
«Eine perfide Krankheit»: So heftig traf das Coronavirus die Aargauer Regierungsspitze
Am 23. März wurde mit Volkswirtschaftsdirektor Urs Hofmann der erste Aargauer Regierungsrat positiv auf Covid-19 getestet. Es erwischte Polizeikommandant Michael Leupold, Landammann Markus Dieth, Landstatthalter Stephan Attiger und gar den Leiter der kantonalen Corona-Task-Force, Dieter Wicki. Gerade bei Markus Dieth, Stephan Attiger und Michael Leupold war der Krankheitsverlauf vergleichsweise mild. Ganz anders vorab bei Urs Hofmann und Regierungssprecher Peter Buri. Sie mussten Anfang April beide ins Kantonsspital Aarau eingewiesen werden.
Urs Hofmann: «Corona ist eine perfide, einzigartige Erkrankung, nicht zu vergleichen mit der Grippe.»
© Alex Spichale
Urs Hofmann: «Mir ging es im Leben noch nie so schlecht»
Regierungsrat und Volkswirtschaftsdirektor Urs Hofmann ist am 23. März positiv auf das Coronavirus getestet worden. Am 3. April musste er mit hohem Fieber hospitalisiert werden. Am 20. April konnte er seine Regierungstätigkeit wieder aufnehmen. Auf Tele M1 schilderte er im April nach seiner Gesundung das Erlebte. Corona sei eine «perfide, eigenartige Erkrankung, nicht zu vergleichen mit der Grippe». Es gehe ihm auch jetzt leider noch nicht ganz so gut, wie es sollte», sagte der sichtbar geschwächte Urs Hofmann damals.
Weil die Grippe Urs Hofmann früher immer wieder heftig erwischte, lässt er sich gegen sie seit vielen Jahren impfen. Doch zurück zu Corona: Zwar sei bei seiner Erkrankung das mit über 38 Grad nicht sehr hohe Fieber schon nach drei Tagen weg gewesen, aber nach einer Woche wieder voll zurückgekommen:
Er bekam Anti-Malaria-Mittel und wurde am Tag danach ins Spital eingewiesen.
«Mir ging es in meinem ganzen Leben noch nie so schlecht», blickt er heute zurück. Er sei eigentlich in guter körperlicher Verfassung, und trotzdem habe es ihn derart heftig erwischt, sagt Hofmann. Um wie viel stärker könne es da Leute mit Vorerkrankungen erwischen, überlegt er laut. Auch sei möglich, dass ihm das Anti-Malaria-Mittel geholfen habe.
Heute, mehr als zwei Monate nach seiner Gesundung, spürt Hofmann immer noch eine Reizung auf den Bronchien. Er kann sich aber wieder gut körperlich betätigen, hat keine Probleme mit seiner Atmung. Schon vor Wochen absolvierte er einen zügigen 20-Kilometer-Marsch von Aarau nach Brugg. Jetzt, in den Ferien im Goms, läuft er seine Jogging-Strecke wieder nahezu im gewohnten Tempo.
Wegen der eigenen Corona-Erfahrung ist Urs Hofmann jetzt noch überzeugter, dass eine «Durchseuchung» nicht das richtige Rezept wäre. Er ruft die Bevölkerung auf, sich auch jetzt, mit den vielen Lockerungen im öffentlichen Leben, strikte an die Hygienemassnahmen zu halten. «Wir müssen alles tun, um eine zweite Welle zu vermeiden.»
Peter Buri litt unter Fieber und blutigem Extremhusten.
