
Ein Trio erbeutet fast 300’000 Franken aus dem Bancomat – einer der Täter muss ins Gefängnis
«Ich kann nicht zugeben, was ich nicht getan habe.» Das waren die letzten Worte des Mazedoniers am Mittwoch am Prozess vor dem Bezirksgericht Aarau. Der 47-jährige Vater von zwei Kindern ist ein Kriminaltourist, wie er im Buche steht. Er sass schon wegen gleicher Delikte in Slowenien, in der Ukraine und in Deutschland.
Ein harter Junge, der nur dank der Auswertung von DNA-Spuren ermittelt werden konnte. Und einer, der versuchte, sich mit Lügengeschichten zu retten. Doch die nahmen ihm die Aarauer Richter nicht ab. Die Indizien waren zu erdrückend. Das Gericht verurteilte den Bancomat-Knacker zu zwei Jahren unbedingt. Es folgte damit dem Antrag des Staatsanwalts. Der Verteidiger hatte auf Freispruch plädiert.
«Mindestens zwei nicht näher bekannte Mittäter»
Der Mazedonier drehte das grosse Ding mit, so der Staatsanwalt, «mindestens zwei nicht näher bekannten Mittätern». In einer Nacht vom Freitag auf den Samstag. Im Januar 2014, also vor sechs Jahren, bei der Coop-Tankstelle an der Suhrentalstrasse in Oberentfelden. Die Polizei sprach damals von einem «Ausnahmedelikt».
Und die Geschädigte, die Aargauische Kantonalbank, meinte: «So etwas haben wir noch nie gesehen.» Ansonsten waren sowohl die Polizei als auch die Bank damals sehr wortkarg. Erst am Mittwoch erfuhr man, dass die Beute 298’860 Franken betrug. Geld, von dem jede Spur fehlt.
Die Bancomat-Knacker machten zwei Sicherheitspausen
Dank der Anklageschrift ist jetzt auch bekannt, wie durchdacht die Bancomat-Knacker vorgingen. Wie sie immer wieder Pausen machten, um möglichst jedes Risiko des Erwischtwerdens zu umgehen.
Der Tathergang wurde von den Ermittlern folgendermassen rekonstruiert: Am Freitagabend des 24. Januars passierten zwei Fahrzeuge, ein Mercedes Vito und ein Renault Laguna, beide mit französischen Kennzeichen, in Basel die Schweizer Grenze. Im Gepäck führten sie unter anderem einen Winkelschleifer mit fünf Trennscheiben, ein Notstromaggregat, ein Beil, einen Vorschlaghammer, zwei Metallkeile, ein Brecheisen und zahlreiche Handys mit sich.
Nachdem die Täterschaft am Tatort an der Industriestrasse 43 in Oberentfelden eingetroffen sei, habe sie sich, so der Staatsanwalt in der Anklageschrift, «in drei Arbeitsschritten» am freistehenden Bancomaten zu schaffen gemacht: «Zwischen 1.22 Uhr und 1.38 Uhr schnitten die Mittäter mit einem Winkelschleifer die erste Metallverkleidung an der Servicetüre des Cashcorners auf.» Anschliessend verliessen sie den Tatort.
«44 Minuten später wagten sie sich zurück. Ab 2.22 Uhr schnitten sie die zweite Metallverkleidung auf, gelangten in den Innenraum des Cashcorners, wo sie», so der Staatsanwalt, «die Stromkabel kappten und das Alarmsystem von der Wand schlugen.» Dann gab’s eine lange Sicherheitspause von fast anderthalb Stunden. «Um 4.07 Uhr kehrten sie ein letztes Mal an den Tatort zurück, durchtrennten die Bolzen an den Türscharnieren des Kassenschranks und wuchteten die Kassenschranktüren auf», so der Staatsanwalt. Um 4.15 Uhr verliessen sie den Tatort. Sie hatten in den fast drei Stunden einen Sachschaden von 87’319 Franken angerichtet.
In der Tatnacht war ihm noch die Flucht gelungen
Dass wenigstens einer der Täter nun einsitzt, ist einer aufmerksamen Polizeipatrouille zu verdanken, die in der damaligen Nacht zwei Kilometer weiter in Muhen ein Fahrzeug mit französischem Nummernschild kontrollieren wollte. Als sich die Polizisten näherten, stieg eine Person aus und flüchtete zu Fuss. Die Staatsanwaltschaft geht heute davon aus, dass es sich bei dieser Person um den nun verurteilten Mazedonier handelt: ein bulliger Mann mit Glatze, tief eingefallenen Augen, aufgedunsenem Gesicht, fahler Haut. Auf seine Spur gebracht hat die Ermittler eine im zurückgelassenen Auto gefundene schwarze Jacke. Am rechten Ärmel fanden sich seine DNA-Spuren.
Dass er gestern in Aarau vor dem Bezirksgericht sass, ist auch einem fehlgeschlagenen Bancomaten-Aufbruch in Deutschland zu verdanken. Ein Jahr nach dem Fall in Oberentfelden klickten in Deutschland die Handschellen, er wurde verurteilt.
Seit Juni 2019 sitzt er nun in der Schweiz in Haft. Zurzeit im Bezirksgefängnis Aarau-Telli. Und hier hat er bei einer Einvernahme angegeben, dass er sich zum Tatzeitpunkt in Frankreich aufgehalten habe, um sich Autos zum Kaufen anzuschauen. Besonders interessiert habe er sich damals unter anderem für einen Mercedes Vito, ein Bestattungswagen. Es ist das in Oberentfelden zurückgelassene Tatfahrzeug.