Ein positiver Fall in der Bekanntschaft: Bin ich infiziert oder nicht?

Die Tochter der Bekannten ist positiv getestet. Sofort taucht die Frage auf: Wann haben wir die Tochter letztmals gesehen, wann sind wir ihren Eltern begegnet, die nun in Quarantäne sitzen? Wie nahe sind wir diesr Familie gekommen? Haben wir uns womöglich angesteckt?

Noch immer gibt es offene Fragen zur Übertragung von Sars-CoV-2. Das deutsche Robert-Koch-Institut hat den Stand der Wissenschaft zusammengefasst. Der Hauptübertragungsweg läuft über die Aufnahme virushaltiger Partikel, die beim Atmen, Husten, Sprechen, Singen oder Niesen entstehen. Das Virus kann sowohl in grösseren Partikeln stecken, die schnell zu Boden sinken, wie auch in kleineren, die in der Luft schweben und Aerosole genannt werden.

Ein bis zwei Meter Abstand sind entscheidend

Grundsätzlich ist nach dem Robert-Koch-Institut die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung im Umkreis von einem bis zwei Metern erhöht. Bei längerem Aufenthalt in kleinem, schlecht oder nicht belüfteten Räumen kann sich das Risiko einer Übertragung durch Aerosole auch über eine grössere Distanz als 1,5 Meter erhöhen. Insbesondere dann, wenn ein Superspreader im Raum sitzt, den man aber leider nicht erkennt, wenn er am gleichen Tisch sitzt.

Eher unklar ist, ob das Virus auch auf damit kontaminierten Oberflächen gefährlich bleibt. Das WHO hat da eher Entwarnung gegeben, das Robert-Koch-Institut schliesst eine Übertragung durch kontaminierte Oberflächen, die von Infizierten berührt worden sind, dagegen nicht aus. Allerdings sei es bisher in keinem Fall im Labor eine Aufzucht des Virus auf einer Oberfläche gelungen. Eine Vermehrung wurde zwar nicht festgestellt, allerdings wurde das Virus auf glatten Oberflächen im Labor doch noch lange nachgewiesen. Deshalb sei nicht geklärt, ob das Virus auf Türfallen wirklich übertragen werden könne. Hände waschen lohnt sich also auf jeden Fall.

Zwei heikle Tage bevor sich Symptome zeigen

Hat das Virus den Weg in den menschlichen Körper gefunden, ist diese Person in der Regel während zwei bis drei Tagen nicht ansteckend. Danach beginnt die Infektiösität, die im Durchschnitt zehn Tage dauert. Da sich die Symptome meistens erst nach etwa fünf Tagen zeigen, liegen dazwischen die zwei gefährlichsten Tage. Also jene zwei Tage nach Beginn der Infektiösität, während der Infizierte keine Symptome zeigt, aber trotzdem ansteckend ist. 

Epidemiologische Studien deuten gemäss dem Robert-Koch-Institut darauf hin, dass die Ansteckungsfähigkeit zum Zeitpunkt des Symptombeginns, an den Tagen vor Symptombeginn und in der frühen Erkrankungsphase am höchsten ist. Einige Studien liefern zudem Hinweise, dass etwa die Hälfte aller Ansteckungen in den zwei bis drei Tagen vor Symptombeginn geschehen.

Nach einer Woche klingen die Symptome ab

Normalerweise klingen die Symptome nach rund einer Woche ab, das Immunsystem hat das Virus besiegt. Aber in seltenen Fällen kommt es dann nicht zur Ruhe, im Gegenteil: Es gerät manchmal nach sieben bis zehn Tagen aus den Fugen und die Entzündungen können Gewebeschäden an allen Organen im Körper verursachen. Wieso es bei einem kleinen Teil der Covid-19 Infizierten zu dieser späten Überreaktion kommt, ist noch nicht völlig geklärt.

Diese schweren Fälle werden im Spital mit dem entzündungshemmenden Medikament Dexamethason behandelt. Eine neue Studie aus Amerika zeigt, dass dies aber längst nicht in jedem Fall angezeigt ist: Generell sei die Entzündungsreaktion der Patienten eher tiefer als bei der herkömmlichen Grippe. Bei fünf Prozent der Patienten kam es zu einem Zytokinsturm, bei dem 10- bis 100-mal so viele Zytokine im Blut zu finden sind als normal. Allerdings wurden die Werte im Blut in über der Hälfte der Patienten vor dem siebten Tag der Symptome gemessen, also in jener Phase, in der das Immunsystem normalerweise noch nicht überschiesst.

Jeder Krankheitsverlauf ist individuell

Dies betont Hansjakob Furrer, Leiter Infektiologie des Inselspitals Bern.«Es ist klar, dass man in dieser frühen Phase noch keine Cortisol-Präparate abgeben soll, denn diese dämpfen das Immunsystem. Dexamethason soll für jene Patienten aufgespart werden, die es später brauchen.»

Bei der Einteilung des Krankheitsverlaufes nach Tagen rät er zur Vorsicht: «Die Krankheit verläuft immer individuell und nicht nach Zahlen. Es ist wirklich eine komplexe Krankheit. Man muss genau schauen, wie sie verläuft. Ein einzelner Blutwert an einem bestimmten Tag sagt wenig aus. Veränderungen in den Symptomen und den Blutwerten müssen täglich kontrolliert werden, damit sinnvoll interveniert werden kann.»

Genügend Gesundheitspersonal ist wichtig

Deshalb sei genügend Personal absolut wichtig: «Wir hatten eine Sterblichkeit von knapp 10 Prozent auf unserer Intensivstation, in England war es in der ersten Welle 40Prozent.» Aktuell ist das Inselspital mit drei mal mehr Patienten als in der ersten Welle belegt. «Wir hoffen, wir werden nicht noch mehr überrollt», sagt Furrer.