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Peter Buri: «Ich bekam Atembeschwerden – sie waren wie Messerstiche»
So erlebte Regierungssprecher Peter Buri die Covid-19-Erkrankung: «Ich wurde am 24. März aufgrund der Symptome Kopfweh, Gliederschmerzen, Starkhusten und reduzierten Allgemeinbefindens positiv auf Covid-19 getestet und hatte zuerst einen einfachen Verlauf (ohne Fieber). Bis Anfang April schien die Infektion überwunden, ich hatte praktisch keine Symptome mehr. In der Nacht auf den 3. April trat dann eine abrupte Verschlechterung (Rückfall) mit starken Atembeschwerden (Messerstiche beim Atmen), reduzierter Sauerstoffaufnahme, Fieber und blutigem Extremhusten auf, was am Morgen des 3. April zu einer einwöchigen Hospitalisierung im Kantonsspital Aarau (KSA) führte (Diagnose: virusbedingte Lungenentzündung).
Nach der Spitalentlassung hatte ich 48 Stunden keine Symptome und wurde am 11. April als geheilt erklärt, aber eine weitere Woche krankgeschrieben. In den ersten 14 Tagen nach der Spitalentlassung war das Allgemeinbefinden noch stark reduziert, danach trat aber rasch eine signifikante Besserung ein.
Gegen Ende April begann ich wieder mit den ersten Sportaktivitäten (Wandern), in der zweiten Mai-Hälfte kam dann das (fast) tägliche Schwimmen dazu. Heute kann ich wieder im vollen Umfang und ohne Beeinträchtigung Sport treiben. Auch sonst habe ich – zum Glück – keine Nachwehen.
Bei meiner Frau (sie hatte keine Symptome entwickelt) und mir wurden Antikörper festgestellt. Allerdings kann wissenschaftlich-medizinisch zurzeit noch nicht gesagt werden, was dies bezüglich Immunität, Dauer einer solchen oder Wiederansteckungsgefahr bedeutet. Seit der Covid-19-Infektion versuche ich die aktuell gültigen Empfehlungen des Bundesamtes für Gesundheit und der Kantonsärztin möglichst konsequent einzuhalten – im Bewusstsein, dass es immer ein gewisses Restrisiko geben wird.»
Stephan Attiger liess sich Anfang April testen.
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Stephan Attiger: «Nur leichter Verlauf der Krankheit, heute spüre ich davon nichts mehr»
Dass Anfang April auch Landstatthalter und Baudirektor Stephan Attiger sich mit Covid-19 infiziert hat, wurde erst diese Woche bekannt. Damit haben sich im Frühling nicht wie bisher bekannt zwei, sondern gar drei Aargauer Regierungsräte mit Covid-19 infiziert. Attiger schildert das Erlebte so: «Im März begab ich mich in Selbstquarantäne, auch weil ich Anfang Jahr eine Operation hatte und noch in der Rekonvaleszenz-Phase war. Ein gewisses körperliches Unwohlsein und kaum erhöhte Temperatur führte ich zu dem Zeitpunkt auf die Operation zurück. Später folgte ein trockener Husten. Von daheim aus arbeitete ich im Homeoffice weiter. Anfang April liess ich mich in Absprache mit der Kantonsärztin testen, der Test war positiv. Ich hatte nur einen leichten Verlauf der Krankheit, heute spüre ich davon nichts mehr.»
Markus Dieth: «Mir geht es seit dem Abschluss der Quarantäne am 5. April wieder gut»
Ihm gehe es seit dem Abschluss der Quarantäne wegen Covid-19 am 5. April wieder gut, sagt Landammann und Finanzdirektor Markus Dieth. Beim Sport habe er es aber langsam angehen müssen, «da ich in jener Zeit doch sehr viel Gewicht verloren habe. Der Körper war geschwächt. Jetzt liegt aber wieder zwei- bis dreimal pro Woche Fitness drin.»
Was Markus Dieth aber spürt, ist, dass er am Abend viel früher müde ist. Dies sagt er gegenüber der AZ. Vielleicht sei das aber auch auf das Alter zurückzuführen, fügt er lachend an. Obwohl er das Virus bereits hatte, verhalte er sich so, wie das Bundesamt für Gesundheit (BAG) empfiehlt, sagt er. Dieth: «Ich finde das wichtig und möchte auch Vorbild sein. Es steht einem ja nirgends auf der Stirn ‹Corona›. Und ob man tatsächlich immun ist, ist ja auch nie ganz sicher.»
