zubereitet und machte einen Spaziergang zur Teufelsschlucht. Das war wichtig, denn auf dem Weg dahin, sagte ich mir: ‘Hey, Kopf hoch, zerfliesse nicht in Selbstmitleid, das Leben geht weiter’. Und dann trafen wir uns am Montag zu einem Gespräch ohne Spieler, das allen Beteiligten gut tat.»

Die Selbstkritik

«Wir hatten in den Playoffs nicht den richtigen Charakter. Und damit meine ich: Wir waren nicht so gut vorbereitet, wie es den Anschein machte, um Playoff-Eishockey zu spielen. Eishockey in den Playoffs ist nicht zu vergleichen mit dem grauen Qualifikations-Alltag: Gute Entscheidungen treffen, starke Defensivarbeit, Zweikämpfe gewinnen, keine individuelle Fehler begehen – es braucht von allem etwas mehr. Auch fanden wir alle nie den Spieler, der alle überrascht und über sich hinauswächst. Wir rutschten von der Regular Season förmlich in die Playoffs. Ich hätte gerne den Moment erlebt, in dem wir das Team wegen schlechten Resultaten hätten herausfordern müssen. Doch dieser Moment kam nie, denn wir gewannen ohnehin auch mit mässigen Leistungen. Ich hätte aber in schwierigen Spielen härter sein müssen mit den Spielern, aber gleichzeitig vertraute ich dem Team, weil wir sehr viele Spieler in den eigenen Reihen hatten mit unglaublich viel Playoff-Erfahrung.

Niemand wuchs über sich heraus. Alle Spieler waren sehr professionell, demütig, sehr nett zueinander. Aber in einem Team braucht es auch Teufel, die es hassen zu verlieren. Spieler, die es hassen, im Training eine 5-gegen-5-Übung zu verlieren. Doch es gab bei uns nie eine Szene, in der ich Spieler zurückhalten mussten, weil sie durchstarteten. Wir hatten nie das Böse in uns. Vielleicht habe ich es unterschätzt, vor den Playoffs das Feuer zu entfachen. Wir schafften es aber auch als Team nicht. Das ist bedauerlich.»

Die Qualifikation

«Ich erinnere mich an die Vorbereitung im August an das Testspiel in Biasca gegen Ambri: Ich hatte keine Ahnung, ob unser Niveau reichen würde. Ich war dann überrascht, trotz Niederlage, wie gut wir waren. Wir taten uns aber schwer in den ersten zehn, zwölf Spielen. Heute bin ich glücklich darüber, denn es entsteht in schwierigen Zeiten etwas im Team, man rückt zusammen. Wir hatten einige Details verändert, wurden besser und besser, bis wir irgendwann aus 19 Spielen 17 Mal gewannen. Die Ausländer begannen zu skoren, die jungen Spieler verbesserten sich in grossen Schritten. Ich fühlte, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Es mag komisch klingen, aber ich hätte rückblickend im Januar gerne eine Phase eingezogen, in der wir in Schwierigkeiten geraten wären und harte Niederlagen hätten einstecken müssen. Ich bedauere, dass es nie den Moment gab, in welchem wir eine Bombe anzünden mussten, um den Spielern zu verstehen geben: Das reicht so nicht. Letztlich waren wir zwei Punkte hinter Traditionsklub Kloten und Cupsieger Ajoie klassiert. Im Nachhinein schmerzen insbesondere die Niederlagen bei Thurgau und zu Hause gegen die GCK Lions in der Overtime. Was wäre, wenn wir diese Punkte noch auf dem Konto hätten?»

Seine Hausaufgaben

«Es war ein sehr interessantes Jahr. Ich habe viel über die Schweizer Mentalität gelernt. Es ist eine andere Kultur. Ich werde überlegen müssen, wie ich die Spieler besser pushen kann. Ich möchte unser System weiterentwickeln, insbesondere was die Defensive betrifft. Ich werde den Sommer nutzen, um in allen Belangen weiterzukommen, ich möchte auch während der Meisterschaftspause besser werden. Und ich möchte 20, 21, 22 Manuals und ein Playbook erarbeiten. Wenn ich mich zurückerinnere an August, September:  Ich verbrachte meine Tage mit Staunen und war überrascht über alles Mögliche – wie die Schiedsrichter mit mir sprechen, die Stadien, die kurzen Anfahrtswege. Nun weiss ich, wie es läuft. Ich freue mich auf die zweite Saison.»