
Ein «Weltwunder» liegt für Lukas Winterberg ausser Reichweite
Wenn am Stephanstag Spitzenquerfahrer im Gebiet Nuttelen in Pfaffnau den Berg hochwuchten, dürften die Augen der meisten Zuschauer auf ihn gerichtet sein: Lukas Winterberg. Aufgewachsen in der Nachbargemeinde Roggliswil, zur Schule gegangen auch in Pfaffnau, Mitglied des Veloclubs Pfaffnau-Roggliswil. Eine Bürde für ihn, da ist sich der 30-jährige Lokalmatador sicher, wird das aber nicht sein. Ganz im Gegenteil: Der Heimvorteil werde ihn beflügeln, ihn dazu befähigen, das Letzte aus seinem Körper herauszupressen. In Dagmersellen in den vergangenen Jahren und auch bei den beiden ersten Querrennen in Pfaffnau sei das jedenfalls stets so gewesen. «Die Leute tragen dich durchs Rennen. Das habe ich immer sehr geschätzt.»
Lukas Winterberg konstatiert zwar einen Formanstieg, aber er weiss, dass er den meisten seiner Konkurrenten weit hinterherhinkt, weil er im Sommer die Grundlagen nur in ungenügendem Masse gelegt und in der Vorsaison ausser in Dagmersellen kein einziges Rennen bestritten hat. Nicht aufgrund einer Verletzung oder Krankheit, sondern ganz bewusst. Er investierte seine Zeit in eine Weiterbildung und darf sich nach erfolgreichem Abschluss nun technischer Kaufmann nennen.
Winterberg wohnt heute in Dallenwil im Kanton Nidwalden und arbeitet beinahe in einem Vollpensum als Bauleiter. In seiner Heimatregion ist der gelernte Zimmermann nur noch selten anzutreffen. Hin und wieder kommt es aber vor, dass eine längere Trainingsfahrt im Luzerner Hinterland vorbeiführt. Das Heimrennen am Stephanstag auszulassen war für Winterberg, der seit dieser Saison ohne Team unterwegs ist und an den Rennen von seiner Freundin betreut wird, aber trotz fehlender Topform nie ein Thema gewesen.
Das erste Rennen nach der langen freiwilligen Pause bestritt er Ende Oktober in Bern, beim ersten Weltcup-Rennen in der Schweiz seit acht Jahren. Dass er überhaupt starten konnte, war ein unerwarteter Glücksfall und dem Startverzicht diverser Schweizer Konkurrenten geschuldet, die aufgrund ihrer Weltranglistenklassierung eher Anspruch auf einen Startplatz gehabt hätten. Winterberg klassierte sich auf Rang 48 – und war darob gar nicht mal enttäuscht. Vor dem Start sei ihm bewusst gewesen: «Ich bin nie auf jenem Fitnesslevel, auf dem ich sein müsste, um ein solches Rennen zu bestreiten.» Sei er gut in Form, klassiere er sich in Weltcuprennen normalerweise in der Ranglistenregion 25 bis 30. «Aber nun habe ich gar nicht allzu hohe Erwartungen.»
Ziel sei primär, möglichst viele Punkte für die Weltrangliste zu sammeln, um die Startposition für die kommende Saison verbessern zu können. «Ich will schon jedes Rennen möglichst gut fahren, habe aber begrenzte Ressourcen zur Verfügung.» Und in erfrischend authentischen Worten fährt er fort: «Manchmal muss ich halt den ‹Hahnen› zudrehen, wenn die ‹Pumpe› streikt.» Würde er das nicht tun, müsste er das Rennen bald entkräftet aufgeben.
Winterbergs grosses Ziel ist die Teilnahme an der Heim-WM Ende Januar 2020 in Dübendorf. Da will er unbedingt dabei sein. 2016 war er bei seiner ersten WM-Teilnahme 30. geworden.
Nach dem Auftakt in Bern hat er vier weitere Rennen bestritten. Und nur drei Tage vor Pfaffnau wird der gebürtige Roggliswiler wie in den Vorjahren im belgischen Namur ein Weltcuprennen fahren. Da parallel zum Event in Pfaffnau am 26. Dezember in Belgien ein anderes Weltcuprennen stattfindet, werden die stärksten Schweizer Querfahrer im Luzerner Hinterland, wo Winterberg einen Top-Ten-Platz anstrebt, nicht starten. Aber das Feld darf sich dennoch mehr als sehen lassen. Mit Marcel Wildhaber, Andri Frischknecht und Lars Forster werden beispielsweise starke Schweizer Mountainbiker am Start stehen. «Den zehnten Platz zu erreichen, wird schwierig. Wenn ich einen guten Tag erwische, ein anderer Fahrer vielleicht ein wenig Pech bekundet, dann könnte es mir reichen», orakelt Lukas Winterberg. Der dritte Platz, den er 2015 an seinem Heimrennen belegte, dürfte es diesmal kaum werden, wie er lachend meint. «Wenn ich sagen würde, das Podest sei möglich, würde ich lügen. Das wäre ein Weltwunder.»