
Ein grüner Steilpass für die SVP?
Mit dem mitternächtlichen zwölften Glockenschlag ist in der Nacht auf Dienstag das Jahr 2018 ein Stück Geschichte. Der Sekundenzeiger passiert mit seinem Sprung über die Zwölf den Augenblick zwischen Silvester und Neujahr, zwischen Rückblick und Ausblick. Wie immer am Beginn eines neuen Jahres schauen wir mit Hoffnung und Erwartung nach vorne. Was bringt uns das Jahr 2019? «Wirds besser? Wirds schlimmer? Fragt man alljährlich. Seien wir ehrlich: Leben ist immer lebensgefährlich.» Erich Kästner in seinem Gedicht «Zum neuen Jahr».
Was 2019 uns bringt, ist und bleibt eine offene Frage – aber wir können als aktive Bürgerinnen und Bürger die eine oder andere Antwort auf politische Fragestellungen mit beeinflussen – das Steuerruder mit in die Hand nehmen. Gemeint sind die Nationalrats- und Ständeratswahlen – aber auch anstehende Volksabstimmungen, welche sich zum Teil massiv auf das Leben in unserem Land auswirken könnten.
Ein Paradebeispiel auf Bundesebene ist die Zersiedelungsinitiative, welche am 10. Februar zur Abstimmung gelangt. Das Volksbegehren der Jungen Grünen will die Gesamtfläche der Bauzonen in der Schweiz auf dem heutigen Stand einfrieren.
Ich kenne den Aargau seit Kindheit und ich weiss aus eigener Anschauung, wie der Kanton, seine Landschaft und seine Dörfer vor 40 Jahren ausgesehen haben. Auch ich erschrecke, wenn ich nach Jahren wieder einmal in eine seiner Regionen komme, die ich lange nicht mehr gesehen habe. Aber ist Wachstum Null eine Lösung, welche den Menschen dient? Ein starrer Bauzonen-Stopp lässt die Bedürfnisse von Bevölkerung und Wirtschaft ausser Acht – ebenso die regionalen Unterschiede.
2013 hat das Volk eine Revision des eidgenössischen Raumplanungsgesetzes angenommen. Hier geht es darum, die Bautätigkeit stärker zu kontrollieren – indem der Umfang der Bauzonen auf die Fläche beschränkt wird, die voraussichtlich in den nächsten 15 Jahren benötigt wird. Der Kanton Aargau hat dieses Ziel in seine Planung aufgenommen und viele Gemeinden setzen die neuen Vorgaben sehr kreativ um. Kreativ und nachhaltig ist, in vorhandenen Bauzonen qualitativ hochstehend und verdichtet zu bauen. Das heisst nicht Haus an Haus stellen – sondern zugunsten von Grünflächen höhere, gut gestaltete Bauten anstreben. Eine Revision einer Bau- und Nutzungsplanung – welche in diese Richtung zielt – wird der Zofinger Einwohnerrat im März beraten.
Während die aktuelle Raumplanung klare Ziele hat, aber Kurskorrekturen offenlässt, ist die Zersiedelungsinitiative starr wie Beton formuliert und blendet Tatsachen geflissentlich aus. Eine Tatsache ist die Bevölkerungsprognose. Laut dieser werden 2040 rund 816 000 Menschen im Aargau leben – 190 000 mehr als heute. Diese Zahl versteht die Kantonsregierung nicht als Wachstumsziel, sondern als Herausforderung – wo sollen diese Leute wohnen? Diese Frage stellt sich auch, wenn die Prognose – wie das die Grünen verlangen – auf 737 000 Einwohner gesenkt wird. Auch sie benötigen Wohnraum.
Und man höre und staune: Die EVP will gar aktive Massnahmen, um die Bevölkerung im Jahr 2040 auf 720 000 Personen zu beschränken. Macht ein Ja zur Zersiedelungsinitiative nicht die SVP-Idee einer Beschränkung der Zuwanderung zur zwingenden politischen Massnahme?