Eintauchen in die Fantasie

Steuererklärung ausfüllen, Rechnungen bezahlen und jetzt auch noch diese Pandemie, die uns Sorgen macht: Das Erwachsenenleben hält nicht nur Schönes bereit. Um dem hin und wieder zu entfliehen, verbringe ich gerne mal einen Nachmittag mit meinem Gottemeitli.

Kürzlich stiegen wir gemeinsam auf den Spielturm im Garten – die Dreijährige etwas flinker als ich. Die Frühlingssonne wärmte unsere Gesichter, wir genossen die Aussicht auf den Garten. Plötzlich verwandelte sich der Spielturm in ein grosses Schiff. Wir winkten den Menschen im Hafen zum Abschied zu, dann setzte sich mein Gottemeitli ans Steuer des Schiffs. «Wohin fahren wir?», wollte ich von ihr wissen. «Zu Grossmami. Da gibts Kuchen», entgegnete sie.

Wir gelangten aufs offene Meer. Wind kam auf, Wellen peitschten an den Bug, unser Schiff schaukelte wild. Die Dreijährige verdonnerte mich dazu, mich hinzusetzen. Sie sass selbstbewusst am Steuer. Ob ich vielleicht Nonno anrufen könne, fragte sie mich plötzlich. Den wolle sie auch noch besuchen. Ich griff zum Telefon, drehte an der Wählscheibe, wählte Nonnos Nummer und machte diese Knackgeräusche, als wäre die Verbindung schlecht. Wieder und wieder, ganz zum Vergnügen der Kleinen. Und so schipperten wir übers Meer. Ob wir jemals dort ankamen, wo wir wollten? Ich weiss es nicht. Aber das ist auch nicht wichtig.

Im Nachhinein fragte ich mich, wann ich diese kindliche, blühende Fantasie verloren habe. Jedenfalls habe ich mir vorgenommen, sie hin und wieder hervorzukramen. Vielleicht gehe ich demnächst statt im Wald im Dschungel spazieren, wo sich bunte Schmetterlinge und exotische Tiere tummeln. Versuchen Sie das doch auch mal. Es tut nämlich gut.