Ein teureres GA und das Road Pricing

Nicht die SBB, sondern der Branchenverband «CH Direct», dem – neben den Bundesbahnen – weitere 249 Transportunternehmen angehören, will in einem «Planspiel» den Preis des Generalabonnements (GA) in den nächsten zwei Jahren um mindestens zehn Prozent anheben. Der mediale Aufschrei war letzte Woche gross und wurde in einem Leserbrief auf den Punkt gebracht: «Mobbing gegen Vielfahrer». Stimmt das? Mitten in der Klimadebatte ein Signal, das politisch nicht hingenommen werden darf?

Fakt ist, dass der öffentliche Verkehr je nach Träger und Strecke mehr oder weniger stark defizitär ist – jeder Platz wie ein Spitalbett über die Steuerkasse subventioniert werden muss. Damit kann man leben. Aber – ist es nicht gerade in Zeiten der Klimadebatte falsch, Vielfahrer zu belohnen? Exakt das wird mit den GA gemacht.

Ein Rechenbeispiel: Ein GA 2. Klasse kostet – ohne Rabatte – 3860 Franken. Eine Fahrt Zofingen–Bern–Zofingen schlägt mit 64 Franken zu Buche. Nach 60 Tagen ist das GA amortisiert – für die restlichen 160 Arbeitstage gibt es Gratistransport, was auch für Fahrten in die Ferien oder zum Skifahren gilt. Es regnet am Sonntag? Ab auf die Bahn und zu einer Tasse Espresso ins sonnige Tessin – die Fahrt ist geschenkt. Das Ganze ist zudem steuerlich vergünstigt – bis zu einem Betrag von 7000 Franken kann im Kanton Aargau der Arbeitsweg als Berufsauslage in Abzug gebracht werden. Im Steuerabzug hat auch das GA 1. Klasse – 6300 Franken – Platz.

GA gibt es bei gleicher Leistung zu verschiedensten Preisen und Bedingungen. Juniorinnen und Junioren bis 25 Jahre bezahlen 2650 Franken – immer in der 2. Klasse –, Seniorinnen ab 64 und Senioren ab 65 2880 Franken. Speziell: Wer studiert, bekommt das GA für 2650 Franken – und noch spezieller: Eine Studentin, ein Student kann sich auch ein rabattiertes GA der 1. Klasse kaufen. Für 4520 Franken. Diese Studenten-GA stehen in der aktuellen Debatte auf dem Prüfstand. – Apropos 1. Klasse. In unserem Nachbarland Deutschland heisst das GA Bahn-Card 100. Rabatt-Abos sind die Bahn-Cards 50 und 25. Auch diese gibt es für die 1. und 2. Klasse. Für Rabatt in der Luxusklasse muss tiefer in die Tasche gegriffen werden – ein Modell für eine etwas bessere Kostendeckung im öV der Schweiz?

Klimaziele über den Tarif des öffentlichen Verkehrs verfolgen? Das kann man mit noch mehr Steuergeld, aber auch damit, dass man nicht primär Vielfahrer belohnt. Was im Angebot fehlt, sind Abos für weniger intensive, aber regelmässige öV-Benutzer – die heute viele Einzelbillette lösen müssen, weil sich für sie das GA nicht lohnt. Eine Lösung ist im Zeitalter von 5G in ihrer Umsetzung nicht allzu schwierig – eher die Ausgestaltung eines leistungsabhängigen Tarifs – beim Individualverkehr Road Pricing genannt.

Road oder eigentlich Dynamic Pricing will Bahn und Strasse in Stosszeiten verteuern – und jene Leute, die nicht ausweichen können, zu bestimmten Zeiten am Arbeitsplatz sein müssen, zur Kasse bitten. Ein starres Road Pricing ist ein reiner «Strassenzoll» – und zudem unsozial. Die vierköpfige Familie in ihrem VW Golf muss ihre Fahrten einschränken, während der vermögende Lamborghini-Fahrer lächelt und sich über staufreie Strassen freut. Als Klimaschutzmassnahme hat die Sache einen grossen Haken. Ob Elektromobil oder Ottomotor: Im Stau benötigen beide gleich viel Platz, müssten also gleich stark zur Kasse gebeten werden.

Sind Strassengebühren – oder ein neues Tarifsystem für den öffentlichen Verkehr – der Weisheit letzter Schluss? Wir müssen sie diskutieren, Vor- und Nachteile intelligenter Modelle gegeneinander abwägen.