
Elsad Zverotic: Nach Penalty-Drama gibt es die Captainbinde
Weg vom Alltagstrott im Aarauer Brügglifeld – raus ins abgelegene, aber umso beschaulichere Allgäu. In Oberstaufen, direkt an der Grenze zwischen Deutschland und Österreich, schwörte sich der FC Aarau Anfang dieser Woche auf die neue Saison ein. Der Ort für den Kurztrip war nicht zufällig gewählt: Ins Hotel des deutschen Ex-Stürmerstars und Weltmeisters Karlheinz Riedle verkrochen sich Mannschaft und Trainerstaff bereits nach dem Horrorstart in die vergangene Saison, vollzogen eine «Chropfleerete» und initiierten 190 Kilometer von Aarau entfernt die sensationelle Aufholjagd bis in die Barrage.
Damals und dieses Jahr dabei: Elsad Zverotic. Der Mittelfeld-Kämpfer sprach sich im vergangenen Herbst trotz Mega-Krise deutlich gegen eine Entlassung von FCA-Trainer Patrick Rahmen aus – wegen dem, was 2018 in Oberstaufen passierte? «Nein, ich war immer vom Trainer überzeugt. Aber es war damals wichtig, dass wir mal rauskommen und in einer fremden Umgebung die Probleme auf den Tisch legen. In Oberstaufen haben wir wieder angefangen, an die eigenen Stärken zu glauben.»
Auch Zverotic selber tankte nach bescheidenem Start beim FCA im Allgäu Kraft und wurde im Mittelfeldzentrum zum Antreiber und verlängerten Arm von Trainer Rahmen. Der Montenegriner war einer der wichtigsten Spieler auf dem Weg in die Barrage, ehe dort im Penaltyschiessen Zverotics Nerven versagten: Als einziger aller zehn angetretenen Schützen traf er nicht vom Punkt, was den Barrage-Krimi zwischen Aarau und Xamax letztlich entschied.
Entschlossen in Richtung Super League
Die Bilder des weinenden Zverotic standen aus Aarauer Sicht sinnbildlich für das Drama im Brügglifeld. «Die Erinnerungen an diesen Tag kommen immer wieder hoch – und das wird wohl mein Leben lang so sein», sagt er, «aber das heisst nicht, dass mich das in der neuen Saison auf dem Platz belastet. Man muss nicht etwas vergessen, um den Kopf frei zu haben für anderes. Im Gegenteil: Ich bin umso entschlossener, mit Aarau irgendwann in die Super League aufzusteigen.»
Bereits in der nächsten Saison? «Wir müssen bescheiden sein. Uns haben wichtige Spieler verlassen, mit Lausanne und GC sind zwei Mannschaften finanziell klar besser als wir. Aber ich bin überhaupt nicht pessimistisch, weil ich es jeden Tag im Training sehe, dass wir eine gute Mannschaft haben. Lausanne und GC sind mit ihren Riesenbudgets sicher die Favoriten, aber die vergangene Saison hat gezeigt, wie eng die Teams in der Challenge League beisammen sind. Und ich bin überzeugt, in der nächsten Saison wird es noch spannender.»
Höhenflug dank «Geist von Oberstaufen»?
Umso wichtiger, dass die Stimmung innerhalb der Mannschaft stimmt. Das tue sie, versichert Zverotic. Die Rückkehr ins Allgäu, der «Geist von Oberstaufen» könne den FCA zu neuen Höhenflügen führen. Zverotic: «Erst einmal ist es nicht selbstverständlich, dass der Klub uns das Trainingslager erneut ermöglicht hat. Die Stimmung im Team ist super und im Training geben alle Vollgas – ich bin zuversichtlich für das erste Spiel am Samstag in Winterthur.»
In diesem wird der 32-Jährige die Mannschaft als Captain aufs Feld führen. Die Binde trug er bereits in der vergangenen Saison seit dem 6. Spieltag, damals aber «nur» als Stellvertreter des offiziellen Captains Gianluca Frontino, der verletzt ausfiel. Nach dessen Rücktritt vom Profifussball ist Zverotic nun auch auf dem Papier FCA-Captain. Stolz? «Natürlich auch stolz. Aber wir haben mehrere Führungsspieler im Team, ich sehe mich nicht als etwas Besonderes», sagt der frühere Profi von Luzern, YB, Fulham und Sion sowie 61-fache Nationalspieler Montenegros. Eine für einen FCA-Spieler durchaus aussergewöhnliche Karriere.
Verjüngung auf Kosten der Qualität
Sandro Burki kann einen gewissen Stolz nicht verheimlichen: «Zwölf von 23 Spielern in unserem Kader haben unsere Junioren-Abteilung durchlaufen – also mehr als die Hälfte. Langsam, aber sicher kommen wir unserer Strategie näher», sagt der Sportfchef des FC Aarau. Namentlich sind dies: Thaler, Spadanuda, Jäckle, Ammeter, Lujic, Hammerich, von Arx, Alounga, Giger, Hübel, Corradi und Peralta. An der Medienkonferenz vor dem Saisonstart am Samstag in Winterthur wies Burki darauf hin, dass im Vergleich zur vergangenen Saison das Kader ausgedünnt und in der Breite nicht mehr so prominent besetzt sei. Mit der Folge, dass das Durchschnittsalter mit 24,6 Jahren deutlich tiefer sei als in der vergangenen Saison. Besonders ins Gewicht fallen die Abgänge der Stammspieler Nikolic, Bürgy, Obexer und Tasar – dazu sind Karanovic und Frontino nicht mehr dabei. Mit Tasar und Karanovic gingen 21 Tore verloren – wer soll diese in Zukunft erzielen? Trainer Patrick Rahmen sagt: «Die ganze Mannschaft muss das ausgleichen. Speziell von Marco Schneuwly und Petar Misic erhoffe ich mir mehr Skorerpunkte.» Die vom Trainer genannten Spieler haben mit vier und fünf Toren in der vergangenen Saison viel Aufholbedarf – besonders Grossverdiener und Starstürmer Marco Schneuwly steht in der Pflicht.