Polizeikommandant Michael Leupold: «Covid-19 ist eine gefährliche Krankheit.»
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Michael Leupold: «Dann war ich noch drei Wochen lang müde und schlapp»
Der kantonale Polizeikommandant Michael Leupold wurde im Frühling ebenfalls infiziert. Er war ferienbedingt für eine aktuelle Stellungnahme nicht erreichbar. Bereits Anfang Mai sagte er aber nach überstandener Krankheit im Interview mit Rolf Cavalli, Covid-19 sei «eine gefährliche Krankheit, von deren Wirkungen und Ansteckungswegen wir noch wenig wissen».
Am Anfang sei es wie eine Grippe gewesen: heisser Kopf, Frösteln, zweieinhalb Tage Fieber. Aber nur leichter Husten und keine Atemprobleme: «Ich war zwölf Tage zu Hause in Isolation. Ich dachte, das war’s, aber dann war ich noch drei Wochen lang müde und schlapp.»
Zur Frage, wie schnell er gesund geworden sei, sagte Leupold im Interview weiter: «Ich hatte Startschwierigkeiten. Normalerweise stehe ich um 5.15 Uhr auf und bin gleich parat, aber nach der Krankheit dauerte das. Seit Ostern bin ich wieder ganz der Alte und kann auch normal mein Lauftraining machen. 24 Stunden vor dem Ausbruch der Krankheit absolvierte ich übrigens noch meine zehn Kilometer lange Joggingrunde und habe dabei absolut nichts gemerkt.
Infektionen in Taskforce erfolgten über fünf Wochen
Verlauf und Symptomatik waren unterschiedlich, Betroffene spüren vereinzelt noch Nachwirkungen.
Nach der Erkrankung zweier Regierungsräte und des Polizeikommandanten wurde im Frühling bekannt, dass auch mehrere Mitglieder der kantonalen Corona-Taskforce infiziert worden waren. Allen voran Dieter Wicki, Leiter der Taskforce Coronavirus. Dieter Wicki schildert, was damals geschah und wie Covid-19 bei ihnen verlief: «In der Taskforce hatten wir – trotz Schutzmassnahmen – mehrere Infektionen, darunter ich sowie mein Stellvertreter, Kreiskommandant Rolf Stäuble. Die Infektionen erfolgten nacheinander über einen Zeitraum von fünf Wochen von Ende März bis Anfang Mai. Die Führung der Taskforce war dank eingespielter Stellvertreter-Regelung jederzeit sichergestellt.»
Verläufe und Symptomatik seien sehr unterschiedlich gewesen, es musste aber niemand hospitalisiert werden. Wicki: «Eine Person hatte gesundheitliche Probleme, bei denen nicht klar ist, welchen Einfluss das Coronavirus möglicherweise hatte. Insofern ist unklar, ob dieser kurze Spitalaufenthalt Corona-bedingt war oder nicht.» Spürt er selbst noch Nachwehen der Krankheit oder kann er sich schon wieder voll sportlich betätigen wie vorher? Er spüre keine Nachwehen, sagt Dieter Wicki. Bei den betroffenen Mitarbeitenden gebe es vereinzelt noch Nachwirkungen. Nicht nur der Verlauf der Krankheit sei individuell verschieden gewesen, auch die Folgen. Wicki: «Glücklicherweise hat niemand mit schweren Beeinträchtigungen zu kämpfen. Wir Betroffenen fragen uns aber schon, ob wir infolge des Coronavirus oder der krisenbedingten Arbeitsbelastung eine grössere Müdigkeit spüren, als wir es uns gewohnt waren.»
Wie verhalten sie sich nun wegen Corona? «Anders als vor der Pandemie, ja klar. Die Erkrankung hat zusätzlich sensibilisiert, aber wir alle halten die Empfehlungen ein und setzen die Massnahmen um, weil wir wissen, dass die Sache noch nicht vorbei ist.»